Der langjährige Eisenbahn-Romantik-Sprecher Jo Jung macht sich auf den Weg in die Rheinhessische Schweiz, wo er großteils aufgewachsen ist. Bei sich trägt er ein Bild vom Bawettchen, das bereits über seinem Kinderbett hing. Anlässlich seiner letzten Sendung im Dienste des SWR möchte er mehr über diese verschwundene, aber nicht vergessene Eisenbahn in Erfahrung bringen.
Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts fuhr Bawettchen zwischen Fürfeld und Sprendlingen. Neben Personen transportierte es landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Wein und Zuckerrüben und auch Baumaterial aus dem Steinbruch bei Neu-Bamberg und einer großen Ziegelei in Wöllstein.
Es ranken sich zahlreiche Geschichten um Frauen namens „Babette“, die der Zugstrecke ihren Namen gegeben haben sollen. Eng verbunden mit der rheinhessischen Bezeichnung „Bawettche“ ist auch ein Loktyp, die preußische T 3, die 65 Jahre lang hier dampfte. Aber auch sie existiert nur noch auf Abbildungen und als Modell in verschiedenen Größen.
Desto verwunderlicher ist es, dass die Rheinhessen immer noch gerne von ihrem Bawettchen erzählen, quasi wie von einem Familienmitglied. Sogar die junge Generation engagiert sich fürs Bawettchen und hat ihr im Mai 2019 in Frei-Laubersheim ein Denkmal gesetzt. Die Bahnhöfe von Neu-Bamberg-Frei-Laubersheim und Badenheim sind inzwischen liebevoll zu Wohnhäusern umgestaltet worden und tragen dazu bei, dass die Erinnerung ans Bawettchen nicht verloren geht.
In Sprendlingen traf das Bawettchen früher auf die Rheinhessenbahn, die heute noch fährt. Nach einem Abstecher zum Alten Stellwerk Armsheim, das von einem Förderverein zum Erlebnismuseum umgestaltet wird, stellt Jo Jung am Ende seiner Spurensuche fest: Neben den wenigen Relikten sind es nicht zuletzt die Bilder im Kopf, die eine verschwundene Eisenbahn wie sein Bawettchen so liebenswert macht, durch Erzählungen weitergegeben von Generation zu Generation.
(ESD: 23.10.2020)