So funktioniert die Betrugsmasche der Ärzte
Die wenigsten Patienten wissen, was in der Patientenakte ihres Hausarztes steht. So fallen falsche Diagnosen meist gar nicht auf.
Marktcheck hat Fälle von Betroffenen recherchiert, die eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollten und dafür eine Versichertenauskunft von ihrer Krankenkasse angefordert haben. Dabei fiel auf: Der Arzt hat Leistungen abgerechnet, die gar nicht angezeigt waren. Wie etwa einen „Zuschlag für Behandlung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Krankheit“ oder „Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen“. Dabei war die Patientin gesund.
Oberstaatsanwalt Matthias Held von der bayrischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Nürnberg kritisiert die mangelnde Transparenz bei der Behandlung von Kassenpatienten:
Schwerwiegende Folgen für Patienten
Während der Arzt durch den Abrechnungsbetrug im Einzelfall etwa nur 14 Euro zusätzlich erhält, kann es für die Patienten langfristige und teure Konsequenzen haben. Zum einem kann der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung erschwert werden, da das Risiko einer Berufsunfähigkeit durch zusätzliche Diagnosen höher gewertet wird.
Zum anderen kann es passieren, dass Patienten, die schon Jahre versichert und auf den Berufsunfähigkeitsschutz angewiesen sind, die Leistungen verweigert werden. Die Begründung: Die Patienten hätten ihre Diagnosen nicht vollständig und richtig angegeben. Dabei wissen sie gar nichts von den freierfundenen Krankheiten in ihrer Akte.
So erging es auch Marktcheck-Zuschauerin Sabine K. Sie wollte ihre Berufsunfähigkeitsversicherung wechseln und forderte daher Einsicht in ihre Patientenakte.
Als Sabine K. ihren Arzt damit konfrontiert, habe der offen zugegeben, Diagnosen erfunden und abgerechnet zu haben. Der Grund: Er könne ihre Besuche nur einmal im Quartal pauschal abrechnen. Wenn sie öfter zu ihm gekommen sei, habe er sich etwas einfallen lassen müssen, um dafür von der Krankenkasse Geld zu bekommen. Am Ende habe sie keine neue Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen und ihre alte Versicherung behalten müssen, erzählt sie Marktcheck.
Aus für den "gelben Schein" zum 01.01. Die Elektronische Krankmeldung kommt: Das muss ich jetzt wissen
Mit Beginn des neuen Jahres müssen gesetzlich Krankenversicherte ihre Krankmeldung nicht mehr an ihren Arbeitgeber schicken. Stattdessen sind Arbeitgeber und Krankenkassen gefordert.
Einsicht in die Patientenakte kostenlos möglich
Wer sich vor falschen Diagnosen schützen will, kann die Abrechnungen der Ärzte kostenlos kontrollieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale.
Wer eine falsche Diagnose feststellt, sollte zunächst den Arzt bitten, die Patientenakte entsprechend zu korrigieren. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich an die Krankenkasse oder den Spitzenverband der Krankenkasse zu wenden. Hilft das alles nicht, bleibt nur eine Strafanzeige gegen den Arzt.
Abrechnungsbetrug kann zu höheren Krankenkassenbeiträgen führen
Fälle von Abrechnungsbetrug sind nicht nur für den Einzelnen ärgerlich, sondern fügen auch dem Gesundheitssystem insgesamt großen Schaden zu. Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen teilt mit, dass dem Gesundheitssystem durch systematischen Abrechnungsbetrug und Korruption Einzelner jährlich Schäden in Milliardenhöhe entstehen.
Am Ende sind es dann die gesetzlich Krankenversicherten, die dafür mit steigenden Beiträgen bezahlen. Auf die Frage, ob Fälle von Abrechnungsbetrug zunehmen, sagt die AOK:
Zahnarzt angeklagt: Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe
Das Problem des Abrechnungsbetrugs scheint weit verbreitet zu sein - nicht nur bei Hausärzten. Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg hat gerade erst einen Zahnarzt vor Gericht gestellt: wegen Betrugs in Millionenhöhe. Er soll Versicherungskarten selbst eingelesen und über Jahre nie stattgefundene Behandlungen abgerechnet haben.
Im Oktober wurde der Zahnarzt zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht hat dabei eine Schadenshöhe von über 3 Millionen Euro festgestellt. Der Zahnarzt hat inzwischen Berufung eingelegt.