Von Flügen, Fernbus- und Kreuzfahrten bis hin zum Wocheneinkauf: All das soll klimaneutral möglich sein, versprechen ihre Verkäufer. Was steckt dahinter?
Wenn sich Treibhausgas-Emissionen nicht vermeiden oder reduzieren lassen, können sie zumindest kompensiert werden. Das geht heute fast überall. Große Namen wie Amazon, Saturn, Vodafone, Lidl oder auch die Commerzbank bieten den Verbrauchern gegen eine Zahlung an, den CO2-Fußabdruck des Einkaufs wiedergutzumachen.
CO2 wird bei Flügen immer häufiger freiwillig kompensiert
Die Rechnung geht auch teilweise auf, denn: Für das Klima ist es unwichtig, wo auf der Welt die Treibhausgase ausgestoßen werden. Ein Aufforstungsprojekt in Südamerika kann also rein rechnerisch durchaus die Klimafolgen einer Urlaubsreise am anderen Ende der Welt aufwiegen.
Laut einer Umfrage im Auftrag der Europäischen Investitionsbank von 2019 nutzen in Deutschland 45 Prozent der Befragten diese Möglichkeit bei Flugreisen zumindest ab und zu. Weitere 20 Prozent gaben an, es in Zukunft tun zu wollen.
Dabei kann das schnell ins Geld gehen. Selbst bei einem relativ kurzen Flug von Frankfurt nach Mallorca werden um die 10 Euro pro Person fällig, um die Treibhausgase auszugleichen.
Umweltschutz Klimakompensation – Fliegen mit gutem Gewissen?
Wer fliegt, kann seinen CO2-Ausstoß freiwillig kompensieren. Das Geld fließt in Klimaschutzprojekte. Doch wie sinnvoll sind die?
Kunden können CO2 vom Bankkonto bis zu Supermarkt-Einkauf kompensieren
In anderen Branchen ist die CO2-Kompensation noch nicht so weit verbreitet. Es gibt aber immer öfter die Möglichkeit dazu. Teils bieten Buchungsportale und Händler diese Option gleich mit an. Sie reichen das Geld dann weiter an Klimaschutzprojekte - etwa für den Bau von Solarparks im Senegal oder Wasserkraftwerken in Honduras.
So verspricht etwa der Autovermieter Finn, dass man mit seinem Angebot „Mobilität ohne schlechtes Gewissen“ buchen kann. Hier haben Kunden gar keine Wahl: Wer bei Finn ein Abonnement für ein Fahrzeug abschließt, zahlt die CO2-Kompensation gleich mit.
Einen sechsstelligen Betrag gibt Finn dafür nach eigenen Angaben pro Jahr aus. Für jeden der rund 15.000 Kunden in Deutschland wird dies in die Abo-Gebühr eingepreist.
„Im Privatkundenbereich sehen wir, dass es für die Wenigsten das wichtigste Auswahlkriterium für Finn ist“, sagt Sophia Kremer vom Fahrzeugverleiher. Aber im Geschäftskundenbereich gehe der Trend dorthin. Denn: Wenn ein Unternehmen CO2-neutral sein möchte, ist Mobilität oft eines der größten Probleme.
Firmen kooperieren mit Dienstleistern
Auch der Fernbus-Anbieter Flixbus bietet seinen Kunden an, den Treibhausgas-Ausstoß ihrer Reise zu kompensieren. „Unsere Fahrgäste können während des Buchungsvorganges mit einem Klick angeben, ob sie ihre Fahrt kompensieren möchten. Berechnet wird der Betrag dann anhand der Distanz der Reise. Das beläuft sich dann in der Regel auf etwa ein bis drei Prozent des ursprünglichen Reisepreises“, so die Pressesprecherin.
Um die Kompensation kümmert sich Flixbus - wie viele Unternehmen - aber nicht selbst. Das erledigt ein Dienstleister. In diesem Fall die gemeinnützige GmbH Atmosfair.
Klimakompensation Was Labels wie "klimaneutral" oder "CO2-neutral" wirklich bedeuten
Viele Hersteller bezeichnen ihre Produkte gerne als klimaneutral oder CO2-neutral. Aber sind sie tatsächlich auch gut für die Umwelt?
Bei Atmosfair können sowohl Firmen, als auch Privatleute ihr schlechtes Gewissen entlasten und direkt für Kompensationsprojekte spenden, erklärt Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen.
Zum Beispiel in Madagaskar. „Das ist eines der ärmsten Länder der Welt und große Teile des Landes sind noch nicht elektrifiziert.“ Atmosfair baue dort Solaranlagen auf, sagt Brockhagen. Das Risiko trage die gGmbH selbst.
Ein anderes Projekt seien spezielle Herde in Nigeria, so Brockhagen. „Im ländlichen Raum weltweit in Entwicklungsländern haben ungefähr 60 bis 80 Prozent der Menschen als Primärenergiequelle Holz. Die haben dann vor der Hütte drei Steine liegen, verbrennen Holz und stellen einen Topf drauf. Unsere Herde helfen da, indem sie 80 bis 90 Prozent weniger Holz verbrauchen.“
Kritik am Kompensieren von Emissionen
Es gibt aber auch immer wieder Kritik an den Kompensations-Strategien und Dienstleistern. Zum Beispiel hat die Stiftung Warentest herausgefunden, dass einige Kompensations-Projekte unter Umständen nicht wirklich die verursachte Menge Treibhausgas ausgleichen können. Vor allem wenn Bäume gepflanzt werden, die CO2 binden sollen, muss gewährleistet sein, dass die Bäume tatsächlich stehen bleiben und sie nicht doch gefällt werden.
Bei vertrauenswürdigen Portalen ist eine solche Qualitätskontrolle genau beschrieben und gegebenenfalls auch zertifiziert. Bekannte Prädikate sind der Gold Standard oder der Clean Development Mechanism.
Letztlich raten vor allem Umweltverbände aber immer noch zur Regel: Vermeiden, verringern und dann erst kompensieren. Denn die beste Tonne CO2 ist die, die erst gar nicht ausgestoßen wird.