Wie schnell sich das Klima verändert, ist unklar. Das macht die Zukunftsplanung für Skigebiete schwierig. Für weiteren Skibetrieb - wie auch für Alternativangebote braucht es Geld.
Skigebiete trifft der Klimawandel früher oder später besonders direkt: Ihr Geschäftsmodell hängt von Schnee und Kälte ab, vom Wintererlebnis, und damit von der Erderwärmung. Wie schnell es damit gehen könnte, dazu gibt es viele Vorausberechnungen und Szenarien. Aber für jede Region und jedes Skigebiet bleibt die Unsicherheit, wann es wirklich zu warm sein wird.
Wie schnell wird es zu warm zum Skifahren in Deutschland?
Je höher ein Skigebiet liegt, desto mehr Schnee sollte auch in Zukunft vorhanden sein. Eine kritische Grenze liegt aus Sicht vieler Forscher bei ungefähr 1.500 Metern. Gebiete, die tiefer liegen, werden zunehmend Schwierigkeiten haben, verlässlich genügend Naturschnee zu bekommen. Das trifft besonders die Mittelgebirge in Deutschland: Zum Beispiel den Feldberg im Schwarzwald mit seinem höchsten Gipfel um 1.493 Meter - oder den Arber im Bayerischen Wald mit maximal 1.455 Meter Höhe.
Mehr über die Herausforderungen, vor denen gerade deutsche Skigebiete stehen und den schwierigen Spagat zwischen Tradition und Zukunft, hören Sie hier in unserem Podcast Plusminus. In dieser Folge geht es um die Frage, wie lange Skitourimus in Deutschland noch Zukunft hat. Die überraschende Antwort von Anna Planken, David Ahlf und dem Plusminus-Podcast-Team: Vielleicht noch einige Zeit länger, als viele denken.
Experten: Skigebiete unterhalb von 1.500 Metern mit höherem Risiko
Wen trifft es also zuerst? Dazu forscht unter anderem das Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft in Graz, LIFE. Es nimmt aber mehr Faktoren in den Blick als nur die Höhe der Skigebiete. LIFE-Direktor Franz Prettenthaler sieht in Deutschland die Mittelgebirge im Westen am stärksten gefährdet. Hier erwartet er, dass bei zwei Grad Erderwärmung um die 90 Prozent der Skigebiete nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten. Als nächstes kommen die Mittelgebirge im Osten. Und das geringste Risiko haben bei uns die Skigebiete in den bayerischen Alpen. Dort müssen sich, so Prettenthaler im Gespräch mit dem SWR, etwa ein Viertel der Skigebiete Sorgen machen. Zum Vergleich: In Österreich wären nur drei Prozent der Skigebiete betroffen.
Viele Skigebiete zum Überleben auf Beschneiung angewiesen
Auch in Skigebieten in höheren Lagen fällt nicht immer genug echter Naturschnee. Daher haben die Forscher in ihren Berechnungen bereits Kunstschnee berücksichtigt, also eine technische Beschneiung. Die Frage ist aber: Lohnt es sich wirtschaftlich, ein Skigebiet damit am Leben zu halten? Wie viele Schneekanonen kann ich kaufen und betreiben? Wie viel Geld investiere ich, um zumindest eine gewisse Schneesicherheit zu erreichen?
Der Aufwand für die Beschneiung eines Skigebiets ist enorm. Es braucht Wasserspeicher, Rohre und Pumpen, und natürlich auch Schneekanonen und Schneelanzen. Gleichzeitig muss die Luft kalt genug sein und die richtige Luftfeuchtigkeit haben. Am besten funktioniert künstliches Beschneien bei etwa minus zwei Grad oder darunter. Es wird mit modernsten Messmethoden und Software gearbeitet - sogenannten Schneemanagement Systemen.
Finanzielle Abwägung: Mehr Schneetage versus Investitionskosten
Die Frage, die sich jedes Skigebiet beantworten muss: Wie hoch darf der Preis sein, um ein Mindestangebot an Skitagen zu erreichen? Eine einzelne Schneekanone kann in etwa so viel kosten wie ein Mittelklasse-Kombi. Meistens werden aber direkt mehrere Kanonen gebraucht. Dann kommt die Technik drumherum: Eine Schätzung des Schweizer Seilbahnenverbands kommt - alles in allem - auf mögliche Kosten von umgerechnet bis zu rund einer Million Euro - pro Kilometer Piste.
Viele Skigebiete in Deutschlands Nachbarländern haben schon Geld dafür ausgegeben. In den weniger gefährdeten Alpen in Italien werden 90 Prozent der Pisten beschneit, in Österreich 75 Prozent. In den deutschen Alpen sind wir da bisher noch zurückhaltender: Hier werden 25 Prozent der Pisten beschneit.
Ein Skifahrer bringt so viel Geld wie drei Wanderer
Sinn und Zweck hinter einer Beschneiung ist es, die Zahl der Schneetage zu erhöhen - und damit auch die Zahl der Tage, an denen besonders viel Geld im Tourismus verdient wird. Am Feldberg entfallen in einem guten Winter etwa 90 Prozent des Jahresumsatzes auf die Wintersaison. Das Verhältnis ist in vielen Skigebieten vergleichbar, denn Touristen zahlen nicht nur die Liftkarte, sondern leihen oder kaufen Ausrüstung, buchen einen Skikurs und kehren in den Restaurants ein. Eine Faustformel von Tourismusforschern lautet: Ein Skifahrer bringt in etwa dreimal so viel Wertschöpfung wie ein Wanderer. Am Feldberg rechnet man sogar mit vier- bis fünfmal so viel. Der Skibetrieb ist für Wintersportorte also eine besonders wichtige Einnahmequelle.
Schneekanonen kosten viel Energie
Für viele Skigebiete ist das Beschneien also existenzsichernd. Mit dem Anschaffen von Schneekanonen ist es allerdings nicht getan, sie brauchen auch Energie. Alle Skigebiete in den Alpen zusammengenommen brauchen pro Saison für ihre Beschneiung so viel Energie wie eine halbe Million Haushalte pro Jahr. Neben der Energie ist für die Beschneiung auch eine ganze Menge Wasser nötig. Skigebiete erklären das als Kreislauf: Wenn der Schnee schmilzt, läuft das Wasser von der Piste in einen Beschneiungs-Teich und kommt im Winter wieder auf die Piste. Wasserexperten verweisen allerdings zum Beispiel darauf, dass auch Wasser verdunstet usw.
Sorgen um den Wasser-Haushalt in den Alpen insgesamt müssen wir uns nicht machen, erklärt die Hydrologin Manuela Brunner vom WSL Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos. Lokal sei aber eine gute Abstimmung wichtig, um Konflikte zu vermeiden, etwa zwischen Skigebieten und Landwirtschaft.
Was es konkret kostet, eine Piste zu beschneien, hängt unter anderem von der Lage des Skigebiets ab, vom Wetter und den verwendeten Geräten. Allgemeingültige Zahlen gibt es nicht, aber man kann das grob schätzen: Für einen Kilometer Piste können einige zehntausend Euro anfallen, aber auch an die 100.000 Euro und mehr. Bei einem größeren Skigebiet können also auch Kosten im Millionenbereich dafür anfallen.
Beschneien ist teuer - für welches Skigebiet lohnt es sich?
Im Schwarzwald auf dem Feldberg sind die Verantwortlichen überzeugt, dass der Skibetrieb noch etliche Jahre Zukunft hat. Dafür wollen sie die Beschneiung verbessern. Zum Einen mit einem größeren Beschneiungsteich - damit man mehr Wasser für günstige Beschneiungs-Fenster parat hat, in denen mit möglichst wenig Ressourceneinsatz möglichst viel Schnee erzeugt werden kann. Außerdem ist ein Ziel, Lücken in der Beschneiung zu schließen, für bessere Übergänge an einigen Stellen zwischen Pisten und Liften. Geschätzte Kosten: rund 10 Millionen Euro.
Zum Anderen steht eine neue Ganzjahres-Bahn für Fußgänger und Skifahrer auf den zweithöchsten Gipfel im Schwarzwald, dem Seebuck, auf dem Wunschzettel - die heutige fährt im Winter mit Sesseln und im Sommer mit Kabinen. Geschätzte Kosten: 10 bis 15 Millionen Euro. Mit einer Landesförderung - wie es sie teils in anderen Bundesländern gibt - rechnet man hier nicht. Das bedeutet, dass also erst einmal vor Ort überlegt werden muss, wie es weiter geht, und welche Investitionen gestemmt werden können. An dem Skigebiet sind die Gemeinden Sankt Blasien, Feldberg und Todtnau beteiligt.
In vielen Skigebieten muss abgewogen werden, wie lange und mit welchem Aufwand der Skibetrieb noch laufen kann – und damit Einnahmen bringt, um auch Angebote mit zu finanzieren, die ohne Schnee funktionieren. Gleichzeitig waren die letzten Jahre mit Corona-Beschränkungen, Energiekrise und immer wieder zu wenig Schnee vielerorts für Skigebiete nicht leicht.
Nachhaltigkeit wird auch im Wintersport zunehmend wichtiger
Gemeinden, die weiter auf Schnee-Urlaub setzen wollen, versuchen außerdem, nachhaltiger zu werden: Sie setzen zum Beispiel auf Ökostrom, Phovoltaik, Wasserkraft. Ganz nach dem Prinzip: So haben wir früher auch angefangen. Tatsächlich hatte der erste Skilift der Welt - 1908 in Schollach im Schwarzwald - ein Mühlrad als Antrieb.
Im heutigen Energiemix wird auch Wasserkraft genutzt. Laut dem Verband deutscher Seilbahnen und Schlepplifte arbeiten viele Skigebiete schon mit 100 Prozent Ökostrom. Das gilt auch für das Skigebiet am Feldberg. Auch mit Beschneiungsteichen kann man - wenn auch begrenzt - Strom erzeugen. Oder auch Photovoltaik - das hält immer mehr Einzug in Skigebiete. Ein Beispiel ist Winterberg im Sauerland. Auch rund um die Lifte setzen viele Ski-Orte auf Nachhaltigkeit - von den klassischen Skibussen bis hin zu Sonderangeboten für Leute, die mit dem Zug anreisen.
Klimafußabdruck beim Skifahren: Skifahrer können selbst beitragen
Energie für Beschneiung, Energie für die Anreise - da kommt in einem Winterurlaub ein deutlicher ökologischer Fußabdruck zusammen. Darüber muss man reden, findet der Tourismusforscher Maximilian Witting, aber er sagt auch: Wenn wir das tun, müssen wir über unser Freizeitverhalten insgesamt sprechen. Denn auch Flugreisen und andere Aktivitäten verursachen einen CO2-Ausstoß und verbrauchen Ressourcen.
Jeder Winterurlauber könne auch selbst etwas beitragen, sagt Witting, denn beim Skiurlaub entfallen zwischen 50 und 80 Prozent des Klima-Fußabdrucks auf die Anreise. Zum Beispiel könne man eine Woche am Stück in den Skiurlaub gehen, statt mehrmals am Wochenende hinzufahren.
Deutsche Skifahrer sind preissensibel
Eine wichtige Frage bei all den Investitionen, die in Zukunft für die Schneesicherheit ausgegeben werden müssen: Wie teuer werden die Liftkarten? Bei den Preisen müssen gerade deutsche Skigebiete aufpassen - denn: In den Skigebieten in den deutschen Alpen zum Beispiel machen vor allem Deutsche Urlaub, die bei den Preisen sehr genau hinschauen, erklärt Tourismusforscher Witting. Am Feldberg soll der Tagesskipass in dieser Saison je nach Datum ab 39 Euro kosten. Vielerorts werden Skipässe diesen Winter teurer. Der ADAC hat dazu eine Übersicht veröffentlicht.
Und dann kommt dazu, dass sich die Leute offenbar auch immer weniger für das Skifahren interessieren. In einer Umfrage, was denn im Winterurlaub das wichtigste ist, haben viele Menschen gesagt: Winterwandern. Experten beobachten eine Verschiebung weg vom starken Fokus auf Wintersport. Das hat auch mit dem demographischen Wandel zu tun, erklärt Tourismusforscher Maximilian Witting im Gespräch mit dem SWR: Bei Babyboomern sieht er mit steigendem Alter die Frage, ob man körperlich noch fit genug ist zum Skifahren. Gleichzeitig komme weniger Nachwuchs nach: Es gebe zum Beispiel weniger Schulfreizeiten mit Ski. Viele Jugendliche, etwa mit Migrationsgeschichte, hätten keinen emotionalen Bezug zum Wintersport.
Zukunft der Wintersportgebiete - nicht nur eine Frage des Klimawandels
Das sich wandelnde Freizeitverhalten der Menschen ist eine weitere Unsicherheit, die Skigebiete einkalkulieren müssen. Das heißt aber auch: es macht doppelt Sinn, sich Strategien jenseits des Skifahrens einfallen zu lassen. Also Aktivitäten, die auch in einem Winter mit wenig oder ohne Schnee oder zu einer anderen Jahreszeit stattfinden können.
Alternativen zum klassischen Schneesport sind Wanderwege für Familien oder Rodeln. Auf einigen Bergen gibt es Mountainbike-Trails oder Hochseilgärten zum Klettern. Man kann auch auf dem einen oder anderen Gipfel Heiraten, im Trauzimmer am Berg - zum Beispiel im Feldbergturm mit Alpenblick. Was wo passt, ist aber sehr individuell. Am Feldberg muss bei Plänen für neue Attraktionen zum Beispiel immer auch geprüft werden, ob und wie sie mit dem Naturschutzgebiet vereinbar wären.
Insgesamt ist Sankt Blasiens Bürgermeister Adrian Probst aber nicht pessimistisch, was die Zukunft angeht:
Ein so tiefgreifender Wandel könne aber auch nicht von heute auf morgen mit der Brechstange gestaltet werden. "Wir können den Ast, auf dem wir heute sitzen, nicht einfach absägen, bevor eine funktionierende Alternative aufgebaut ist", sagt Probst.
Skigebiete müssen Alternativen zum Wintersport entwickeln
Dass solche Prozesse Zeit brauchen, schätzen auch Tourismusforscher so ein. Das Wintergeschäft wird sich nicht von heute auf morgen ersetzen lassen. Es ist einfach zu wichtig für die Orte, die teils eine lange Ski-Tradition haben und damit auch Identität. Eine Blaupause, die überall passt, gibt es nicht, sagt Tourismusforscher Maximilian Witting. Trotzdem sieht er für deutsche Skigebiete und Wintersportorte keine Alternative dazu, sich schnell neue Ideen als zusätzliches Standbein und irgendwann Ersatz für den Wintertourismus zu überlegen.
Denn bis das Ganze beim Gast ankomme, brauche es zum Teil bis zu zehn Jahre. Für die Skigebiete sei es also wichtig, langfristig in neue Richtungen zu planen und nicht erst, wenn es bereits wirtschaftliche Probleme gibt. Denn dann werde es umso schwieriger, in neue Angebote zu investieren.
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