Wenn Arztpraxen keine Nachfolge finden, springen oft Investoren ein: Sie übernehmen das Geschäftliche, die Mediziner sind angestellt. Die Folgen für die Patienten sind umstritten.
Ständig neue Vorschriften, Bürokratie, Überstunden, Dauerstress: Eine Praxis in Eigenverantwortung zu führen, das wollen immer weniger Ärztinnen und Ärzte. Auch gut laufende Praxen finden keine Nachfolge.
Manchmal erschwert auch noch die Lage der Praxis einen Wechsel, da junge Mediziner oft nicht in ländliche Gebiete ziehen möchten. Es trifft aber auch immer mehr Praxen in Vororten oder Stadtzentren.
Im MVZ wird zwischen Geschäft und Medizin getrennt
Daraus hat sich ein Geschäftsmodell entwickelt: Kommerzielle Ketten kaufen Praxen auf, übernehmen Geschäftsführung und Verwaltung, und die Ärzte arbeiten als Angestellte. Die Organisationsform dieses Unternehmens nennt sich dann "Medizinisches Versorgungszentrum" (MVZ).
Der Vorteil: Die Mediziner können sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
Viele Arztpraxen finden keine Nachfolger
Im medizinischen Versorgungszentrum am Mannheimer Wasserturm scheint dieses Konzept voll aufzugehen. Dort arbeitet der Mediziner Claus Burger. Er hat vor 40 Jahren mit seiner Frau in Mannheim eine Praxis gegründet. Auch Burgers Vater war Arzt. Deshalb stand sein Berufswunsch schon früh fest.
Mit 65 Jahren wollte Claus Burger seine Praxis gerne in jüngere Hände übergeben. Doch der Facharzt für innere Medizin stellte fest, dass sich die Praxislandschaft drastisch verändert hat - weg vom Arzt als Einzelkämpfer, hin zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ).
Als Hausarzt angestellt in der ehemaligen eigenen Praxis
Bei einem Seminar zum Thema Praxis-Übergabe wurde der Hausarzt auf den Praxisverbund Zero aus Schwetzingen aufmerksam. Mehr als 30 Arztpraxen und Dialysezentren aus dem Rhein-Neckar-Raum sind in dem Verbund zusammengeschlossen. Über 500 Menschen arbeiten inzwischen bei dem ambulanten Versorger.
Auch Claus Burger verkaufte vor drei Jahren an den Praxisverbund Zero und arbeitet seitdem als angestellter Arzt in der ehemals eigenen Praxis, die zu einem MVZ wurde.
Profit mit Gesundheit: Immer mehr Investoren im Gesundheitssektor
Bundesweit gibt es mittlerweile wohl fast 4.500 medizinische Versorgungszentren. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zählte 2021 etwa 4.100 MVZ und die dazugehörige Kurve ging steil nach oben. Ihre starke Verbreitung gefällt nicht allen.
Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender im Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, sieht das Risiko, dass aus Gesundheit immer mehr ein Geschäft gemacht wird.
Risiko bei Bündelung von Arztpraxen: Versorgung in Gefahr
Eine andere Gefahr sieht Gerhard Schick, Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft "Finanzwende Recherche". Der promovierte Ökonom findet es riskant, wenn private Investoren Hunderte von Arztpraxen besitzen und somit eine Bündelung entsteht.
Denn falls ein Unternehmen pleite gehe, das in einer Region großflächig Praxen aufgekauft habe, könne es zu Problemen bei der Versorgung kommen, meint Schick.
Entstehen durch Investoren in der Medizin monopolartige Strukturen?
Nach Recherchen des NDR waren 2022 in mehreren Städten und Landkreisen bereits monopolartige Strukturen entstanden. In Kiel würde mehr als die Hälfte aller ambulanten Augenärzte für das Kliniknetzwerk "Sanoptis" arbeiten.
Diese Kette gehörte dem britischen Private-Equity-Investor Telemos Capital und wurde im Mai 2022 vom belgischen Investmenthaus Groupe Bruxelles Lambert (GBL) übernommen.
Augenarzt-Kette Sanoptis warnt vor Attacke auf Finanzinvestoren
Im Mai 2023 schrieb das Fachmagazin "Börsen-Zeitung", dass Sanoptis an 300 Standorten mit rund 600 Ärzten und insgesamt 3.000 Beschäftigten agiert, die 2,25 Millionen Behandlungen durchführten.
Der Chef der Augenarzt-Kette Sanoptis, Volker Wendel, reagierte alarmiert auf Pläne des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, Private Equity aus medizinischen Versorgungszentren zu verbannen. Eine rein politisch motivierte Verknappung der Leistungserbringer sei gegen die Interessen der Patienten, so Wendel.
Patienten haben neue Praxis im Verbund gut angenommen
Der Praxisverbund Zero aus Schwetzingen sagt von sich, es anders zu machen. Der Praxen-Verbund werde von Ärzten geleitet, für die mehr Idealismus im Vordergrund stehe und nicht der Profit.
Hausarzt Claus Burger hat seine Entscheidung nie bereut. Er musste seine Praxis in Mannheim nicht schließen. Die Patienten haben das sehr gut angenommen, sagt der inzwischen 71-Jährige, der selbst noch dreimal pro Woche in Teilzeit praktiziert.
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