Photovoltaikanlagen, Solaranlagen, energetische Sanierungen - derzeit stehen vor allem bei einigen Hausbesitzern große Investitionen an. Dafür das benötigte Material zu erhalten und Handwerker zu finden, ist bereits kein leichtes Unterfangen. Was aber, wenn dann die Handwerksbetriebe auch noch die Bezahlung der Leistungen fordern, bevor sie überhaupt mit der Arbeit beginnen? Und was, wenn dann mangelhafte Ware geliefert wird oder der Handwerksbetrieb Insolvenz anmeldet? Wann wird Vorkasse gefährlich und auf was müssen Sie achten? Und wie ist das bei Käufen im Internet oder dem Buchen von Reisen, wo ebenfalls oft Vorauszahlungen gefordert sind.
Übersicht:
- Individuell mit Handwerkerbetrieben verhandeln
- Material bezahlen
- Bankbürgschaften, Treuhandkonten und Versicherungen?
- Worst Case Insolvenz des Handwerksbetriebes
- Anzahlung beim Möbelkauf
- Vorkasse beim Online-Einkauf
- Vorkasse bei Pauschalreisen
- Vorkasse bei Flugreisen
- Fazit
Individuell mit Handwerkerbetrieben verhandeln
Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass Handwerker in Vorleistung gehen. Anzahlungen oder Vorkasse sind nicht angedacht, sondern Abschlagszahlungen, sobald Teilleistungen erbracht wurden. In der Praxis sind allerdings immer weniger Handwerksbetriebe bereit, ohne Vorauszahlungen Aufträge überhaupt zu übernehmen. Das gilt insbesondere, wenn wertvolle Anlagen wie Heizungen oder Photovoltaikanlagen eingebaut werden sollen. Denn der Handwerksbetrieb riskiert den Zahlungsausfall beim Kunden, wenn er vorab kein Geld verlangt. Gleichzeitig trägt jedoch der Verbraucher bei einer Anzahlung oder bei Vorkasse das Risiko, dass er ohne Leistung auf den Kosten sitzen bleibt, wenn etwa der Handwerksbetrieb in die Insolvenz geht.
Damit Kunden nun kein zu großes Risiko eingehen, sollten sie individuelle Verträge aushandeln. Wie viel ist man als Kunde bereit zu bezahlen und wie weit kann der Handwerksbetrieb entgegenkommen? Vorkasse, also die komplette Summe vorab, sollten Verbraucher dabei möglichst vermeiden. Ganz auf Anzahlungen zu verzichten, wird aber derzeit vermutlich schwierig: Handwerker sind rar und können sich oft ihre Aufträge aussuchen.
Material bezahlen
Verschiedene Möglichkeiten der individuellen Verhandlungen betreffen das benötigte Material, da dieses oft einen großen Teil der Kosten ausmacht.
- Der Kunde kann bei größeren Materialanschaffungen das Material selbst beim Händler oder Hersteller einkaufen. Dann wird der Kunde Eigentümer und behält das Material auch im Falle der Insolvenz des Handwerkers. Allerdings lehnen viele Handwerker dies ab. Die Variante hat außerdem den Nachteil, dass Handwerker bei Mängeln dann öfter die Haftung ablehnen, als wenn sie selbst das Material eingekauft haben. Außerdem können die Kosten steigen, weil Handwerker Material oft günstiger einkaufen als Privatleute.
- Daneben gibt es noch die Variante, dass Material direkt zum Kunden zu liefern. Dabei sollte vereinbart werden, dass der Kunde auch direkt Eigentümer wird, wenn er das Material schon bezahlt hat. Würde der Handwerksbetrieb dann insolvent gehen, fällt das Material nicht in die Insolvenzmasse und der Kunde müsste "nur" einen neuen Handwerksbetrieb finden, der den Einbau übernimmt.
Bankbürgschaften, Treuhandkonten und Versicherungen?
Neben Vereinbarungen, die das Material betreffen, stellen auch Bankbürgschaften oder Treuhandkonten eine Möglichkeit dar, das Risiko zu senken.
- Bankbürgschaften stellen sicher, dass beim Handwerker Geld vorhanden ist und dass der Kunde bei Insolvenz sein Geld zurückbekommt. Allerdings sind diese aufwendig.
- Bei klassischen Treuhandkonten waren bisher Aufwand und Kosten hoch. Inzwischen gibt es jedoch Internetplattformen wie "Treuhandservice Fairpay" und "Paylax", die gezielt Treuhandkonten für Handwerksleistungen anbieten. Zu diesen Plattformen liegen uns jedoch noch keine Erfahrungswerte vor.
Im Angesicht dieser doch recht komplizierten Möglichkeiten, das Risiko sowohl aufseiten der Kunden als auch aufseiten der Handwerker zu minimieren, stellt sich die Frage, warum es nicht möglich ist, dieses über eine Versicherung abzudecken? Angebote, mit denen sich die Vorkasse oder Anzahlung eines Kunden im Einzelfall gegen Nichterfüllung zum Beispiel durch eine Insolvenz absichern lässt, haben wir nicht gefunden.
Eine solche Versicherung würde es dem Verbraucher leichter machen, in Vorleistung zu gehen. Denn: Verbraucher, die sich bei einer Insolvenzmasse anmelden müssen, haben im Regelfall nicht mehr viel zu erwarten.
Helfen könnte jedoch eine andere Art der Versicherung. So gibt es Insolvenzversicherungen, mit denen sich Handwerksbetriebe gegen die eigene Insolvenz absichern können - und damit auch ihre Kunden schützen. Solche Versicherungen sind zwar nicht zwingend vorgeschrieben, können von Handwerkern aber als Sicherheitsargument gegenüber den Kunden genutzt werden. Die Zahlungen der Kunden sind dann durch das Versicherungsunternehmen abgesichert.
Häufiger als Insolvenzen sind mangelhafte Waren oder Handwerksarbeiten. Auch hier kann Vorkasse negative Folgen für Verbraucher haben, da die Kunden bei kompletter Vorauszahlung kein Druckmittel mehr in der Hand haben.
Darauf sollten Sie achten Ärger mit dem Handwerker: Wann muss wer bezahlen?
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Worst Case Insolvenz des Handwerksbetriebes
Bei Axel Hilpold sollte inzwischen eigentlich eine Solaranlage auf dem Dach montiert sein. Er zahlte dafür mit 12.400 Euro 50 Prozent der Gesamtkosten im Vorfeld an. Doch dann wartete er vergeblich auf Lieferung und Einbau. Schließlich stellt sich heraus, dass die beauftragte Firma inzwischen einen Antrag auf Insolvenz gestellt hat.
Leisten Kunden eine Anzahlung, tragen sie das Insolvenzrisiko. Ilkin Bananyarli, Fachanwalt für Insolvenzrecht, erklärt: "Im Großen und Ganzen ist es leider in diesem Fall so, dass die Kunden dann ihre Forderung nur im Insolvenzverfahren als Schaden anmelden können und auf eine Quote hoffen müssen." Wie hoch die Quote und damit die Rückzahlung für die betroffenen Kunden in diesem Fall genau ist, steht noch nicht fest. Klar ist aber jetzt schon: Sie wird sehr niedrig ausfallen. Und die Insolvenzen nehmen derzeit zu. Gründe sind gestiegene Kosten und Lieferengpässe. Zudem wurden dank Coronahilfen strauchelnde Unternehmen lange Zeit über Wasser gehalten - und gehen jetzt pleite.
Anzahlung beim Möbelkauf
Beim Möbelkauf wird zwar oft eine Anzahlung verlangt, eine gesetzliche Verpflichtung zu einer solchen Zahlung gibt es allerdings nicht. Das Gesetz sieht hingegen in der Regel die Zahlung bei Lieferung vor. Verbraucherzentralen raten, höchstens 10 Prozent Anzahlung zu leisten - auch wegen des Insolvenzrisikos.
Vorkasse beim Online-Einkauf
Egal ob Kleidung, Möbel oder Elektronik - beim Online-Shopping bezahlt der Kunde oft den gesamten Preis für ein Produkt, bevor er es erhalten hat.
- Viele Kunden nutzen einen Bezahldienst wie PayPal oder Klarna. Das hat den Vorteil, dass bei Problemen zwischen Käufer und Verkäufer meist ein Käuferschutz gewährt wird. Allerdings gibt es immer wieder Berichte über Betrugsmaschen.
- Für den Kunden am empfehlenswertesten ist weiterhin der Kauf auf Rechnung. Da kann man nach Lieferung die Ware prüfen, bevor man bezahlt.
- Lastschrift und Kreditkarte geben unter Umständen auch die Möglichkeit einer Rückbuchung. Es kann aber komplizierter werden.
- Vorsicht: Wer Vorkasse nutzt, hat bei Problemen oft große Schwierigkeiten, sein Geld zurückzubekommen.
Bei Online-Bestellung haben Kunden ab Lieferdatum 14 Tage Zeit, um einen Widerruf auszusprechen. Das bietet einen gewissen Schutz. Bei einer Insolvenz des Online-Shops hilft das jedoch nicht. Daher möglichst durch einen abgesicherten Bezahldienst oder per Rechnung bezahlen.
Vorkasse bei Pauschalreisen
Auch wer in den Urlaub möchte, muss oft vieles im Vorfeld bezahlen. Wie ist das bei Pauschalreisen? Darf der Veranstalter beispielsweise die Hälfte des Reisepreises als Anzahlung verlangen? Hier gilt: 20 Prozent Anzahlung sind zulässig. Weist der Reiseveranstalter jedoch eigene Vorleistungen in entsprechender Höhe nach, können bis zu 40 Prozent des Reisepreises vorab verlangt werden. Dieses Urteil hat die TUI 2017 gegen die Verbraucherzentrale erwirkt (BGH X ZR 71/16, Urteil vom 25.7.2017). Zudem dürfen Reiseveranstalter 30 Tage vor Reiseantritt die Restzahlung des gesamten Reisepreises verlangen. Gleichzeitig ist aber auch das Risiko bei Pauschalreisen für die Kunden geringer als bei Individualreisen oder einzelnen Flugbuchungen, da sie durch einen Sicherungsschein gegen Insolvenz des Veranstalters abgesichert sind.
Vorkasse bei Flugreisen
Bei Flugreisen müssen Kunden den gesamten Preis bereits bei der Buchung bezahlen. Das hat der BGH zwar bestätigt, doch die Kritik daran wird immer lauter. So ging der BGH in einem Urteil davon aus, dass Fluggesellschaften in der Regel nicht pleitegehen. Allerdings meldete schon wenige Monate später Air Berlin Insolvenz an. Gemäß einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) wären 76 Prozent der Bundesbürger bereit, höhere Preise in Kauf zu nehmen, wenn sie keine Vorkasse für Reisen zahlen müssten.
Der vzbv fordert die Abschaffung der Vorkasse sowohl bei Flugreisen als auch bei anderen Reisen. Der Verband hatte dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben und ein Positionspapier verfasst. Danach sei die Systemumstellung wirtschaftlich mit Mehrkosten von weniger als vier Prozent möglich.
Eine solche Initiative müsste allerdings von der Bundesregierung in der EU-Gesetzgebung angeschoben werden. Ein deutscher Alleingang wäre wahrscheinlich kaum machbar, da der Flugverkehr ganz Europa betrifft.
Fazit
Die Bezahlung per Vorkasse sollten Verbraucher wenn möglich vermeiden - egal ob es sich um neue Möbel oder eine Handwerkerleistung handelt. Denn ist der gesamte Preis bereits vorab bezahlt, haben sie bei mangelnden Leistungen kein “Druckmittel” mehr und bei einer Insolvenz der anderen Vertragspartei verschwindet ihr Geld in der Insolvenzmasse.
Alternativen zur Bezahlung per Vorkasse wäre im Fall einer Handwerkerleistung eine individuelle Absprache beziehungsweise ein individueller Vertrag mit dem Handwerksbetrieb. In diesem kann beispielsweise eine für beide Seiten faire Anzahlung enthalten sein. Im Fall von Online-Käufen können Kunden auf Bezahldienstleister oder auf die Möglichkeit der Bezahlung per Rechnung zurückgreifen. Bei Pauschalreisen sind Verbraucher in einem gewissen Rahmen gegenüber der Insolvenz des Veranstalters abgesichert. Individualreisende müssen vor allem Flüge immer noch vorab bezahlen. Die Verbraucherzentrale fordert jedoch, dies zu ändern.