Viele Trinkflaschen, Kindergeschirr oder Spielzeug für Kleinkinder enthalten inzwischen den Hinweis: BPA-frei. Denn der Stoff steht schon seit längerer Zeit im Verdacht, für Krankheiten und Entwicklungsstörungen verantwortlich zu sein, wenn er beispielsweise über den Kontakt mit Lebensmitteln oder den Mundraum aufgenommen wird.
Erst im Frühjahr hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die akzeptable tägliche Aufnahmemenge von BPA gesenkt – zwanzigtausendmal niedriger als zuvor. Umso bedenklicher ist, dass BPA auch im heimischen Trinkwasser enthalten sein kann. Schuld ist eine bestimmte Art der Rohrsanierung.
Was ist Bisphenol-A und wie wirkt es auf den menschlichen Körper?
Bisphenol-A ist eine chemische Verbindung, die in vielen Kunststoffen enthalten ist. Expertinnen und Experten warnen vor dem Stoff: BPA wirkt im menschlichen Körper wie ein Hormon. Studien zufolge soll der Stoff bereits in kleinsten Mengen Krankheiten wie Diabetes, Unfruchtbarkeit oder Krebserkrankungen auslösen können.
Die Aufnahme von Bisphenol-A während der Schwangerschaft und in der frühen Kindheit kann kindliche Entwicklungsstörungen zur Folge haben. Außerdem besteht seit neuestem der Verdacht, dass BPA für die Entstehung von allergischen Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen mitverantwortlich sein kann.
Wie viel BPA kann ohne Gesundheitsrisiko aufgenommen werden?
Seit April 2023 gilt laut der EFSA ein TDI-Wert (Tolerable Daily Intake) für BPA von 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Das sind 0,2 Milliardstel eines Gramms, die nach aktueller Einschätzung der Behörde pro Kilogramm Körpergewicht und Tag ohne das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen aufgenommen werden können. Im Jahr 2015 lag die Empfehlung noch bei vier Mikrogramm – also vier Millionstel eines Gramms – pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hingegen hält einen TDI-Wert von 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag für angemessen. Auch dieser Wert ist deutlich niedriger als der Wert, den die EFSA noch 2015 als vorläufigen TDI-Wert vertreten hat – er ist zwanzigmal geringer.
Wo ist Bisphenol-A enthalten?
Bisphenol-A ist ein chemischer Stoff, der gemeinsam mit anderen Stoffen zur Herstellung bestimmter Kunststoffe oder Harze verwendet wird. Polycarbonat beispielsweise – ein transparenter, bruchsicherer Kunststoff – enthält BPA und wird häufig zur Herstellung von Trinkflaschen, Vorratsbehältern für Lebensmittel oder Geschirr eingesetzt. Auch die Innenauskleidung von Lebensmittelkonserven oder die Schutzbeschichtung von Getränkedosen enthalten häufig BPA. Sie bestehen aus Epoxidharzen.
Von den Lebensmittelbehältnissen kann der Stoff in sehr geringen Mengen auf die darin enthaltenen Lebensmittel übergehen und wird dann von Menschen aufgenommen. BPA-haltige Epoxidharze werden außerdem als kostengünstiges Mittel der Trinkwasser-Rohrsanierung angeboten. Dabei können sie zum echten Problem werden.
Wie kommt BPA ins Trinkwasser?
Für die Sanierung von verrosteten Wasserleitungen kann Epoxidharz als kostengünstige Alternative zum Komplettaustausch der verrosteten Rohre eingesetzt werden. Bei dieser Technik werden die alten Rohre nach einer Reinigung mit Epoxidharz neu ausgekleidet, das aus zwei Komponenten besteht: Epichlorhydrin und Bisphenol A.
Fließt nun warmes Wasser durch die sanierten Rohre, kann dieses auf Dauer oder bei Temperaturen von mehr als 65°C BPA aus dem Epoxidharz lösen: BPA geht direkt ins warme Trinkwasser über. Proben beispielsweise aus Baden-Württemberg, die im Stuttgarter Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA Stuttgart) ausgewertet wurden, haben das Problem nachgewiesen: Mehr als 80 Prozent der dort ausgewerteten Proben haben den Grenzwert der Trinkwasserverordnung für Bisphenol A überschritten. Der liegt aktuell bei 2,5 Mikrogramm pro Liter Wasser. In einzelnen Wasserproben haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler BPA-Konzentrationen von mehr als 200 Mikrogramm pro Liter entdeckt. Allen Proben ist gemein, dass sie aus Rohrleitungen stammen, die mit Epoxidharz saniert wurden.
Wie wird Bisphenol-A im heimischen Trinkwasser nachgewiesen?
Wer weiß, dass die eigene Hausinstallation mit Epoxidharz saniert wurde oder diesen Verdacht hat, sollte das Trinkwasser aus dem eigenen Hahn in einem Privatlabor auf den Gehalt von BPA untersuchen lassen. Für die Probe am besten warmes Wasser entnehmen, da warmes Wasser Stoffe generell besser löst – so auch die Rückstände von BPA aus Epoxidharz.
In kaltem Leitungswasser gibt es die Bisphenol-A-Problematik nicht. Die Kosten für eine solche Untersuchung beginnen laut Stiftung Warentest bei 80 Euro. Die Kontrolle sollte dann einmal pro Jahr wiederholt werden, denn die Belastung von BPA in epoxidharzbeschichteten Rohren kann über die Jahre zunehmen. Eine Liste von geeigneten Laboren in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gibt es hier:
- Labore zur Bestimmung von BPA im Trinkwasser in BW
- Labore zur Bestimmung von BPA im Trinkwasser in RLP
- Labore zur Bestimmung von BPA im Trinkwasser im Saarland
Ein zusätzliches Problem: Legionellen
Häufig sind Wasserleitungen, die mit Epoxidharz saniert wurden, auch mit Legionellen belastet. Legionellen sind Bakterien, die schwere Lungenentzündungen hervorrufen können. Die Legionellen können sich in Zwischenräume der mit Epoxidharz sanierten Rohre absetzen und dringen dort in die Blasen des Harzes ein. Selbst heißes Wasser kühlt in den Blasen auf eine für Legionellen optimale Temperatur ab – sie vermehren sich explosionsartig.
Deshalb können schwere Legionellenbelastungen von Trinkwasserrohren auch ein Hinweis für erhöhte BPA-Konzentrationen im Trinkwasser sein. Dies sollte in einem solchen Fall immer mit geprüft werden.
Achtung bei Werbung mit besonders kostengünstiger Rohrsanierung
Immer wieder bewerben Unternehmen die Sanierung von Rohrleitungen mit Epoxidharz als kostengünstige Alternative zum Komplettaustausch. Dabei entspricht das Verfahren nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik und kann nicht komplett zertifiziert werden. Dennoch behaupten einschlägige Unternehmen immer wieder, das Verfahren sei auch für Trinkwasserleitungen unbedenklich und legen die benötigten Nachweise für eine trinkwasserhygienische Eignung des Verfahrens vor. Diese sind oft unseriös.
Die Entscheidung kann dann teuer werden: Wird die Sanierung von Trinkwasserrohren mit Epoxidharz nach einiger Zeit marode und ein Komplettaustausch der Wasserinstallation zwingend nötig, kommen deren Kosten noch hinzu. Am Ende zahlt man doppelt. Im Fall aus dem Marktcheck-Bericht war die Epoxidharz-Sanierung bereits nach nicht einmal 15 Jahren so marode, dass das Gesundheitsamt den Austausch der Rohre anordnete. Für die Wohnungseigentümer eine unerwartete und höchst kostspielige Sanierung.