Ob in Form von Pulver, als Kapseln, als Trinkampullen oder in Cremes – Das Geschäft mit Kollagenpräparaten boomt. Die Verkaufszahlen in Supermärkten und Drogerien haben sich seit 2020 fast verdoppelt. Im Markt mit Kollagen steckt ein Umsatz von etwa 50 Millionen Euro jährlich.
Auch auf Social-Media-Plattformen werben immer mehr Hersteller mit Kollagen-Produkten. Ihr Versprechen: Weniger Falten, stärkere Nägel, Haarwachstum, gesündere Gelenke, Knochen, Knorpel und Muskeln.
Was ist Kollagen?
Der Begriff Kollagen leitet sich vom altgriechischen Wort „kolla“ ab und bedeutet übersetzt „Leim“. Kollagen ist das Eiweiß, das am häufigsten im Körper vorkommt. Lunge und Herz, Blutgefäße, Knochen, Sehnen, Bänder und Gelenke werden von Kollagen zusammengehalten.
Die Haut zum Beispiel wird durch ein Gerüst aus Kollagenfasern gestützt. Doch mit zunehmendem Alter nimmt die Kollagen-Produktion des Körpers ab und die Qualität des Kollagens sinkt. Dadurch wird die Haut faltiger, die Muskulatur und Sehnen weniger belastungsfähig, die Knochen spröde und die Gelenke machen Probleme.
Kollagen aus Schlachtabfällen
Kollagen wird industriell häufig aus Schlachtabfällen gewonnen. Je nach dem, aus welchen Teilen eines Tiers das Kollagen gewonnen wurde, soll es besonders gut für Haut oder Gelenke geeignet sein.
Professor Tobias Renkawitz ist Spezialist für Hüft- und Kniearthrose an der Uniklinik Heidelberg. Viele seiner Patienten fragen nach Kollagen gegen Gelenkbeschwerden – und tatsächlich gebe es einige Studien zu Kollagen. „Man hat tatsächlich einen gewissen positiven Effekt, also eine Verbesserung der Gelenkfunktion, beobachtet und auch eine mittlere Schmerzverringerung nach Einnahme dieses Nahrungsergänzungsmittels.“ Allerdings hätten solche Effekte viele Einflussfaktoren. „Es ist also deshalb ganz schwierig, immer nur eine Situation darauf abzustellen, also diesen Zusammenhang eindeutig herauszuarbeiten“, so Renkawitz.
Kollagen empfiehlt Tobias Renkawitz seinen Patienten mit Arthrose nur in einem frühen Stadium und nur in Kombination mit anderen Maßnahmen. Von einer vorbeugenden Einnahme – also bevor krankheitsspezifische Symptome auftreten – hält er dagegen wenig. „Wissenschaftlich gesehen gibt es bislang keinen Hinweis, dass diese Idee einer Prävention tatsächlich auch funktioniert.“
Hype um Hyaluronsäure Was bringt Hyaluroncreme für die Haut?
Mehr Feuchtigkeit, weniger Falten und aufgepolsterte Haut – das Marketingversprechen von Cremes mit Hyaluron. Doch wie gut wirken die Produkte wirklich?
Arthrose und Kollagen: Knorpel wieder aufbauen?
Arthrosepatienten sollten sich von Kollagenpräparaten also nicht zu viel versprechen: Knorpelmasse wieder aufbauen oder die Knochen stärken können Kollagenprodukte laut Medizinern nicht. Um Gelenkerkrankungen zu vermeiden, helfen Bewegung und gesunde, ausgewogene Ernährung.
Kollagen: Diese Lebensmittel enthalten nötige Aminosäuren
Um Kollagen zu bilden, braucht der Körper die Aminosäuren Glycin, Prolin und Hydroxyprolin, die in vielen Lebensmitteln stecken.
Glycin steckt in Rindfleisch, Lachs, Erbsen, Linsen, Sojabohnen, Haferflocken, Kürbiskernen, Reis, Erdnüssen, Weizenkeimen.
Eine Quelle für Prolin sind Linsen und Sojabohnen.
Hydroxyprolin gibt es nicht in pflanzlicher Form – es kann über Gelatine und Knochenbrühe aufgenommen werden. Der Körper ist jedoch in der Lage, Hydroxyprolin aus Prolin selbst herzustellen – dafür braucht er Vitamin C als Coenzym.
Schönheitsdrinks: helfen sie wirklich gegen Falten?
Und wie steht es um die wissenschaftlichen Belege für die Wirkung von Kollagen in der Haut? Viele Produkte versprechen, die Haut zu straffen oder Falten zu lindern. Die Hersteller von Produkten zur oralen Einnahme versprechen, dass das Kollagen über das Blut auch in die Haut transportiert würde.
An der Uniklinik Düsseldorf hat sich Dermatologin Parnian Firouzi-Memarpuri mehrere Studien zu solchen oralen Kollagenprodukten genau angesehen. Das Problem: Der Großteil der Studien wurde von der Pharmaindustrie finanziert und hatte nur kleine Probandengruppen. „Bei den meisten Herstellerstudien ist es so, dass einfach eine Verbesserung der Hautqualität oder Elastizität oder Feuchtigkeit der Haut angegeben wird. Diese wird allerdings nicht standardisiert gemessen. Also können wir die Endpunkte auch gar nicht miteinander vergleichen“, erklärt die Hautärztin.
Auch die Stiftung Warentest konnte 2022 keine Belege dafür finden, dass teure Beautydrinks mit Hyaluron und Kollagen wirklich die Hautalterung stoppen oder gar rückgängig machen.
Was bringen Cremes mit Kollagen gegen Falten?
Bei den Kollagen-Cremes ist die Ärztin noch skeptischer: „Das Kollagen, was in Form von Cremes auf die Haut aufgetragen wird, ist so groß, dass es die obersten Hautschichten gar nicht durchdringen kann – sodass der positive Effekt, der durch die Herstellerstudien suggeriert wird, meiner Meinung nach gar nicht dem Kollagen, sondern den weiteren Bestandteil dieser Cremes zuzuschreiben ist.“
Auch Professor Tobias Renkawitz von der Uniklinik Heidelberg weist auf die bislang unsichere wissenschaftliche Lage in Bezug auf die Kollagenprodukte hin: „Die Basis von Kollagen sind Aminosäuren, und wir wissen schon, dass man Aminosäuren aufnehmen kann. Und die Theorie dahinter ist, dass diese Aminosäure dann auch entsprechend wieder vom eigenen Körper in Kollagen verbaut werden.“ Bewiesen sei das aber bislang nicht. „Das heißt diese einfache Idee, ich nehme etwas zu mir und es wird dann im Körper an passender Stelle eingebaut, dafür gibt es wissenschaftlich noch keinen Beleg.“
Insgesamt gibt es zur Wirkung von Kollagen nur wenige unabhängige Studien. Auch Fachgesellschaften empfehlen Kollagenprodukte daher bislang nicht.