Stürze im Alter können schlimme Folgen haben. So haben etwa nach der Diagnose Oberschenkelhalsbruch viele Betroffene Angst, danach nicht mehr richtig auf die Beine zu kommen. Die Chancen, wieder fit zu werden, sind aber heute besser denn je. Wir zeigen Ihnen, worauf es ankommt: Mit einer rechtzeitigen Operation und gezielter Reha sind die Heilungschancen gut.
Was macht die Schenkelhalsfraktur so gefährlich?
Jährlich brechen sich mehr als 100.000 Menschen den Oberschenkelhals, vor allem ältere Menschen. Die Verletzung kann tödlich enden: Mehr als zehn Prozent der Betroffenen sterben in den ersten 30 Tagen an Komplikationen wie Thrombosen, Lungenembolien oder Lungenentzündung. Die Schenkelhalsfraktur ist die häufigste Bruchstelle bei Menschen über 80 Jahren.
Und dann muss es schnell gehen - denn am besten stehen die Heilungschancen, wenn innerhalb von 24 Stunden nach dem Bruch operiert wird. Professor Bernd Kinner ist einer der beiden Leiter des Zentrums für Alterstraumatologie am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus. „Dahin weisen alle Studien, dass der Patient innerhalb von 24 Stunden operativ versorgt werden muss.“ Überlebenschance und Mobilität seien dann deutlich besser.
Bei der Patientin in unserem Fallbeispiel ist das optimal gelaufen. Sie hatte Glück, dass ihr Sturz im Pflegeheim von einem Mitarbeiter beobachtet wurde. Ein Rettungswagen hat die 88-Jährige in die Klinik gebracht. Bereits am nächsten Morgen wurde operiert.
So sind Oberschenkel und Hüftgelenk verbunden
Der Oberschenkelknochen ist der längste Knochen im menschlichen Körper. Im oberen Bereich ist er r-förmig im Hüftgelenk eingehängt. Bei einem seitlichen Sturz auf diese Stelle wirken große Kräfte. Der Bereich zwischen Schaft und dem Hüftkopf ist etwas dünner und geht besonders oft zu Bruch - auch weil im Alter Stürze zunehmen und Osteoporose die Knochen schwächt.
Bei unserer Patientin wurde der Hüftkopf am Schenkelhals durchtrennt. In den Schaft wurde eine Prothese eingesetzt und einzementiert. Die natürliche Hüftpfanne blieb erhalten - ein sogenannter Teilgelenkersatz mit einem beweglichen Zwei-Kopf-System.
Operationsmethoden nach Oberschenkelhalsbruch
Welche Therapie die richtige ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Für über 80-Jährige ist das Teilgelenkersatz-Verfahren oft vorteilhaft, weil Komplikationen selten sind und der Körper schnell mobilisiert werden kann. Ist der Bruch komplizierter, könnte ein Vollgelenkersatz notwendig werden. Die OP-Narbe hat hier etwa eine Länge von 6 bis 8 Zentimetern. Die Prothese verbleibt im Körper.
Betrifft der Bruch den Bereich des großen Rollhügels, mit dem Muskelansatz an der Außenseite des Oberschenkels, kann dieser mit einer Einlage aus Titan stabilisiert werden - im sogenannten Osteosyntheseverfahren. In diesem Fall kann der Schenkelhals erhalten werden. Der Schnitt für die Operation ist hier etwas kürzer und erfordert eine Länge von etwa fünf Zentimetern. Bei älteren Patienten verbleibt das Titanteil im Knochen und sorgt unter Umständen zudem für Stabilisation bei einem künftigen Sturz.
Die Operation dauert je nach Methode in der Regel etwa 30 bis 60 Minuten. Verläuft alles ohne Komplikationen können die Patienten nach vier bis fünf Tagen die Klinik verlassen und in die Reha gehen.
Hilfreich für den Erfolg: ein interdisziplinäres Ärzteteam
Wichtig für den Heilerfolg ist die Behandlung in interdisziplinären Teams. Es hat sich gezeigt: Je enger Orthopäden, Geriater, Internisten und Physiotherapeuten zusammenarbeiten, umso besser ist das für den Heilungsprozess der Patienten.
Am Robert-Bosch-Krankenhaus versorgen Unfallchirurgen und Altersmedizinerinnen wie Dr. Kerstin Bühl Patienten mit Schenkelhalsbruch seit zehn Jahren gemeinsam – ab 2025 soll das bundesweit Standard werden. Die Fachärztin erklärt: „Das A und O ist, dass die Patienten wirklich unmittelbar nach der Operation mobilisiert werden, nicht lange im Bett liegen, sodass sich Kreislauf und Muskulatur sofort wieder an altersrelevante Bewegungen gewöhnen.“
Dr. Kerstin Bühl hat auch die Begleiterkrankungen der Patienten im Blick und passt ihre Medikamente an, um Komplikationen zu vermeiden.
Zweiter entscheidender Punkt: Schnell mit der Reha starten
Um nach einem Schenkelhalsbruch zügig wieder auf die Beine zu kommen, sollten Operierte im Anschluss so bald wie möglich mit der Rehabilitationsmaßnahme beginnen. Bei der Patientin in unserem Fallbeispiel stellt Professor Kinner zum Beispiel vier Wochen nach Operation und Reha fest: „Die Hüft-Muskulatur ist schon recht kräftig und kann das Becken gerade halten“.
Osteoporose – die Ursache für mangelnde Knochendichte
Bei der geriatrischen Reha etwa am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus arbeiten auch bei der Reha mehrere Disziplinen zusammen. Zu Beginn ihrer dreiwöchigen stationären Reha wurde die Patientin aus unserem Beispielfall von Professor Kilian Rapp, ärztlicher Leiter an der Klinik für Geriatrische Rehabilitation, auf die Ursachen ihres Schenkelhalsbruchs untersucht. „In der Regel ist so ein Knochenbruch bei älteren Menschen die Folge von einem Sturz und einer verringerten Knochendichte und einer verringerten Knochenstabilität. Das, was man Osteoporose nennt.“
Das Ausmaß der Osteoporose wird mit einem Knochendichtemessgerät gemessen - mit schwachen Röntgenstrahlen am nicht operierten Oberschenkelhals. Knochen sind lebendiges Gewebe, das sich ständig auf- und abbaut. Bei Osteoporose ist dieser Stoffwechsel gestört.
Dass die Knochendichte ab der Lebensmitte kontinuierlich abnimmt, ist normal. Bei Osteoporose passiert das aber zu schnell. Das Knochengewebe im Inneren wird zunehmend poröser und damit instabiler. Schließlich reichen schon geringe Belastungen aus, und der Knochen bricht.
Wichtig zu wissen: Die Knochendichte ist zu 75 Prozent genetisch bestimmt. Wenn also Osteoporose in der Familie vorkommt, sollte das verstärkt kontrolliert werden. Frauen nach den Wechseljahren, aber auch Männer ab 50 Jahren, sollten ein Risiko-Screening vornehmen lassen.
Zusätzliches Problem: Muskelschwund
Unsere Reha-Patientin hat zudem Muskelschwund und damit ein erhöhtes Sturzrisiko, das zeigt das Ergebnis einer Handkraftmessung. In der Reha sollen daher Knochen und Muskeln wieder gestärkt werden.
Das Ziel der Rehabilitation ist, die Funktionalität wieder so weit zu verbessern, dass die Patientin so mobil wird wie vor ihrem Unfall, regelmäßig in den Garten oder einkaufen gehen kann, um ihre Lebensqualität wieder zu steigern.
Oft zu spät erkannt Muskelschwund - Symptome, Diagnose, Behandlung
Oft wird einer Abnahme der Muskelmasse kaum Beachtung geschenkt. Gerade im Alter droht Sarkopenie und damit der Verlust von Lebensqualität. Aber wie erkennt man die Krankheit?
Telemedizin für den nachhaltigen Erfolg
Die Experten wissen, mit einer dreiwöchigen Reha ist es nicht getan. Studien zufolge sollten Patienten das Training nach der Entlassung zuhause über mindestens drei Monate fortsetzen, um richtig mobil und sicher zu werden. Vielen fällt das schwer. Die Klinik forscht dazu und hilft mit verschiedenen Angeboten.
Professor Kilian Rapp weist auf ein Projekt seiner Klinik mit telemedizinischem Ansatz hin, um weiter mit dem Patienten und seiner Therapeutin oder dem Therapeuten verbunden zu bleiben. Zu Hause wird so über ein Tablet weiter trainiert. Das soll die Reha noch nachhaltiger machen.
So können die Knochen gestärkt werden
Die Reha-Klinik verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Dazu zählt auch eine Ernährungsberatung bei Carmen Lampater, Teamleiterin Pflegeprozesssicherung MSc. Einseitige Ernährung etwa fördert die Osteoporose.
- Knochen stärken durch die richtige Ernährung
Für stärkere Knochen braucht es eine ausgewogene Ernährung, mit ausreichend Obst und Gemüse. Dazu: viel Kalzium. Es steckt zum Beispiel in Milchprodukten und kalziumreichem Mineralwasser. Proteine helfen beim Knochen- und Muskelaufbau. Oft wird eine Ernährungsumstellung notwendig.
Zudem benötigen Knochen auch Vitamin D. Weil das selbst in Nahrungsmitteln wie Fisch oder Eiern nur wenig enthalten ist, müssen wir Sonne tanken, damit die Haut Vitamin D bilden kann. Bei Bedarf kann Vitamin D in Tablettenform eingenommen werden.
- Physiotherapie für den Aufbau von Knochen und Muskeln
Als nächstes steht Physiotherapie mit Kathrin Reffert, der leitenden Physiotherapeutin, auf dem Plan. Regelmäßiges Training ist elementar: Denn wenn Knochen und Muskeln nicht beansprucht werden, bauen sie ab. Kräftigungsübungen können die Muskeln aber wieder stärken.
Diese Übungen helfen auch den Knochen. Die Zellen im Knocheninneren spüren den Reiz und bauen neue Knochensubstanz auf. Wichtig dabei: nicht überlasten und regelmäßig wiederholen. Andere Übungen trainieren die Balance und die reaktive Muskulatur, die für Reaktionsbewegungen zuständig ist. Das hilft, Stürze zu vermeiden.
Generell gilt: Bewegung sorgt auch bei Jüngeren für Knochengesundheit. Joggen ist effektiver für die Knochen als Schwimmen. Aber auch Tanzen oder Tai Chi sind nützlich. Wichtig ist die regelmäßige Bewegung, und dass es Spaß macht.
Was kann man tun, um Stürzen vorzubeugen?
Stürze vermeiden - dafür gibt es verschiedene Ansatzpunkte:
- Stolperfallen in der Wohnung entschärfen wie Teppichkanten, rutschige Fliesen oder Kabel auf Laufstrecken.
- Die Sehkraft überprüfen, das gilt auch für Brillenträger. Auch nachts für ein beleuchtetes Umfeld sorgen, etwa im Schlafzimmer und auf dem Weg zur Toilette.
- Mit dem Hausarzt die Medikamente durchsprechen: Es gibt Medikamente, die die Sturzneigung erhöhen, zum Beispiel Schlafmittel.
- Den Kreislauf kontrollieren: Bei manchen Patienten führt etwa zu schnelles Aufstehen zu Schwindel.
Knochenbrüche vermeiden Stürze verhindern – gutes Sehen und Hören sind entscheidend
Schon ab 50 Jahren steigt das Risiko, vermehrt zu stürzen, deutlich an. Neben der allgemeinen Fitness ist es daher auch wichtig, die Seh- und Hörleistung regelmäßig zu testen.