Der Corona-Ausbruch beim Großschlachter "Tönnies" hat eine grundsätzliche Diskussion über die Lage in der fleischverarbeitenden Industrie in Gang gesetzt. Es geht um die Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben und auch um das Tierwohl. Eine sogenannte Tierwohlabgabe und die Abschaffung von Werkverträgen sollen die Situation verbessern. Beides hätte wohl Auswirkungen auf den Fleischpreis.
Dabei hat jüngst die deutsche Fleischindustrie ihren Umsatz deutlich gesteigert. Von Januar bis April 2020 erhöhten sich die Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,8 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt Anfang Juli 2020 in Wiesbaden mitteilte. Im März 2020 erzielte das Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbe einen Umsatzrekord von 3,9 Milliarden Euro. Das war der höchste Monatswert seit Bestehen der Erhebung. Als Grund nannten die Statistiker einen Höchststand beim Export von Schweinefleisch.
Die Deutschen dagegen essen seit fünf Jahren immer weniger Fleisch. Das geht aus dem aktuellen Ernährungsreport 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hervor. Trotzdem ist Deutschland Europas Schlachthaus Nr. 1 - acht Millionen Tonnen Fleisch werden hier jährlich produziert. Die Supermärkte unterbieten sich wöchentlich mit Angeboten für Fleisch- und Wurst-Produkte.
Darum ist Fleisch in Supermärkten so billig
Die Supermärkte haben durch die großen Stückzahlen, die sie abnehmen, großen Einfluss auf die Preisgestaltung. Ähnlich wie bei Milch und Molkereiprodukten sind Bauern und Fleischlieferanten abhängig von den Großabnehmern und deren Vorgaben. Dementsprechend darf Fleisch in der Produktion nicht viel kosten.
So kommt der Preis für Fleisch zustande
Der größte Kostenpunkt bei Fleisch ist laut SWR-Wirtschaftsexperte Werner Eckert der Futterpreis. Er macht etwa zwei Drittel des Fleischpreises aus. Als Futter wird häufig billiges Soja aus Brasilien importiert, für dessen Anbau oft Regenwald abgeholzt wird.
Die Schlachtung und die Verarbeitung der Tiere kosten sehr wenig. Dies liegt an den geringen Lohnkosten, die durch Lohndumping zustande kommen. Große Schlachtbetriebe sparen durch Werkverträge und Sub-Unternehmen; durch unbezahlte Überstunden kommt unterm Strich für die Mitarbeiter oft nicht einmal der Mindestlohn zustande.
Die Massentierhaltung und Massenschlachtung ist auf Effizienz ausgelegt, nicht auf Tierwohl. Die Haltungskosten für die Schlachttiere sollen so gering wie möglich sein – selbst mit unmoralischen Methoden, unter denen die Tiere leiden.
Die Metzgerfamilie Bessei in Rockenhausen in der Nordpfalz möchte sich davon klar distanzieren.
Die beiden Schwestern verstehen sich als Handwerkerinnen, ihre Metzgerei ist ein Fachbetrieb. Sie sind in der Region verwurzelt, kennen ihre Bauern und Lieferanten zum Teil schon in zweiter Generation. Tina und Sandra Bessei kaufen und beschäftigen regional und zahlen faire Preise und Löhne – das gehört zur Unternehmensphilosophie. In den drei Filialen arbeiten 50 Mitarbeiter in 29 vollen Stellen.
Ihr Bruder Markus Bessei ist Landwirt, hält Schlachtrinder und baut eigenes Futter an. Das Rindfleisch in der Theke ist aus eigener Zucht, auch die anderen Fleischsorten kommen von Landwirten aus der Region. Kein Billigfutter, kurze Transportwege, faire Preise für die Verarbeiter. Den Besseis ist klar, dass sie damit nicht die breite Masse ansprechen. Auch wenn sie sich wünschen würden, dass die breite Masse bewusster einkauft.
Daran können Verbraucher Billig-Fleisch erkennen
Leider ist es schwer, Billigfleisch zu erkennen. Wer auf Qualität beim Fleisch und auf Tierwohl achten möchte, muss den wenigen Qualitätssiegeln und Labels vertrauen, die es gibt. An erster Stelle sei hier das blaue Tierschutzlabel mit zwei Sternen genannt oder Naturland oder Demeter-Siegel. Auch das EU-Bio-Siegel ist besser als keines. Alle Siegel haben auch Regeln zu Tiertransport und Schlachtung, allerdings dürfen selbst die "Siegel-Tiere" in Ausnahmefällen bis zu acht Stunden unterwegs sein, um geschlachtet zu werden.