Patientenrechte

Gesetzliche Krankenkasse: Jetzt wechseln?

Stand
Autor/in
Martin Küstermann
Onlinefassung
Sola Hülsewig

Wie gehe ich vor, wenn meine Krankenkasse eine Behandlung nicht übernehmen will? Wann lohnt sich der Wechsel – auch wegen steigender Kosten?

Was tun, wenn die Krankenkasse eine Behandlung nicht zahlen will?
Krankenkasse zahlt nicht: Ist ein Wechsel sinnvoll?
Antrag auf Kostenübernahme: Wie gehe ich vor?
Steigende Zusatzbeiträge: Jetzt die gesetzliche Krankenkasse wechseln?

Chronische Beschwerden, Krankenkasse zahlt nicht

Immer wieder kommt es vor, dass Krankenkassen die Kostenübernahme für eine bestimmte Behandlung verweigern. So erging es auch einer Marktcheck-Zuschauerin. Sie leidet unter ständigen Schmerzen, verursacht durch ihre übergroße Brust. Durch das hohe Gewicht von mehr als drei Kilogramm hat sie laut ärztlichen Befunden chronische Beschwerden.

Dass die Schmerzen vom Gewicht der Brust kommen, bescheinigen der zweifachen Mutter mehrere Ärzte. Die Mediziner empfehlen daher eine Reduktionsplastik, also eine Brustverkleinerung, denn die konservativen Therapiemöglichkeiten seien ausgeschöpft.

Brustverkleinerung: Krankenkasse lehnt Kostenübernahme ab

Die Frau wendet sich an ihre Krankenkasse, die Barmer. Mehrfach stellt sie einen Antrag auf Kostenerstattung für die Operation, legt die Einschätzungen der Ärzte vor und schildert ausführlich ihre Lage. Doch jedes Mal wird die Maßnahme auf Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes abgelehnt. Eine der Begründungen lautet, es gebe keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen einer schweren Brust und Rückenschmerzen.

Fälle, bei denen die Krankenkassen trotz Beschwerden und ärztlicher Gutachten Leistungen ablehnen, kennt Rechtsexperte Stefan Geisler vom Sozialverband VdK zu Genüge. Ihn stört, wie mit Betroffenen in solchen Fällen umgegangen wird:

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Frauen grundsätzlich unterstellt wird, dass sie aus rein ästhetischen Gründen eine Brustverkleinerung haben wollen. Die Betroffenen fühlen sich unverstanden. Sie fühlen sich als Lügnerinnen abgestempelt und sie haben das Gefühl, dass sie mit ihren Schmerzen und ihrem Leiden nicht ernst genommen werden."

Große Brust als Ursache von Rückenschmerzen

Im oben beschriebenen Fall beruft sich der Medizinische Dienst auf mehr als 20 Jahre alte Gerichtsentscheidungen. Es gebe inzwischen aber neue Urteile und wissenschaftliche Erkenntnisse, so Stefan Geisler: „Es gab eine Meta-Studie, die ist erschienen im Jahr 2015 und auch in der einschlägigen Literatur veröffentlicht worden, wonach durchaus ein Zusammenhang besteht zwischen übergroßen Brüsten und Schmerzen und orthopädischen Leiden.“

Wir fragen bei der Barmer nach. Dort beruft man sich auf den Medizinischen Dienst und schreibt uns:

Laut MD-Gutachten (…) gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße belegen. (..) Durch die Brust werden keine Körperfunktionen beeinträchtigt, außerdem wirkt die Brustgröße nicht entstellend.

Krankenkasse zahlt nicht – Wechsel sinnvoll?

Für die betroffene Frau bleiben leider kaum andere Möglichkeiten, als vor Gericht zu gehen, sagt Rechtsexpertin Barbara Sternberger-Frey. Auch ein Wechsel der Krankenkasse bringe vermutlich nichts. Zwar werden keine Unterlagen zwischen den Kassen weitergereicht, die neue Kasse lässt den Fall jedoch vermutlich erneut durch den Medizinischen Dienst prüfen – und dort liegt bereits das bestehende Gutachten.

Die Rechtsexpertin empfiehlt deshalb, es möglichst nicht so weit kommen zu lassen, dass ein Fall sich dermaßen festfahre.

Kostenübernahme durch Krankenkasse: Wie vorgehen?

Wer eine Behandlung benötigt, von der noch nicht ganz klar ist, ob die Krankenkasse sie zahlt, sollte zunächst in der Satzung nachschauen, ob sie da aufgeführt ist. Die Satzungsleistungen unterscheiden sich teils stark bei den verschiedenen Krankenkassen – eventuell lohnt sich zu diesem Zeitpunkt der Wechsel zu einer anderen Krankenkasse, die die jeweilige Leistung eher bereit ist, zu übernehmen.

Wenn dann der Antrag auf Kostenübernahme gestellt wird, sollte gut begründet werden, dass die Behandlung medizinisch notwendig ist. Auch hier schon deutlich zu machen, dass die Kasse längerfristig Kosten spart, wenn sie die Behandlung übernimmt – da Folgekosten einer schlechteren Gesundheit aufgrund der unterlassenen Behandlung wegfallen – ist sinnvoll. Möglicherweise schon hier, spätestens aber, wenn eine Ablehnung durch die Kasse erfolgt und man Widerspruch einlegt, sollte man sich Hilfe holen: zum Beispiel bei Sozialverbänden wie beispielsweise VdK oder SoVD, der Unabhängigen Patientenberatung oder auch den Verbraucherzentralen.

Zusatzbeiträge: Wann lohnt sich ein Wechsel der Krankenkasse?

Auch die steigenden Kosten können einen Krankenkassen-Wechseln sinnvoll erscheinen lassen. In der gesetzlichen Krankenversicherung sollen die Zusatzbeiträge 2025 um durchschnittlich 0,8 Prozentpunkte steigen. Eine so große Erhöhung gab es noch nie! Und die macht sich im Geldbeutel  deutlich bemerkbar: Bei einer Angestellten, die monatlich 4.000 Euro brutto verdient, würde der Arbeitnehmeranteil im Jahr um 200 Euro steigen.

Über die Zusatzbeiträge können die Krankenkassen frei entscheiden – er fällt daher von Kasse zu Kasse unterschiedlich aus. Wer über einen Wechsel nachdenkt, sollte jedoch nicht nur auf die Höhe der Beiträge schauen, sondern auch die Zusatzleistungen (Satzungsleistungen) vergleichen, da es hier große Unterschiede gibt. Der Gesamtverband der Krankenkassen bietet hier eine Übersicht über alle gesetzlichen Kassen, inklusive der Höhe des jeweiligen Zusatzbeitrags.

Lesen Sie hier, für wen ein Wechsel zu einer anderen Krankenkasse sinnvoll sein kann:

Rheinland-Pfalz

Höhere Beiträge bei Krankenversicherung 2025 Gesetzliche Krankenkasse - wann sich ein Wechsel lohnt

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen 2025 deutlich. Viele Versicherte erwägen einen Wechsel der Krankenkasse. Das lohnt sich aber nur in bestimmten Fällen.

Aktuell um 12 SWR1 Rheinland-Pfalz

Informationen rund um die neue elektronische Patientenakte (ePA) können Sie hier nachlesen:

Rheinland-Pfalz

Digitale Gesundheitsvorsorge Das müssen Sie über die elektronische Patientenakte wissen

Ab dem 15. Januar wird die elektronische Patientenakte eingeführt. Sie soll die Behandlung im Krankheits- oder Notfall entscheidend verbessern.

Mehr zu Krankenkassen

Abrechnungsbetrug bei Ärzten Kassieren Ärzte mit erfundenen Diagnosen? 

Wie Ärzte mit erfundenen Diagnosen bei den Krankenkassen abkassieren können und wie Sie sich davor schützen, erklärt Moritz Hartnagel von SWR Marktcheck.

Der Vormittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Gehen Deutsche zu oft zum Arzt? TK-Chef: „Auf die Versicherten kommt ein Beitragsschock zu"

Die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung könnten nächstes Jahr steigen. Der Chef der größten Krankenkasse sieht die Verantwortung auch bei den Versicherten selbst.

Rheinland-Pfalz

Betrifft Selbstständige und Freiberufler Versicherte kämpfen gegen "unfaire" Krankenkassenforderung

Freiberufler und Selbstständige müssen jedes Jahr ihre Einkommensbescheide bei der Krankenkasse einreichen. Wer das versäumt, zahlt den Höchstsatz - unabhängig vom Einkommen.

Zur Sache Rheinland-Pfalz! SWR Fernsehen RP

Stand
Autor/in
Martin Küstermann
Onlinefassung
Sola Hülsewig