Stress kann mehrere Gründe haben – Überforderung mit der Gesellschaft, viel zu tun im Job, Spannungen in der Familie oder in der Partnerschaft. Dabei ist Stress nicht immer gleich schlecht. In erster Linie ist Stress die natürliche Reaktion des Körpers auf eine Herausforderung. Dazu schüttet der Körper Stresshormone aus, und es steigt beispielsweise der Blutdruck. Wir laufen zur Höchstform auf und können schnell reagieren.
Problematisch wird Stress jedoch, wenn er zum Dauerzustand wird und kein Ausgleich mehr stattfindet. Dann kann Stress negative Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit haben – darunter Gewichtszunahme, ein schwaches Immunsystem, Magen-Darm-Erkrankungen, Bluthochdruck, Burnout und Depressionen.
Symptome für chronischen Stress, der krank machen kann, sind unter anderem:
- Sinkende Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit
- Gereiztheit
- Albträume und Schlafstörungen
- Magen-Darmprobleme
- Verspannungen, vor allem im Nacken und an den Schultern
- Bluthochdruck
- Geschwächtes Immunsystem bzw. höhere Infektanfälligkeit
- Herzerkrankungen, Lungenleiden und Rückenschmerzen können begünstigt werden
Stress und die Folgen: Probleme rund ums Herz
Herzkranzgefäße bestehen aus Arterien und Venen. Sie ziehen sich kranzförmig um das Herz und versorgen es mit Sauerstoff und nährstoffreichem Blut. Krampfen die Arterien plötzlich, gelangt nicht mehr ausreichend Sauerstoff zum Herz, der unterversorgte Herzmuskel fängt an zu schmerzen. Werden die sogenannten Koronarspasmen nicht rechtzeitig behandelt, kann es auch zu einem Herzinfarkt kommen. Eine typische Ursache für Erkrankungen der Herzkranzgefäße ist Stress.
Professor Peter Ong, Kardiologe am Robert Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, erklärt, die Auswirkungen von Stress seien in erster Linie eine Erhöhung von Blutdruck und Puls, also der Herzfrequenz. Beide Faktoren seien langfristig mitverantwortlich für die Entstehung von Herzerkrankungen. "Stress kann über die Zeit gesehen, Herzerkrankungen auslösen und führt auch zu ungesundem Verhalten wie schlechte Ernährung und weniger Schlaf."
Neue Studien: Probleme bei der Knochenheilung - durch Stress
Warum ein Knochen einfach nicht heilt, trotz verschiedener Operationen, konnte sich auch Dr. Konrad Schütze, Chirurg an der Uniklinik Ulm, zunächst nicht erklären. Inzwischen weiß man: Ein über längere Zeit nicht verheilender Knochenbruch kann Patienten in Stress versetzen.
Wie sich dieser Stress auf den Heilungsprozess von Frakturen auswirken kann, hat Dr. Konrad Schütze zusammen mit dem Psychosomatiker Professor Stefan Reber untersucht. Auch in unserem Fallbeispiel hat sich gezeigt: Nach gezieltem Stressabbau führte die erneute Operation der Fraktur zum Erfolg.
Dr. Claudia Bignion, Ärztin für Stressmedizin aus Radolfzell am Bodensee, rät unter anderem zu Sport, um Stress abzubauen. Die Sportart spiele keine große Rolle. "Alles, was uns guttut. Das ist auch altersabhängig." Für die einen sei es ein Marathonlauf, für die anderen eine Runde Nordic Walking. "Das baut das Adrenalin ab, und man kommt raus aus dem Grübeln."
Mit Stress gut umgehen: Stressresilienz
Wie Personen mit Stress umgehen, ist unterschiedlich. Manchen Personen scheint Stress viel weniger auszumachen als anderen. Sie sind besonders widerstandsfähig – oder auch resilient.
Das Stresslevel steigt
Im Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz geht man der Frage nach, warum manche Menschen mit Stress besser umgehen können und wie man Stressresilienz stärken beziehungsweise erlernen kann. Hier können sich überforderte und gestresste Menschen auch direkt an das Institut wenden und sich in der Ambulanz Hilfe holen.
„Wir erleben es innerhalb der Resilienz Ambulanz, dass viele Menschen erschöpft sind, ja, dass ihnen Ressourcen fehlen, um mit ihren täglichen Aufgaben zurechtzukommen und dass insgesamt das Stresslevel sehr gestiegen ist. Und gleichzeitig – das ist das Positive – aber Menschen doch aktiv was für ihre Stressbewältigung unternehmen möchten“, erklärt Dr. Donya Gilan vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung Mainz.
Allerdings hat sie in ihrer Beratung auch festgestellt: Viele Betroffene kommen erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist. In einigen Fällen hilft Resilienztraining dann kaum noch. Dabei ließen sich Stresserkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen in vielen Fällen vermeiden, wenn Betroffene sich rechtzeitig Hilfe holen würden.
Wann also sollte man sich Hilfe holen?
Zu den Alarmsignalen zählt unter anderem, dass man sich wiederholt hilflos und überfordert fühlt. Aber auch auf mögliche Stresssymptome des Körpers sollte man achten.
Umgang mit Stress
Der eigene Umgang mit Stress hat viel mit der frühkindlichen Bindung und Lernprozessen im Laufe des Lebens zu tun. „Wenn man das auf einen Punkt bringen möchte, dann kann man sagen: insgesamt neigen resiliente Menschen dazu, die Dinge eher positiv verzerrt zu betrachten. Das bedeutet nicht, dass die eine rosarote Brille aufhaben, aber sie gehen meistens von einem positiven Ausgang der Dinge aus. Das heißt, sie fühlen sich selbstwirksam und haben das Gefühl, Schöpfer ihres eigenen Lebens zu sein und aktiver Handelnder, statt den Situationen ausgeliefert zu sein“, erläutert Dr. Donya Gilan. Eine Reihe von Resilienzfaktoren seien in der Forschung bereits gut identifiziert worden: Selbstwirksamkeit, positive Emotionen, aktives Bewältigungsverhalten. Außerdem habe man festgestellt, dass ein positiver Bewertungsstil Menschen dazu befähigt, in stressvollen Situationen besser mit der Situation umzugehen. Wer mit einem positiven Bewertungsstil an eine Situation herangeht, schätzt eine mögliche Bedrohung realistisch beziehungsweise leicht optimistisch ein. Es dreht sich also weniger darum, wie belastend die Situationen oder die Reize sind, die Stress entstehen lassen können, sondern darum, wie das Individuum die Situation bewertet. Der positive Bewertungsstil ist ein wichtiger Teil der Resilienz, weil er die Häufigkeit und das Ausmaß von Stressreaktionen verringert.
Unter Selbstwirksamkeit versteht man die Erwartung, dass Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigt werden können. „Wenn wir das Gefühl haben, wir können die Situationen meistern, selbstwirksam werden, wenn wir Ziele setzen, Visionen haben, Wege kennen, dann – das spürt man schon an der Beschreibung – bringt einen das in eine aktive und effiziente Position, in der man auch optimistischer sein kann“, erläutert Dr. Britta Hölzel, Diplom-Psychologin und Neurowissenschaftlerin.
Resilienz lernen
Menschen mit geringer Resilienz können diese erlernen. Dabei geht es darum, seine innere Haltung in Stresssituationen zu ändern. Das braucht Zeit. Dafür bietet beispielsweise die Resilienz Ambulanz neben Einzelgesprächen auch Kurse und Vorträge an.
„Es gibt wirklich Methoden, die man da anwenden kann, um Resilienzfaktoren zu stärken. Das sind dann so Sachen wie Dankbarkeitstagebücher, die uns dabei helfen sollen, den Blick auf das Positive zu richten. Oder sich eine Liste von positiven Eigenschaften zu machen, die man an sich wertschätzt“, weiß Dr. Britta Hölzel. Außerdem helfe das Setzen konkreter und realistischer Ziele.
Eine weitere Möglichkeit: Sport. Dieser hilft, den Körper wieder aus dem Stress herauszubringen. „Es gibt wirklich kaum etwas Besseres bei psychischen Erkrankungen. Bei Angst oder bei Depressionen sehr wirksam – aber auch bei Stress. Genauso wie beispielsweise auch eine gute Ernährung“, erläutert Dr. Britta Hölzel.
Achtsamkeit
Neben einer gesteigerten Stressresilienz gibt es weitere Hilfsmittel, die den Umgang mit Stress beeinflussen können: zum Beispiel Achtsamkeit. Bei dieser handelt es sich um Training für den Geist. „Achtsamkeit ist eine Haltung, bei der wir uns ganz bewusst entscheiden, mit unserem Gewahrsein, mit unserer Aufmerksamkeit von Moment zu Moment im Hier und Jetzt zu bleiben“, erklärt Martina Assmann, die eine Achtsamkeitspraxis leitet.
Ihre Wurzeln hat die Achtsamkeit zwar im Buddhismus, doch Medizinisches Achtsamkeitstraining beziehungsweise Mindfulness-Based Stress Reduction, Abkürzung MBSR, hat keinen religiösen Bezug.
Achtsamkeit hilft gegen Stress
Dass Stress Energie raubt und sogar im Kopf einiges kaputt machen kann, hat Britta Hölzel herausgefunden: „Wenn Cortisolspiegel steigen, Hormone, die ja bei Stress ausgeschüttet werden, dann leidet der Hippocampus, dann können richtig Neurone absterben.“ Achtsamkeit sei der Gegenentwurf zum Multitasking, das sowieso nicht funktioniere. Achtsamkeit bedeute, eine Sache ganz und bewusst zu machen.
Dass mentales Training, welches Fähigkeiten wie Achtsamkeit, Dankbarkeit oder Mitgefühl fördert, dem Stress wirklich entgegenwirkt, hat eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitionsforschung herausgefunden. Nach sechs Monaten mentalem Training war die Cortisol-Menge in den Haaren der Probanden und Probandinnen im Schnitt um 25 Prozent gesunken. Achtsamkeit kann also körperliche Anzeichen von langen Stressphasen verringern. Dazu muss man aber täglich üben.
Was bei diesen Übungen oft passiert, ist, dass der Kopf ins Grübeln kommt, Gedanken kommen auf und werden weitergesponnen. Daher gehört es zur Achtsamkeit dazu, diese Gedanken zwar wahrzunehmen, sie aber vorbeiziehen zu lassen. „Wenn man das übt – das ist wie so ein Muskeltraining – wird das mit der Zeit leichter. Wir können dann bewusst über das Denken werden, anstatt ihm hilflos ausgeliefert zu sein“, erklärt Dr. Britta Hölzel.
Meditation als Achtsamkeitsübung
Bei der Meditation werden aufkommende Gedanken weder weiter gedacht noch bewertet, man lässt sie einfach vorbeiziehen. Auf diese Weise wird im Gedankenfluss Pause gedrückt – Fortgeschrittene können den Gedankenfluss mitunter komplett anhalten. Dass diese Pause positive Auswirkungen hat, zeigten bereits verschiedene Studien. So sank etwa die Konzentration von Stresshormonen im Blut von Studienteilnehmenden oder das Meditieren wirkte sich ausgleichend auf den Blutdruck aus.
Für diese Art des Denkens beziehungsweise Nicht-Denkens braucht es jedoch durchaus Aufmerksamkeit. Ablenkungen müssen ausgeblendet werden und man muss bemerken, wenn die Gedanken abdriften.
Dabei wies eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitionsforschung nach, dass meditationsbasierte Trainingsinterventionen auch bei gesunden Personen die allgemeine Stressbelastung mildern können.
Doch für bestimmte Personengruppen kann Meditation auch problematisch sein. So sollten psychisch labile Menschen nur unter professioneller Anleitung meditieren und wer psychisch erkrankt ist, sollte am besten vorher mit dem behandelnden Arzt sprechen. Bei Psychosen und Schizophrenie wird in der Regel komplett von Meditation abgeraten.
Wo kann man Achtsamkeit lernen?
In Deutschland gibt es den MBSR-MBCT-Verband, auf dessen Website sich Informationen zu Achtsamkeit und verschiedenen Kursen – sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene – finden. Auch vielfältige Achtsamkeits-Apps kann man sich inzwischen herunterladen. Diese bieten zwar meist nicht die Möglichkeit persönlicher Gespräche, doch lassen sie sich gut in den Alltag integrieren und zeigen laut Dr. Britta Hölzel häufig positive Effekte.
Achtsamkeit ist die Entscheidung für Präsenz, für Gegenwärtigkeit. Wer diese Haltung praktiziert, lebt gesünder. Schon nach zwei Monaten Geistestraining sind positive Effekte messbar: auf Depressionen und Ängste und auf das Immunsystem.
Fazit
Stress kann krank machen. Dies äußert sich durch bestimmte Symptome. Stellt man solche Symptome fest, sollte man nicht zu lange damit warten, sich professionelle Unterstützung zu holen.
Hilfreich im Umgang mit Stress sind das Resilienz- sowie das Achtsamkeitstraining, zu dem beispielsweise auch das Meditieren zählt. Mit diesen Techniken kann ein Ausweg aus der Stressspirale gefunden, Stress abgebaut oder vorgebeugt und schwere Folgeerkrankungen wie etwa Burnout verhindert werden.