Die Schattenseite des E-Bike-Booms: Kaum qualifiziertes Personal, Reparatur-Termine sind schwer zu bekommen. Wer bietet trotzdem guten Service? Marktcheck testet Werkstätten.
Der Ansturm auf E-Bikes ist ungebrochen: 2020 wurden fast zwei Millionen E-Bikes verkauft - so viele wie nie. Doch damit nicht genug: Einer aktuellen Studie zufolge planen zwei Drittel der Deutschen, die noch kein E-Bike haben, sich ebenfalls eines anzuschaffen. Und das bei Preisen von durchschnittlich fast 3.000 Euro für ein Elektro-Fahrrad. Das Geschäft mit den E-Bikes ist ein Milliardenmarkt.
Warum sind E-Bikes so beliebt?
Das E-Bike erfreut sich bei allen Altersgruppen gleichermaßen großer Beliebtheit. Während Fahrräder ohne elektrische Unterstützung meist von jüngeren Personen gekauft werden, ist es bei E-Bikes ausgewogener: Ein Fahrrad mit elektrischer Unterstützung erlaubt es auch älteren Personen auf zwei Rädern mobil zu sein und Touren mit mehr als ein paar Kilometern zu machen - aber auch jüngere Nutzer schätzen den hohen Komfort. Für sie kann ein E-Bike als Ergänzung oder gar als Ersatz für das eigene Auto gesehen werden und bietet sich gerade zu Zeiten von Home-Office als Sportgerät an – oder als Alternative zu öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die Schattenseiten des E-Bike-Booms
Doch mit der Anschaffung und dem Spaß am Fahren allein ist es nicht getan. Wie die meisten Alltagsgegenstände ist auch das E-Bike von Verschleiß betroffen. Regelmäßige Checks und gelegentliche Reparaturen gehören beim E-Bike genauso dazu wie bei einem Auto. Doch im Gegensatz zu den meisten Kfz-Werkstätten sind Fahrrad-Werkstätten oft über mehrere Wochen im Voraus ausgebucht. Oft werden überhaupt nur Kunden angenommen, die ihr Rad auch beim jeweiligen Händler gekauft haben. Stimmt dann wenigstens die Leistung?
Marktcheck macht den E-Bike-Werkstatt-Test
Überprüft werden drei Fahrradhändler im Großraum Stuttgart:
- Bikewerker in Korntal-Münchingen
- eBox in Künzelsau
- Fahrrad XXL Walcher in Deizisau
Um die Arbeit der drei Fahrrad-Werkstätten besser beurteilen zu können, nimmt der Ludwigsburger Experte und Sachverständige für Fahrräder und Elektrofahrräder Dirk Zedler die vier E-Bikes in unserem Test genau unter die Lupe, bevor sie zu den nicht eingeweihten Werkstätten gebracht werden.
Erste Hürden bei der Annahme der Elektro-Fahrräder
Schon bei der Annahme der Räder in den Werkstätten fielen dann die ersten Probleme auf: Bei Bikewerker und Fahrrad XXL Wachler herrscht hoher Zeitdruck, nur bei eBox nahm sich das Personal die Zeit, zusammen mit dem Kunden das E-Bike schon mal zu inspizieren. Hier entsprach später auch die Rechnung dem Kostenvoranschlag und die Arbeiten am E-Bike wurden weitestgehend professionell durchgeführt.
Bei den anderen beiden Werkstätten waren die Angestellten nicht einmal auf Nachfrage bereit, sich schon bei der Abgabe der E-Bikes mit den Rädern zu beschäftigen. Die Konsequenz: Bei Bikewerker sollte die Reparatur bei genauerem Hinsehen auf einmal rund 1.000 Euro kosten, statt den vorher prognostizierten 70 Euro – ein Schock für den Kunden.
Probleme bei den Reparaturarbeiten in der Werkstatt
Auch bei den Werkstattarbeiten selbst gab es eklatante Mängel. Die Mitarbeiter bei Fahrrad XXL Walcher erkannten nicht, dass es sich bei einem der E-Bikes um einen nicht verkehrssicheren Umbau handelte. Dies kann im schlimmsten Fall zu einem schweren Unfall führen. Und das zweite, relativ neue E-Bike ohne große Mängel kam aus der Werkstatt mit einem nicht richtig festgezogenen Lenker zurück. Mit diesem E-Bike zu fahren, hätte lebensgefährlich werden können. Der Sachverständige Dirk Zedler ist entsetzt:
Wir wollen wissen, warum ein so gravierender Sicherheitsmangel nicht behoben wird und fragen bei Fahrrad XXL Walcher nach. Der Geschäftsführer ist bereit, mit uns zu sprechen: "So wie Sie sagen, stand der Vorbau so hoch, dass die Bremsleitung dadurch etwas gespannt war. Was natürlich nicht passieren darf und was ich auf unsere Kappe nehmen muss. Was mir sehr leid tut."
Verkehrssicherheit gefährdet
Doch damit hört es nicht auf: Unser Experte entdeckt weitere gravierende Mängel. Der Sattel ist zu locker und beim neusten Rad in unserem Werkstatt-Test wurde der Zustand durch die Reparatur sogar so gravierend verschlechtert, dass unser Experte es für nicht mehr verkehrstauglich hält: "Der Vorbau hier in der Gabel ist jetzt lose, der war fest. Kann sein, dass sich der Lenker verdreht, dann falle ich ganz böse auf die Nase."
Wir melden uns mit den entdeckten Mängeln erneut bei XXL Walcher: Das Unternehmen holt daraufhin beide E-Bikes ab und behebt die Mängel auf eigene Kosten. Außerdem schreibt man uns, man wolle die Werkstatt-Mitarbeiter für die dringend erforderliche Qualität ihrer Arbeit sensibilisieren. Bisher würden die Mitarbeiter das Abarbeiten einer Checkliste mit ihrer Unterschrift bestätigen, die Werkstattleitung habe das stichprobenartig überprüft: "…Künftig jedoch werden ALLE Fahrräder eine weitere Endkontrolle erhalten, bei welcher alle sicherheitsrelevanten Bauteile nochmals überprüft werden", kündigt uns Geschäftsführer Markus Walcher schriftlich an.
Im Herbst werde man außerdem den ersten Zweiradmechatroniker ausbilden - wohlgemerkt nach vielen Jahren, in denen das Geschäft E-Bikes und Pedelecs verkauft. Eigentlich sind nur Zweiradmechatroniker wirklich qualifiziert für die Wartung und Reparatur von Elektrofahrrädern.
Mechaniker und Mechatroniker: Fachpersonal ist Mangelware
Der Fall von Fahrrad XXL Walcher spiegelt ein Problem der gesamten Branche wider: Es gibt schlicht zu wenig Fachpersonal. Schon Zweiradmechaniker sind rar - Zweiradmechatroniker, wie sie zur Wartung und Reparatur von E-Bikes eigentlich gebraucht werden, gibt es so gut wie gar nicht.
Dass viele Werkstätten Probleme bei der Suche nach angemessen ausgebildetem Personal haben, gibt Werner Metzger von der Zweiradmechaniker-Innung Baden-Württemberg zu - es fehlen oft schlicht schon die Voraussetzungen für eine gute Ausbildung in den Betrieben:
Wenn Sie mehr über den Beruf des Zweiradmechatronikers erfahren wollen, gelangen Sie hier zu einem Gespräch mit dem Zweiradmechatroniker Ole:
Wie finde ich trotzdem eine gute Werkstatt für mein E-Bike?
Wenn Sie Ihr E-Bike zur Inspektion oder Reparatur bringen, achten Sie darauf, dass die Mitarbeiter Ihr E-Bike ordentlich annehmen und sich Zeit nehmen. Sprechen Sie Problempunkte an Ihrem Fahrrad an, und klären Sie, was gemacht werden soll. Fragen Sie nach einem Kostenvoranschlag, damit Sie wissen, was eventuell auf Sie zukommen kann.
Zumindest beim Marktcheck-Test hatte die Werkstatt mit der professionellen Annahme tatsächlich danach auch die beste Leistung bei der Wartung.
Weitere Tipps:
Sie haben Ihr Fahrrad bei einem Händler oder Fachgeschäft gekauft?
- Fragen Sie bereits beim Kauf, wer für Reparaturen an Ihrem E-Bike zuständig ist.
Sie haben Ihr Fahrrad online gekauft?
- Sollten Sie Ihr Fahrrad online kaufen, achten Sie beim Kauf auf ausgewiesene Vertragswerkstätten oder Partner in Ihrer Nähe. Diese sind nicht nur mit Ihrer Marke vertraut, sondern können sie auch fachmännisch reparieren.
- Manche Online-Händler bieten Ihren Kunden auch die kostenlose Möglichkeit, das E-Bike für einen Wintercheck oder Reparaturen einzuschicken. Sollten Sie diese Option haben, nutzen Sie diese, sofern die Reparatur nicht eilt.
Freie Werkstätten für Fahrräder
- Zudem gibt es oftmals sogenannte "freie" Werkstätten, welche Räder von unterschiedlichsten Herstellern annehmen und als Anlaufstelle für einen Service bei Ihrem Rad dienen. Informieren Sie sich vorher, welche "freie" Werkstätten für Sie in Frage kommt.