Wohin mit dem Ersparten? Da es praktisch keine Zinsen mehr gibt, legen viele Menschen ihr Geld an der Börse an. Wie der Einstieg gelingt, erfahren Sie hier.
Viel Zeit zu Hause und weniger Ausgaben: Während der Corona-Krise haben viele Menschen zum ersten Mal in Aktien investiert. 12,4 Millionen Deutsche besitzen inzwischen Aktien, Fonds oder ETFs, das ist der höchste Stand seit 20 Jahren. Wer jetzt einsteigen will, sollte ein paar Schritte beachten:
Schritt 1: Das Volumen festlegen - Wie viel darf's denn sein?
Zunächst sollten sich Anleger in spe die Frage stellen, wie viel Geld sie überhaupt investieren wollen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten: entweder alles auf einen Schlag investieren oder jeden Monat einen bestimmten Betrag; letzteres geht mit Hilfe eines Sparplans. In beiden Fällen steht zunächst ein Finanzcheck an: Welche Kosten fallen regelmäßig an, welche Versicherungen müssen bezahlt, welche Schulden getilgt werden?
Darüber hinaus raten Verbraucherschützer dazu, vor dem Investieren eine "eiserne Reserve" anzusparen, um unvorhergesehene Ausgaben tragen zu können. Wenn zum Beispiel das Auto oder die Waschmaschine kaputt geht, braucht man ad hoc Geld. Wenn dann alle Ersparnisse an der Börse geparkt sind und ausgerechnet in dieser Zeit die Märkte schwächeln, drohen Verluste.
Die Faustformel lautet daher: Zwei bis drei Nettogehälter sollte man beiseite legen. Eventuell ist auch ein dickeres Polster nötig, je nachdem, wie stark Einkommen und Ausgaben schwanken. Was danach an Überschüssen da ist, kann investiert werden. Zum Beispiel an der Börse.
Schritt 2: Den Anlagezeitraum klären - für den langen Atem trainieren
In kurzer Zeit zum großen Geld. Das versprechen sich gerade viele jüngere Anlegerinnen und Anleger von ihrem Börseneinstieg. Und natürlich ist es möglich, beim Tipp auf die richtige Aktie in einem Jahr sein eingesetztes Kapital zu verdoppeln. Vorgemacht hat es zum Beispiel der Mainzer Corona-Impfstoffentwickler Biontech, dessen Aktien sich innerhalb eines Jahres um fast 290 Prozent verteuert hatten.
Allerdings sind solche Volltreffer an der Börse gerade für Laien absolute Ausnahmen. Verschiedene Studien zeigen: Mit Einzelaktien an der Börse Erfolg zu haben, ist extrem unwahrscheinlich. Außerdem tendieren Privatanleger dazu, das Risiko von Anlagen falsch einzuschätzen.
Wer an der Börse Erfolg haben will, sollte sein Geld daher gestreut investieren. Und vor allem: Langfristig denken. Eine Frage, die sich Börseneinsteiger daher unbedingt stellen sollten: Wie lange kann ich auf das investierte Kapital verzichten? Die Antwort hängt oft von den persönlichen Lebensumständen ab: Wer als junger Mensch gerade ins Berufsleben eingestiegen ist, kann im Prinzip mehr Geld an der Börse parken als jemand, der schon kurz vor der Rente steht. Gerade bei Investitionen am Aktienmarkt ist ein langer Anlagezeitraum von zehn bis 15 Jahren jedoch unbedingt sinnvoll, um kurzfristige Schwankungen aussitzen zu können.
Wer also schon heute weiß, dass in einigen Jahren eine große Investition ansteht, zu der das Ersparte auf den Punkt benötigt wird, sollte nur mit einer sehr guten Strategie an der Börse aktiv werden. Die könnte zum Beispiel aus einem Auszahlplan bestehen. Teile des investierten Geldes könnten zum Beispiel schon in den Jahren vor dem Stichtag regelmäßig von der Börse abgezogen werden. Das reduziert das Risiko, am Ende einen Verlust einzufahren.
Wem das trotzdem zu riskant ist, der sollte in diesem Fall auf andere Anlageformen wie zum Beispiel Festgeld setzen, auch wenn es hier nur mickrige Zinsen gibt.
Schritt 3: Das Depot eröffnen - Schließfach oder Smartphone-App?
Aktien kann man nicht einfach so kaufen, man benötigt dafür ein Wertpapierdepot. Ein solches anzulegen und zu führen, gehört zum Leistungskatalog von Banken oder anderen Finanzdienstleistern. Das Depot ist in der Regel mit einem Verrechnungskonto verknüpft, über das Kauf und Verkauf der Papiere abgewickelt werden.
Früher waren Depots meist Schließfächer, in die man Aktien aus Papier einlagern konnte. Und auch heute noch gibt es Aktiendepots, die man offline führen kann. Die Gebühren dafür sind allerdings relativ hoch, sowohl für die einzelnen Transaktionen als auch für das Einlagern der Wertpapiere.
Deutlich günstiger sind digitale Depots bei Direktbanken. Hier werden keine oder nur geringe Depotgebühren fällig und auch die Transaktionskosten - also die Gebühren, die bei jedem einzelnen Kauf und Verkauf anfallen - sind überschaubar.
Eine dritte Möglichkeit sind sogenannte "Neobroker". Dabei handelt es sich um in der Regel kostenlose Apps auf dem Handy, über die Aktien ge- und verkauft werden können. Die Transaktionskosten sind noch günstiger als bei Direktbanken, in vielen Fällen entfallen sie sogar ganz. Allerdings können bei den Smartphone-Brokern weniger Anlagen gekauft werden als bei anderen Depotformen.
Welches Depot das Richtige ist, hängt von individuellen Vorlieben ab. Wer persönlichen Kontakt und Beratung schätzt, für den könnte ein klassisches Depot das Richtige sein. Wer gerne daheim auf dem Sofa mit seinen Anlagen hantiert und die Kosten minimieren möchte, könnte beim Neobroker gut aufgehoben sein. Welche Depots gut und günstig sind, untersucht die Stiftung Warentest regelmäßig.
Schritt 4: Die Strategie finden - Zocken oder Sparen?
Es gilt die alte Regel: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko. Wer viel riskiert, kann viel gewinnen, aber eben auch alles verlieren. Deshalb sollten Anleger sich vor der ersten Order überlegen, wie risikobereit sie sind. Dabei sind auch einige harte Faktoren zu berücksichtigen, beispielsweise ob man andere sichere Geldanlagen besitzt oder Schulden hat. Vor dem Börseneinstieg kann es sinnvoll sein, auf Grundlage solcher Fakten ein individuelles Risikoprofil zu erstellen.
Ein guter Kompromiss kann darin liegen, das Börseninvestment zu splitten: Der weitaus größte Teil - rund 80 Prozent des an der Börse platzierten Kapitals - sollte in solide, breit gestreute Anlagen fließen. Der Rest kann in spekulative Papiere gesteckt werden, beispielsweise Einzelaktien von Unternehmen oder exotischere Fonds.
Grundsätzlich wird nämlich das Risiko kleiner, je breiter das Investment aufgestellt ist. Wer gern auf Nummer Sicher geht, sollte nicht in einzelne Unternehmen oder bestimmte Branchen investieren, sondern Aktien aus verschiedenen Regionen und Branchen ins Depot holen. Wenn sich ein Unternehmen oder eine ganze Branche einmal schlecht entwickelt, können andere Papiere die Verluste kompensieren. Sehr beliebt sind in diesem Zusammenhang seit einiger Zeit sogenannte ETFs, die Abkürzung steht für "Exchange Traded Funds". Diese bilden bestimmte Indizes nach, wie den Deutschen Aktienindex DAX oder den amerikanischen Dow Jones.
Wer also einen ETF kauft, der den DAX nachbildet, hat automatisch die Aktien der 40 größten deutschen Aktiengesellschaften im Depot - entsprechend ihrer Gewichtung im DAX. In der Praxis häufiger anzutreffen sind global operierende ETFs, die wie der MSCI World Geld in mehr als tausend Unternehmen auf dem ganzen Globus stecken. Der große Vorteil dieser Anlageform - neben der breiten Streuung: Im Unterschied zu klassischen, von einem Manager geführten Fonds fällt bei ETFs nur ein Bruchteil der Verwaltungskosten an.
Daneben gibt es auch sogenannte Themen-ETFs, die nach verschiedenen Kriterien zusammengestellt werden. Manche sind sehr breit gestreut, andere wiederum fokussieren sich auf bestimmte Wirtschaftssegmente wie die Tech-Branche oder auch erneuerbare Energien. Je spezieller ihr Profil, desto kleiner sollte ihr Anteil in einem auf Sicherheit bedachten Depot sein.
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Schritt 5: Die Rendite kalkulieren - auf was darf ich hoffen?
Wieviel mit einem Börseninvestment zu erzielen ist, ist pauschal natürlich nicht zu beantworten. Die Gewinne der Vergangenheit automatisch als Gewinne der Zukunft zu verrechnen, ist ohnehin einer der meist verbreiteten Fehler unter Börsenneulingen. Dass der Börsenwert eines Unternehmens im vergangenen Jahr um 30 Prozent zugelegt hat, sagt über die Wertentwicklung in diesem Jahr gar nichts aus.
Dennoch lässt sich sagen, dass sich Aktien als lukrative Anlageform bewährt haben. Das lässt sich auch mit Zahlen untermauern, wenn man die Wertentwicklung ganzer Märkte über längere Zeiträume in den Blick nimmt. Ein Weltaktienfonds wie der MSCI World hat in den vergangen 44 Jahren im Schnitt circa 6,7 Prozent Rendite pro Jahr abgeworfen. Im vergangenen Jahrzehnt war der Gewinn noch höher. Ein Wert, der im damaligen Niedrigzinsumfeld mit Staatsanleihen nicht zu erzielen war - geschweige denn mit klassischen Sparkonten.
Wer sich also mit dem Thema Vermögensbildung beschäftigt, der kommt am Thema Börse kaum vorbei. Ein guter Tipp für Vorsichtige: Mit kleinen Beträgen und sicheren Anlageformen beginnen. Wer jeden Monat 25 Euro in einen breit gestreuten Indexfonds investiert, hat in aller Regel wenig zu verlieren, gewinnt aber sicher - vor allen Dingen wertvolle Einblicke in die Welt von Aktien und Fonds. Auf dieser Grundlage kann man danach immer noch entscheiden, das Investment auszubauen - oder der Börse den Rücken zu kehren.