Genetische Vielfalt als Überlebensstrategie

Warum der Wald der Zukunft eine Herausforderung für die Förster ist

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Der Wald hat große Lücken bekommen, Trockenheit und Schädlinge haben die Landschaft deutlich verändert: "Kalamitätsflächen" nennen sie das beim Forst.

Wie überall in Rheinland-Pfalz sind auch im Pfälzerwald viele Bäume abgestorben und mussten gefällt werden. Mit jeder Fichte, die verschwindet, verabschieden sich auch die Pilze, Insekten, Vögel und Säugetiere, die sich an das Leben im Fichtenwald angepasst haben. Für die Mitarbeiter von den Landesforsten ist das eine Katastrophe.

Patrick Lemmen, Leiter des Forstlichen Genressourcenzentrums in Trippstadt
Patrick Lemmen, Leiter des Forstlichen Genressourcenzentrums in Trippstadt, beobachtet ein stilles Sterben ganzer Ökosysteme.

Darum brauchen wir einen Wald der Zukunft

Nur noch 16 Prozent der Bäume in Rheinland-Pfalz sind laut dem Waldzustandsbericht von 2020 äußerlich nicht sichtbar geschädigt.

Die schnellwachsende Fichte war lange Zeit der "Brotbaum" der Förster. In den vergangenen heißen Sommern sind die Nadelbäume regelrecht verdurstet. Als Flachwurzler kann die Fichte nicht so tief in die Erde vordringen wie etwa die Eiche, kommt also schlechter an ausreichend Wasser. Wenn sie Durst leidet, bildet sie zu wenig Harz, und ihr Feind - der Borkenkäfer - hat leichtes Spiel. Die Bäume werden so geschwächt, dass sie zugrunde gehen.

Durch den Klimawandel ist davon auszugehen, dass Fichten künftig eher in den kühlen, feuchten und höheren Regionen der Mittelgebirge überleben und bei uns im Flachland verschwinden.

Ein weiteres Problem warmer und trockener Sommer scheint auf den ersten Blick paradox: Bäume wie die Buche werden durch den Klimawandel dazu angeregt, viel öfter als früher Früchte zu tragen.

Hat eine Buche vor einiger Zeit noch alle vier Jahre Bucheckern hervorgebracht, tut sie das nun etwa alle zwei Jahre. Eine Strapaze, denn die Energie, die in die zusätzliche Frucht fließt, fehlt den Bäumen für den Aufbau von Holz und Blättern.

So sieht der Wald der Zukunft aus

Forschen, Konzepte entwickeln und Pflanzen heranziehen: Das Forstliche Genressourcenzentrum in Trippstadt ist eine der Keimzellen des Waldes der Zukunft.

Im Gewächshaus sprießen im Spätwinter die ersten Buchen des Jahres. Sie stammen aus Beständen, denen die Experten zutrauen, gut mit dem Klimawandel klarzukommen. Zum Wald der Zukunft sagt der Leiter Patrick Lemmen:

"Er wird auf jeden Fall noch mehr Mischwald sein als wir ihn jetzt schon haben. Im Moment sind wir bei 82 Prozent Mischwald, der Laubholzanteil wird steigen. Es werden Arten häufiger vorkommen, die im Moment noch seltener sind wie etwa die Elsbeere oder der Speierling. Arten, die sehr gut klimaverträglich sind."

So entsteht der Wald der Zukunft

Bäume auf geeigneten Standorten dürfen sich selbst vermehren, indem sie ihre Samen fallen lassen. Und die Förster setzen Jungpflanzen dazwischen, von denen sie hoffen, dass sie sich im Klimawandel bewähren können. Eine Art Zukunfts-Poker mit Vielfalt als Trumpf.

Die Vielfalt gilt sowohl innerhalb einer Baumart als auch auf den Gesamtwald bezogen: Möglichst viele geeignete Arten sollen es sein, und innerhalb der Arten eine große genetische Variabilität.

Auf einer "Idealfläche" bei Trippstadt wachsen auf kleinem Raum zwölf Baumarten, der Wald hat sich teilweise selbst ausgesät, an bestimmten Stellen wurden einzelne Bäume dazwischen gepflanzt: Alte und junge Bäume, die ein natürliches System bilden. Kahlschläge gibt es hier schon lange nicht mehr.

Daher stammt der Nachwuchs für den Wald der Zukunft

Patrick Lemmen und sein Team ernten die Samen besonders geeigneter Baumbestände, die sich als gesund und möglichst klimaresistent erwiesen haben. Und sie achten darauf, Samen von möglichst vielen verschiedenen "Elternbäumen" zu bekommen, damit die genetische Vielfalt erhalten bleibt.

Bei der Forschung wird auch die Anpassungsstrategie mancher Bäume deutlich: Bei einer bestimmten Traubeneiche von der Mosel etwa bildet die Eichel, sobald sie den Boden berührt, eine besonders lange Wurzel und sucht nach Wasser.

Im ersten Jahr nach dem Keimen besteht die Pflanze aus etwa zwei Dritteln stark verzweigter Wurzel und einem Drittel oberirdischen Trieb. Solche Anpassung an Trockenheit wollen die Experten durch gezielte Vermehrung fördern.

In der Samenklenge des Forstlichen Genressourcenzentrums wird derzeit immer noch die Ernte vom letzten Herbst bearbeitet: die tauben Samen werden aussortiert, die guten gereinigt und für die Lagerung getrocknet. 2020 war eines der bislang besten Erntejahr: 17 Tonnen Eicheln, sieben Tonnen Bucheckern und vier Tonnen Nadelholzsamen sind die Ausbeute.

Mit fünf Tonnen Saatgut ist auch die Esskastanie auf dem Vormarsch. Sie ist zum Beispiel ein echter "Zukunftsbaum", der künftig häufiger anzutreffen sein wird, denn Trockenheit und Wärme können ihr wenig anhaben.

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SWR Fernsehen