Reise mit dem langsamsten Schnellzug der Welt | 90 Minuten

Glacierexpress – Von St. Moritz zum Matterhorn

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Autor/in
Alexander Schweitzer
Alexander Schweitzer

Die Fahrt mit dem Glacierexpress ist eine der berühmtesten Eisenbahnreisen der Welt. In acht Stunden erfahren wir zwischen St. Moritz und Zermatt knapp 300 Kilometer Schweizer Alpenlandschaft in ihrer schönsten Form. Seit 88 Jahren gehört die Reise mit dem „langsamsten Schnellzug der Welt“ zu einer der aufregendsten und bequemsten Möglichkeiten, die Alpen zu entdecken.

Von St. Moritz über das Landwasserviadukt bis Chur

Unsere Reise beginnt im mondänen St. Moritz, dem Geburtsort der alpinen Winterferien, natürlich im Winter. Hier bläst Hans Peter Danuser ins Alphorn. Der ehem. Kurdirektor von St. Moritz hat schon in den 1980er Jahren in New York mit dem Alphorn für den Glacierexpress geworben. Schon bald hinter St. Moritz fährt der Zug durch den Albulatunnel. Auf der anderen Seite geht es bis Thusis bergab auf einem UNESCO-Weltkulturerbe, der Albulalinie. Die Strecke ist harmonisch in die Landschaft eingebettete und gilt als Paradestück der Bahnpionierzeit. Den großen Höhenunterschied von 1.000 Metern überwindet der Zug mittels mehrerer Kreiskehrtunnel. Bis Bergün ist uns der Schwindel ganz nah. Wir steigen aus und besuchen den „schönsten Flecken der Schweiz“, den Bergsee „Lai de Palpuogna“. Über die berühmteste Eisenbahnbrücke der Schweiz, dem Landwasserviadukt, fährt der Glacierexpress langsam Chur entgegen. In der Brunnenstadt lassen wir uns über die Bedeutung des Wortes „Waschweib“ aufklären.

Vom „Grand Canyon der Schweiz“ bis Disentis

Nun überquert der Glacierexpress in Reichenau genau die Stelle, wo sich Vorder- und Hinterrhein zum Rhein vereinigen. Es folgt die Fahrt durch die Ruinaulta, wie die Rheinschlucht zwischen Reichenau und Ilanz auf Rätoromanisch heißt. Weiße Felsen und bizarre Gesteinsformationen haben diesen Abschnitt berühmt gemacht. Vom „Grand Canyon der Schweiz“ ist es nicht mehr weit bis Disentis, wo das Streckennetz der Rhätischen Bahn endet. Wir besuchen das Kloster Disentis. Darin befindet sich ein berühmtes Gymnasium, die älteste Schule des Kantons Graubünden. Hier wird noch Rätoromanisch gelehrt.

Per Zahnrad und Schneeschleuder auf den Oberalppass

Eine neue Zahnradlok ist angehängt, nun geht es steil bergauf zum höchsten Punkt der Reise im Glacierexpress auf den 2.033 Meter hohen Oberalppass. Im Winter ist die Passstraße gesperrt und der rote Zug schlängelt sich durch eine einzigartige Gebirgslandschaft. Wegen Lawinengefahr ist die Strecke über den Oberalppass ab und zu auch für den Zug gesperrt. Dann beginnt morgens um fünf Uhr für das Schleuderteam der Arbeitstag und die Schneeräumung beginnt. Oben am Pass wartet bereits ein Hubschrauber der Lawinenwacht. Vom Helikopter aus werden Gefahrenstellen ausgemacht und sodann gesprengt. Am Vormittag kann der Oberalppass wieder frei gegeben werden und uns bringt der Zug nach Andermatt im Kanton Uri. Andermatt ist ein kleines Städtchen am Fuße des Gotthardmassivs und war einst eine wichtige Garnison in der Schweiz.

Das "Sommerteam" macht die Furka-Bergstrecke fahrtauglich

In Realp verschwindet der Glacierexpress im 1982 erbauten Furka-Basistunnel. In den ersten fünf Jahrzehnten fuhr der Zug über die Furka-Bergstrecke, von wo aus man den namensgebenden Rhonegletscher, den Glacier, sehen konnte. Mit dem neuen Tunnel wurde die Bergstrecke gesperrt. Eisenbahnfreunde haben sich daraufhin daran gemacht, die Strecke zu erhalten und zu betreiben. Wir beobachten den Aufbau der Steffenbachbrücke, eine Klappbrücke, die jedes Jahr auf- und abgebaut wird, um im Winter einer Lawine Platz zu lassen.
Heute fahren im Sommer die Dampffreunde Furka-Bergstrecke mit Dampfzügen über den Berg. Den Rhonegletscher kann man allerdings auch bei diesen Fahrten nicht mehr sehen. Er hast sich stark zurückgezogen und allein im letzten Sommer acht Meter Dicke verloren.

Von Zermatt mit der Gornergratbahn zum Matterhorn

In Oberwald steigen wir wieder um in den Glacierexpress und passieren die Grenze zum Kanton Wallis. Gemächlich geht es nun bergab die letzten Kilometer bis nach Brig im Rhonetal. Das Städtchen war schon immer ein wichtiger Transitort. Reger Handel brachte der Stadt Wohlstand, davon legt noch heute der Stockalper-Palast, ein bedeutender barocker Palastbau in der Schweiz, Zeugnis ab. Am Nachmittag verlässt der Glacierexpress das Rhonestädtchen. Das Wallis, die Sonnenstube der Schweiz, zeigt sich hier von seiner schönsten Seite. Vor Stalden beginnt die steilste Strecke des Glacierexpress mit 125 Promille. Etwas weniger Promille wird hier in schrägen Gläsern im Zug dargereicht – Heidawein. Die Weingläser sind schräg, damit sie bei steiler Bergfahrt auf dem Tisch gerade stehen. Der Wein übrigens stammt aus der Gegend. Oberhalb der Strecke, bei Visperterminen, befindet sich der höchstgelegene Weinberg nördlich des Alpenhauptkammes auf einer Höhe von 1.150 Meter.
Auf den letzten Kilometern vor der Endstation Zermatt bestaunen wir noch die zirkusreife Akrobatik der Kellnerin im Grappaeinschenken. Wahrlich im „hohen Bogen“ gießt sie aus ca. einem Meter Entfernung Grappa ins Schnapsglas. Ins autofreie Zermatt darf man nur mit einem Pendelzug oder eben mit dem Glacierexpress fahren. Was ab Mitte des 19. Jahrhunderts für die englische High Society St. Moritz für Skifahrer war, ist Zermatt für Bergsteiger gewesen. Rund um Zermatt thronen 30 Viertausender – darunter auch „Gottes Pyramide“, das Matterhorn. Krönender Abschluss einer Fahrt mit dem Glacierexpress ist daher für viele die Fahrt mit der Gornergratbahn. Vom mehr als 3.000 Meter hohen Gornergrat bietet sich vor allem am Spätnachmittag ein unvergleichlicher Blick auf den meistfotografierten Berg der Welt, das Matterhorn.

(ESD: 21.05.2018)

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Alexander Schweitzer
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