Schwere Folgen für Versicherte

Ärzte-Betrug: Geld für erfundene Diagnosen abgerechnet

Stand
Onlinefassung
Nora Schwarz
Anna Macho
Autor/in
Moritz Hartnagel

Es gibt Ärzte, die falsche Krankheiten in Patientenakten schreiben, um mehr Geld bei der Krankenkasse abzurechnen. Was können Patienten gegen den Abrechnungsbetrug tun?

So funktioniert die Betrugsmasche der Ärzte 

Die wenigsten Patienten wissen, was in der Patientenakte ihres Hausarztes steht. So fallen falsche Diagnosen meist gar nicht auf.  

Marktcheck hat Fälle von Betroffenen recherchiert, die eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollten und dafür eine Versichertenauskunft von ihrer Krankenkasse angefordert haben. Dabei fiel auf: Der Arzt hat Leistungen abgerechnet, die gar nicht angezeigt waren. Wie etwa einen „Zuschlag für Behandlung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Krankheit“ oder „Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen“. Dabei war die Patientin gesund.

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"Der gesetzlich Versicherte sieht die Rechnung nicht und daher auch nicht, welche Leistung der Arzt abgerechnet hat. Es liegt ja auf der Hand, dass dann die Gefahr von Abrechnungsbetrug steigt."

Schwerwiegende Folgen für Patienten

Während der Arzt durch den Abrechnungsbetrug im Einzelfall etwa nur 14 Euro zusätzlich erhält, kann es für die Patienten langfristige und teure Konsequenzen haben. Zum einem kann der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung erschwert werden, da das Risiko einer Berufsunfähigkeit durch zusätzliche Diagnosen höher gewertet wird. 

Zum anderen kann es passieren, dass Patienten, die schon Jahre versichert und auf den Berufsunfähigkeitsschutz angewiesen sind, die Leistungen verweigert werden. Die Begründung: Die Patienten hätten ihre Diagnosen nicht vollständig und richtig angegeben. Dabei wissen sie gar nichts von den freierfundenen Krankheiten in ihrer Akte.

So erging es auch Marktcheck-Zuschauerin Sabine K. Sie wollte ihre Berufsunfähigkeitsversicherung wechseln und forderte daher Einsicht in ihre Patientenakte.  

 “Dabei kam heraus, dass mein Hausarzt, bei dem ich 20 Jahre lang war, falsche Diagnosen aufgeschrieben hat. Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich in meiner Patientenakte gelesen habe: Er hat dort reingeschrieben, dass ich eine schwere Depression hätte.“

Als Sabine K. ihren Arzt damit konfrontiert, habe der offen zugegeben, Diagnosen erfunden und abgerechnet zu haben. Der Grund: Er könne ihre Besuche nur einmal im Quartal pauschal abrechnen. Wenn sie öfter zu ihm gekommen sei, habe er sich etwas einfallen lassen müssen, um dafür von der Krankenkasse Geld zu bekommen. Am Ende habe sie keine neue Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen und ihre alte Versicherung behalten müssen, erzählt sie Marktcheck.

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Einsicht in die Patientenakte kostenlos möglich

Wer sich vor falschen Diagnosen schützen will, kann die Abrechnungen der Ärzte kostenlos kontrollieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale. 

"Verbraucher haben das Recht, die Patientenakte einzusehen. Und noch mehr: Man hat als Patient auch das Recht, eine Kopie der Patientenakte mit allen relevanten Informationen zu bekommen und das Ganze sogar kostenlos."

Wer eine falsche Diagnose feststellt, sollte zunächst den Arzt bitten, die Patientenakte entsprechend zu korrigieren. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich an die Krankenkasse oder den Spitzenverband der Krankenkasse zu wenden. Hilft das alles nicht, bleibt nur eine Strafanzeige gegen den Arzt.

Abrechnungsbetrug kann zu höheren Krankenkassenbeiträgen führen

Fälle von Abrechnungsbetrug sind nicht nur für den Einzelnen ärgerlich, sondern fügen auch dem Gesundheitssystem insgesamt großen Schaden zu. Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen teilt mit, dass dem Gesundheitssystem durch systematischen Abrechnungsbetrug und Korruption Einzelner jährlich Schäden in Milliardenhöhe entstehen.

Am Ende sind es dann die gesetzlich Krankenversicherten, die dafür mit steigenden Beiträgen bezahlen. Auf die Frage, ob Fälle von Abrechnungsbetrug zunehmen, sagt die AOK:

„Wahrscheinlich ist die Tendenz stark steigend, allein deshalb schon, weil die AOK einen Einzelfall mit einer Schadenssumme von circa 29,8 Mio. Euro bearbeitet hat. Dies war der bisher höchste Einzelfallwert in 20 Jahren Fehlverhaltensbekämpfung.“ 

Zahnarzt angeklagt: Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe

Das Problem des Abrechnungsbetrugs scheint weit verbreitet zu sein - nicht nur bei Hausärzten. Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg hat gerade erst einen Zahnarzt vor Gericht gestellt: wegen Betrugs in Millionenhöhe. Er soll Versicherungskarten selbst eingelesen und über Jahre nie stattgefundene Behandlungen abgerechnet haben.

Im Oktober wurde der Zahnarzt zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht hat dabei eine Schadenshöhe von über 3 Millionen Euro festgestellt. Der Zahnarzt hat inzwischen Berufung eingelegt.

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