Oft zu spät erkannt

Muskelschwund - Symptome, Diagnose und Behandlung

Stand
Autor/in
Nina Rathfelder
Onlinefassung
Leon Kerner

Oft wird einer Abnahme der Muskelmasse kaum Beachtung geschenkt. Doch gerade im Alter droht Sarkopenie und damit der Verlust von Lebensqualität. Aber wie erkennt man die Krankheit?

Wenn wir älter werden, schwinden unsere Muskeln und unsere Kraft lässt nach. Wird die Muskelmasse im Laufe der Jahre übermäßig abgebaut, sprechen Mediziner von einer Sarkopenie, kurz Muskelschwund.

Den Betroffenen fehlt schlichtweg die Kraft, um beispielsweise aufzustehen oder Treppen zu steigen. Das kann zur Gefahr werden. Neben der Gangunsicherheit können weitere Symptome einer Sarkopenie-Erkrankung Appetitlosigkeit und eine veränderte Körperhaltung sein.

Krankheit erst seit Kurzem anerkannt

Der Begriff Sarkopenie kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern „Sarx“ für Fleisch und „Penia“ für Verlust zusammen. Mediziner schätzen, dass etwa jede zehnte Person über 70-jährige und sogar jeder zweiter Mensch über 80 Jahren unter einem solchen „Fleischverlust“ leidet.

Dennoch wurde die Sarkopenie, die Frauen und Männer gleichermaßen betrifft, lange Zeit nicht als offizielle Krankheit geführt. Erst im Jahr 2016 erkannte die Weltgesundheitsorganisation WHO sie als Krankheitsbild an. Seit vier Jahren ist Sarkopenie auch von deutschen Krankenkassen als Erkrankung anerkannt.

Was können Ursachen der Sarkopenie sein?

Jeder Mensch baut im Laufe seines Lebens Muskeln ab:

  • Ab dem 30. Lebensjahr verliert ein Mensch im Durchschnitt jedes Jahr bis zu einem Prozent seiner Skelettmuskelmasse,
  • ab einem Alter von 50 Jahren etwa zwei Prozent jährlich,
  • im Alter von 80 Jahren können etwa 40 Prozent der ursprünglichen Muskelmasse verloren gegangen sein.

Das hat auch Folgen im Alltag. Weniger Muskelmasse bedeutet beispielsweise weniger Energiebedarf und damit auch weniger Appetit. Betroffene reduzieren ihre Nahrungsaufnahme oder vergessen das Essen aufgrund dieser Appetitlosigkeit gänzlich. Das wiederum schlägt auf die Gesundheit: Die Betroffenen werden noch schwächer, ihnen fehlt die Grundlage des Muskelaufbaus und sie bewegen sich weniger. Ein Teufelskreislauf entsteht.

Gleichzeitig stellt die Ernährung auch eine wichtige Proteinquelle für den Körper dar. Wird diese übergangen, fehlen essentielle Proteine. Dieser Mangel muss kompensiert werden: So beginnt der menschliche Organismus sein eigenes Protein in Form von Muskeln und Gewebe abzubauen. An gleicher Stelle bilden sich anschließend Fettablagerungen.

Je älter ein Mensch wird, desto träger wird auch der Stoffwechsel. Zudem werden die den Muskelaufbau fördernden Hormone Östrogen und Testosteron mit zunehmendem Alter kontinuierlich weniger produziert. Auch dadurch kann eine Sarkopenie entstehen.

Ein weiterer Risikofaktor: mangelnde Bewegung. Denn werden die jeweiligen Muskeln nicht beansprucht, bilden sie sich zurück. Zum einen bewegen sich Menschen mit zunehmendem Alter oft weniger, zum anderen führen etwa Homeoffice und mehr auf der Couch verbrachte Zeit zu weniger körperlicher Aktivität.

Die Diagnose von Sarkopenie

Zwar ist Sarkopenie inzwischen von den Krankenkassen als Erkrankung anerkannt, zu einer diagnostizierenden Untersuchung komme es laut Professor Clemens Becker vom Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus aber oft nicht oder erst viel zu spät - zum Beispiel nach schweren Stürzen.

“Also für mich ist das an allererster Stelle die Aufgabe der Allgemeinmedizin, bei jedem, spätestens ab 65 oder 70 zu gucken, ob ein muskuläres Problem vorliegt. Die Diagnostik findet bei bestenfalls zehn Prozent der Leute vernünftig statt. Das ist ein großes Problem.”

Bis 2018 wurde eine Sarkopenie-Erkrankung lediglich daran festgemacht, ob der Patient über eine zu geringe Muskelmasse verfügt. Ab 2018 wurden die Richtlinien für eine Diagnose ausgeweitet: Nun muss neben einer reduzierten Muskelmasse auch eine Reduzierung der Muskelkraft oder der körperlichen Leistungsfähigkeit festgestellt werden. Um die körperliche Leistungsfähigkeit zu ermitteln, absolvieren die Patientinnen und Patienten einen Gehtest und legen dabei eine festgelegte Strecke zurück.

Knochenbrüche vermeiden Stürze verhindern – gutes Sehen und Hören sind entscheidend

Schon ab 50 Jahren steigt das Risiko, vermehrt zu stürzen, deutlich an. Neben der allgemeinen Fitness ist es daher auch wichtig, die Seh- und Hörleistung regelmäßig zu testen.

Doc Fischer SWR Fernsehen

Selbsttest im Gehen und Aufstehen bei Sarkopenie

Um selbst zu überprüfen, ob Ihre Gehfähigkeit reduziert ist, machen Sie zu Hause den Gehtest:

  1. Suchen Sie sich eine fünf bis zehn Meter lange, ebene Strecke.
  2. Laufen Sie diese nun entlang und stoppen Sie die Zeit. (Dies übernimmt bestenfalls eine weitere Person).
  3. Zeit stoppen: Benötigen Sie für das Zurücklegen von 0,8 Metern länger als eine Sekunde, gilt das als Einschränkung der Gehfähigkeit und damit auch als verminderte körperliche Leistungsfähigkeit.

Ob Ihre Muskelkraft beim Aufstehen noch ausreicht, überprüfen Sie so:

  1. Fünf Mal ohne Hilfe der Hände von einem Stuhl aufstehen und die Zeit stoppen.
  2. Ab einer Zeit von knapp zwölf Sekunden haben Sie eine leichte muskuläre Schwäche, ab 15 Sekunden wird es kritisch und höchste Zeit etwas zu tun.

Übrigens: Schlankheit ist kein Indiz für Muskelschwund.

Was hilft bei Sarkopenie?

Zur Vorbeugung und Behandlung einer Sarkopenie sind vor allem zwei Faktoren besonders wichtig: Viel Bewegung und eine gute, ausgewogene Ernährung.

Aber: Es reicht nicht aus, täglich spazieren zu gehen. Der Muskelaufbau funktioniert nur dann, wenn die Muskeln belastet und gefordert werden.

Experten empfehlen wöchentlich zweieinhalb Stunden Sport. Trainieren Sie bestenfalls in einer Gruppe und lassen Sie sich einen individuellen Trainingsplan zusammenstellen. Auf diese Weise beanspruchen Sie die richtigen Muskelgruppen und auch der Spaß geht nicht verloren.

Bei der Ernährung sollten Sie darauf achten, Fertig- und Tiefkühlprodukte zu vermeiden. Diese beinhalten selten wichtige Inhaltsstoffe. Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten stattdessen am besten mit frischen Zutaten selbst zu. Protein findet sich in Fisch, Fleisch und Eiern. Aber auch Nüsse, Hülsenfrüchte und Milchprodukte wie Käse oder Joghurt beinhalten Eiweiß.

Fazit

Vor allem mit zunehmendem Alter fängt der Körper an, Muskeln abzubauen. Geschieht dies in übermäßig starkem Maß spricht man von Sarkopenie. Die offiziell erst seit 2016 durch die WHO geführte Krankheit kann verschiedene Ursachen haben:

  • Falsche Ernährung
  • Mangelnde Bewegung
  • Fehlen von Hormonen

Betroffenen eines starken Muskelschwundes fällt es schwer, Kraft aufzubringen und es werden alltägliche Situationen wie Treppensteigen oder Tüten tragen zu Herausforderungen. Für eine eindeutige Diagnose werden Muskelmasse, Muskelkraft und körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten oder der Patientin ärztlich überprüft.

Eine erste, grobe Diagnose lässt sich bereits zu Hause mithilfe der sogenannten Geh- und Aufstehtests durchführen. Vorgebeugt werden kann der Erkrankung durch eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung. Und sogar, wenn die Diagnose bereits steht, können durch diese zwei Faktoren die Muskeln regeneriert und so der Sarkopenie entgegengewirkt werden.

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