Verbraucherrechte

Flug verspätet oder ausgefallen: Welche Entschädigungen stehen Reisenden zu?

Stand
Autor/in
Tamara Land
Tamara Land, SWR Wirtschaftsredaktion
Christopher Jähnert
Sola Hülsewig
Onlinefassung
Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.
Silja Kopp

Ob Wetter oder Streik, bei erheblicher Verspätung oder wenn Flüge ausfallen: Reisende haben klar definierte Fluggastrechte. Wann genau stehen Fluggästen welche Entschädigungen zu?

Immer wieder kommt es zu Problemen im Flugverkehr und am Flughafen - zum Beispiel bei Streiks oder bei technischen Schwierigkeiten oder wenn das Wetter einen sicheren Flugverkehr nicht zulässt. Ist das ein Fall für eine Entschädigung? Und wenn ich am Flughafen festsitze, aber eigentlich arbeiten müsste, was dann?

Wie Reisende vorgehen sollten, wenn Flüge ausfallen oder auch aufgrund von langen Wartezeiten verpasst werden.

Wenn schlechtes Wetter Fliegen unmöglich macht

Grundsätzlich hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer das Wegerisiko. Jeder muss sicherstellen, dass er pünktlich auf der Arbeit erscheinen kann. Kommt man zu spät oder gar nicht, hat man normalerweise keinen Anspruch auf Arbeitslohn für diese Zeit.

Trifft einen aber keine Schuld, wenn zum Beispiel der Flieger im Urlaubsland wegen schlechten Wetters nicht abheben kann, dann kann es für Beschäftigte Ausnahmen geben. Insbesondere wenn es sich um eine "vorübergehende Verhinderung" und "eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" handelt. Dann kann man weiter Arbeitslohn bekommen. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 616.

Arbeitnehmer muss bei Verspätungen im Betrieb Bescheid geben

Unbedingt sollte man seinen Arbeitgeber darüber informieren, dass man im Urlaubsland festsitzt und erst verspätet wieder zur Arbeit erscheint. Auch muss man sich um Alternativen bemühen, um nach Hause zu kommen - etwa per Bahn oder Mietwagen, sofern das möglich ist.

Wenn man nicht zur Arbeit erscheint, kann man theoretisch eine Abmahnung bekommen, zum Beispiel wenn man selbst an der Verspätung Schuld ist. Auch ist im Extremfall eine Kündigung denkbar, aber hier kommt es auf den Einzelfall an. Das wird dann meist vor einem Arbeitsgericht entschieden.

Protestaktion am Flughafen - welche Rechte haben Reisende?

Grundsätzlich ist es so: Wenn ein Flug mehr als drei Stunden verspätet ist, hat man Anspruch auf eine pauschale Entschädigungszahlung. Allerdings gilt das nur, wenn die Airline schuld an der Verspätung ist. Sonst kann sie sich auf außergewöhnliche Umstände berufen oder auf höhere Gewalt.

Das gilt zum Beispiel bei Unwettern und wahrscheinlich ist es auch ein außergewöhnlicher Umstand, wenn Aktivistinnen und Aktivisten den Flughafen blockieren. Fluggastrechte-Portale wie Airhelp oder Flightright gehen davon aus, dass es in solchen Fällen keine pauschale Entschädigung gibt. Trotzdem muss sich die Airline um die Fluggäste und deren weitere Reise kümmern.

Wenn der Flug gestrichen wird: Wie kommen Reisende ans Ziel?

Wenn die Airline einen Flug streicht, haben die Passagiere grundsätzlich Anspruch auf Ersatzbeförderung. Geregelt wird das durch die EU-Richtlinie 261/04. Die Fluggesellschaften sind dazu verpflichtet, den Kundinnen und Kunden ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Bei Flügen innerhalb Deutschlands können die Unternehmen auch vorschlagen, anstelle des Flugzeugs mit Bus oder Bahn zu reisen.

Die Kundinnen und Kunden sind allerdings nicht verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen. Wer unter den neuen Umständen lieber nicht verreisen will, kann auf den Flug einfach verzichten und sich das Geld dafür erstatten lassen. Das Geld muss von der Fluglinie innerhalb von sieben Tagen zurücküberwiesen werden.

Verspätung: Welche Rechte haben Fluggäste?

Ab einer gewissen Flugverspätung stehen dem Fluggast sogenannte Betreuungsleistungen zu. Darunter fallen Verpflegung sowie die Möglichkeit zu zwei Telefonaten oder E-Mails. Um sich das Geld für zum Beispiel gekaufte Getränke in der Wartezeit erstatten zu lassen, müssen Fluggäste die Belege allerdings aufheben und danach per Mail oder postalisch einreichen.

Wer jetzt allerdings denkt, auf Kosten der Airline einen Aperol Spritz am Flughafen genießen zu können, liegt falsch. Nach dem Urteil des Amtsgerichts Hannover zählen alkoholische Getränke nicht zu den erstattungsfähigen Erfrischungsgetränken.

Gelb-silbernes Flugticket liegt auf einem grauen Untergrund.

Wenn der Flug auf den darauf folgenden Tag verschoben wird, muss die Airline auch die Hotelübernachtung und den Transfer dorthin und zurück zum Flughafen übernehmen. Wie viel der Flug gekostet hat, spielt dabei keine Rolle. Auch müssen Airlines nach der EU-Verordnung besonders auf die Bedürfnisse von beispielsweise Personen mit eingeschränkter Mobilität achten.

VerspätungAnsprüche
Ab 2 Stunden Abflugverspätung (Kurzstrecke)Die Airline muss kostenfrei Getränke und Snacks anbieten.
Ab 3 Stunden Abflugverspätung (Mittelstrecke)Passagiere haben Anspruch auf Getränke und Snacks.
Ab 4 Stunden Abflugverspätung (Langstrecke)Die Airline muss kostenfrei Getränke und Snacks anbieten.
Ab 5 Stunden Abflugverspätung (alle Strecken)Reisende können vom Flug zurücktreten. Die Airline muss die Ticketkosten erstatten.
Abflug am nächsten TagPassagiere haben Anspruch auf eine Hotelübernachtung inklusive Hin- und Rückfahrt zum Flughafen.

Wann hat man Anspruch auf eine Entschädigung?

Kommt ein Flug mehr als drei Stunden verspätet am Zielort an oder fällt sogar ganz aus, können Kundinnen und Kunden in der EU über die Versorgungsleistungen hinaus noch Ansprüche auf Entschädigung haben: je nach Strecke und Dauer der Verspätung bis zu 600 Euro. Diese Regel der EU-Fluggastverordnung greift allerdings nur, wenn der Auslöser für die Panne in den Risikobereich der Airline fällt.

Im Fall eines Warnstreiks außerhalb der Airline ist das sehr unwahrscheinlich. Wenn die Streiks von Sicherheitskräften ausgehen, also externen Dienstleistern, auf die die Airlines keinen Einfluss haben, dürften betroffene Passagiere an dieser Stelle leer ausgehen. Mögliche Ansprüche können laut Verbraucherzentrale gegenüber dem Staat geltend gemacht werden. Die Organisation rät, sich dafür an einen Rechtsanwalt zu wenden.

Im Falle einer IT-Panne ist die Sache nicht ganz so klar. Die Airline könnte versuchen, sich bei den Problemen auf höhere Gewalt zu berufen. Wer sich damit nicht abfinden möchte, sollte die Annullierung genau dokumentieren und sich rechtlichen Beistand holen.

Wichtig: Ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bei einer Flugverspätung ist nur dann gegeben, wenn man am Flughafen zur ursprünglichen Zeit erschienen ist. Zumindest hat das Amtsgericht Köln das gemäß Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung (VO) so entschieden. Weiß man schon im Voraus über die Verspätung Bescheid und erscheint somit nicht zur ursprünglichen Uhrzeit am Flughafen, sondern erst später, verliert man unter Umständen den Anspruch auf Entschädigung.

Abflug vorverlegt: Welche Rechte hat der Fluggast?

Nach einer Entscheidung des Europäische Gerichtshof vom Dezember 2021 ist die Vorverlegung eines Flugs von mehr als einer Stunde einer Annullierung des Flugs gleichzusetzen. Die Fluggesellschaft ist dann zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet.

Entschädigungen in folgender Höhe können Ihnen bei Flugannullierung oder Verspätung von mehr als drei Stunden zustehen:

  • Flüge mit einer Flugstrecke bis 1.500 km: 250 Euro
  • Flüge mit einer Flugstrecke ab 1.500 km bis 3.500 km: 400 Euro
  • Flüge mit einer Flugstrecke ab 3.500 km: 600 Euro
Auf einer Grafik stehen die Entschädigungssummen, die Flugreisenden ab drei Stunden Verspätung zustehen. Bei Kurzstrecken sind es 250 Euro, bei Mittelstrecken 400 Euro und bei Langstrecken 600 Euro.
Je nach Fluglänge stehen den Fluggästen unterschiedlich hohe Entschädigungen zu.

Übrigens: Fällt auch der Ersatzflug aus oder ist er um mehr als drei Stunden verspätet, ergeben sich auch hieraus im Prinzip Schadensersatzansprüche. So ist es theoretisch möglich, für einen ausgefallenen Ersatzflug zum zweiten Mal eine Entschädigung zu erhalten. Denn auch die Annullierung von Ersatzflügen verursacht erhebliche Unannehmlichkeiten.

Fluggäste häufig von Ausfällen betroffen

Laut einer Studie des Portals AirHelp sind im vergangenen Winter an deutschen Flughäfen viele Flüge verspätet abgehoben oder gar nicht gestartet. Im Zeitraum zwischen November 2023 und Februar 2024 seien 30,6 Prozent der Passagiere betroffen gewesen. Der Monat mit den meisten Problemen war demnach mit 39,7 Prozent betroffener Passagiere der Dezember. Im Vergleich zum Winter 2022/2023 zeigten sich die Zahlen laut Airhelp dennoch leicht verbessert.

"Wichtig ist für Reisende, dass sie genau die Reiseumstände dokumentieren. Beispielsweise bei Verspätungen die Zeit der Verspätung zu erfassen und sich dann im ersten Schritt an die Fluggesellschaft zu wenden. Wenn das nicht möglich ist, kann in einem zweiten Schritt die Schlichtungsstelle angerufen werden - beispielsweise über das Online-Formular der SöP."

Mehr Infos dazu, auf welchem Weg Sie Entschädigungen erhalten, gibt es hier:

Ärger beim Fliegen Entschädigung bei Flugausfall: Wie Reisende ihr Geld zurückbekommen

Wann müssen Fluggesellschaften Entschädigung zahlen? Was gilt, wenn ich durch lange Sicherheitskontrollen meinen Flug verpasse? Was Sie tun müssen, um wieder an Ihr Geld zu kommen.

Was gilt bei Pauschalreisen?

Es werden rechtlich keine Unterscheidungen zwischen Individual- und Pauschalreisen vorgenommen - die EU-Verordnung zählt für beide. Allerdings können Pauschalreisende zusätzlich den Gesamt-Reisepreis der Pauschalreise mindern und so bis zu 50 Prozent ihrer Kosten zurückerstattet bekommen.

Aber Vorsicht, denn die Ansprüche Pauschalreisender können gegeneinander aufgerechnet werden. Steht einem Passagier beispielsweise neben einer Pauschalpreisentschädigung über 200 Euro auch eine Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung in Höhe von 400 Euro zu, erhält dieser lediglich eine Schadensersatzzahlung von insgesamt 400 Euro - und nicht wie häufig angenommen von insgesamt 600 Euro.

Anders verhält es sich, wenn die Ansprüche aus der Pauschalpreisminderung die Ansprüche aus der EU-Verordnung übertreffen. Dann erhält der Betroffene die volle Pauschalpreisminderung, seine Ansprüche aus der EU-Verordnung erlöschen jedoch.

Es gibt Streik: Was sollte man vor dem Flug tun?

Zunächst sollte man klären, ob der Flug von Verspätung oder Ausfall betroffen ist. Normalerweise sollten die Fluggesellschaften selbst auf ihre Kundinnen und Kunden zugehen und sie über mögliche Probleme informieren.

Wenn das nicht geschieht, ist es ratsam, die Airline zu kontaktieren oder auf der Homepage des Flughafens nach Informationen zu suchen. Wenn dort hinterlegt ist, dass der Flug gestrichen wurde, sollte das durch ein Foto dokumentiert werden. In diesem Fall kann man sich den Weg zum Flughafen auch sparen.

Viele Airports bitten Fluggäste von annullierten Flügen explizit darum, nicht zum Flughafen zu kommen, um das dortige Chaos nicht zusätzlich zu vergrößern.

Fazit: Diese Rechte haben Reisende

Passagieren stehen laut EU-Recht bei Flugannullierungen und erheblichen Verspätungen ab drei Stunden Ersatzansprüche zu. So können Betroffene in vielen Fällen Schadensersatzansprüche bis zu 600 Euro geltend machen - unabhängig davon, ob es sich um eine Pauschal- oder Individualreise handelt und wie viel das Flugticket tatsächlich gekostet hat. Bei Warnstreiks von Personal, das nicht der Fluglinie zuzurechnen ist, sind solche Ansprüche aber höchst fragwürdig.

Ebenso sind Betreuungsleistungen seitens der Airlines verpflichtend. Pauschalreisende können darüber hinaus auch eine Reisepreisminderung verlangen, die aber gegen Entschädigungsansprüche gemäß Fluggastrechteverordnung aufgerechnet wird.

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