Immer wieder kommt es vor, dass Versicherer die Schadenssumme mindern oder die Regulierung verzögern. Wie kann man sich wehren?
Viele Menschen im Südwesten haben derzeit mit Hochwasserschäden zu tun. In Baden-Württemberg sind fast 90 Prozent der Wohngebäude durch eine Elementarschaden-Versicherung geschützt – in Rheinland-Pfalz sind es nur 33 Prozent. Aber auch wenn eigentlich ein Versicherungsschutz besteht, kommt es immer wieder zu Problemen und Verzögerungen bei der Schadensregulierung. Wir klären, was Ihre Rechte sind.
- Strom, Heizöl, Dachziegel und Äste: Gefahren nach dem Unwetter
- Die Schäden und die Versicherung: Erst dokumentieren, dann aufräumen
- Schadensmeldung: Unbedingt Frist einhalten!
- Folgeschäden vermeiden, Beweise sichern
- Wann muss die Versicherung zahlen?
- Achtung Wiederherstellungsklausel: Dreijahresfrist
- Gutachten und Ombudsmann helfen bei Ärger mit der Versicherung
- Überprüfen Sie ihren Versicherungsschutz!
Direkt nach dem Unwetter will man in der Regel zunächst selbst den Schaden begutachten. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten:
Gefahren nach Unwetter: Strom, Heizöl, Dachziegel, Äste
- Vorsicht Einsturzgefahr: Wenn das Gebäude stark beschädigt ist, müssen Sie draußen bleiben. Verständigen Sie telefonisch die 112 und betreten Sie das Gebäude erst wieder, wenn es von Fachleuten freigegeben wurde.
- Vorsicht Stromschlag: Bei überfluteten Kellern besteht die Gefahr eines Stromschlags, wenn der Hausanschlusskasten im Keller untergebracht ist. Und: Nehmen Sie elektrische Geräte nur in Betrieb, wenn sie nicht feucht geworden sind.
- Vorsicht Heizöl: Wenn durch eine Überflutung im Keller Heizöl oder andere gefährliche Substanzen freigesetzt worden sind, rufen Sie ebenfalls die 112 an.
- Vorsicht herabfallende Dachelemente: Wenn das Dach stark beschädigt ist, zum Beispiel Dachpfannen, -ziegel oder -steine lose sind und herabzustürzen drohen, halten Sie sich fern. Verständigen Sie die Feuerwehr, damit abgesperrt oder die Gefahr beseitigt werden kann.
- Vorsicht Astbruch: Wurden beim Unwetter oder durch Feuer Bäume beschädigt, besteht auch noch danach die Gefahr, dass sie umkippen oder Äste herabstürzen. Im Zweifelsfall gilt auch hier: Informieren Sie die Feuerwehr und lassen Sie die Gefahr abklären.
Die Schäden und die Versicherung: Erst dokumentieren, dann aufräumen
Bevor es - etwa nach Hochwasser und Überschwemmung - ans Aufräumen geht, sollten Sie sich zuerst mit der Schadensmeldung bei der Versicherung beschäftigen und gleichzeitig ihrer Schadensminderungspflicht nachkommen.
Achtung: Schon bei der Schadensmeldung können Laien Fehler unterlaufen. Rechtsexperte Karl-Dieter Möller empfiehlt deshalb, bei hohen Schadenssummen direkt einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu konsultieren. Hier ist allerdings wichtig, direkt zu fragen, wie der Anwalt seine Kosten berechnet. Orientiert er diese an der Schadenssumme, können teure Honorare anfallen.
Sturm, Gewitter, Feuer Nach heftigen Unwettern: Welche Versicherung zahlt was?
Mitte August haben Unwetter wieder Schäden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verursacht. Teils sind Eigentümer und Mieter nicht versichert oder nicht ausreichend informiert.
Schadensmeldung: Diese Fristen gelten
Informieren Sie unverzüglich alle Versicherungen, die möglicherweise betroffen sind - möglichst noch am selben Tag. Bei Unwettern sind das in den meisten Fällen:
- die Gebäudeversicherung
- die Hausratversicherung
- die Elementarversicherung für Gebäude bzw. Hausrat
- und gegebenenfalls die Autoversicherung.
Wenn Sie mit der Schadensmeldung zu spät kommen, könnten Sie leer ausgehen. So erging es beispielsweise einem Ehepaar, welches einen Schaden erst sechs Wochen nach Eintritt desselben der Wohngebäudeversicherung meldete, weil der Versicherungsschein noch nicht zugesandt worden war. Die Versicherung lehnte jede Zahlung ab und bekam vor Gericht recht (AG München, Urteil vom 23.03.2010, Az. 244 C 26368/09) Wichtig ist es erstmal, den Schaden grundsätzlich zu melden und dabei eine Schadensnummer vom Versicherer zu erhalten.
Eine genaue Auflistung aller Schäden im Detail ist später noch möglich. Die Meldung geben Sie am besten schriftlich weiter oder über ein Formular des Versicherers im Internet. Aber Vorsicht: Achten Sie darauf, dass Sie eine Kopie des ausgefüllten Formulars bekommen.
Eine ausführliche Liste für den Versicherer mit den erforderlichen Angaben zu Wert und Kaufzeitpunkt der Gegenstände ist binnen zwei Wochen nötig. Nach mehr als zwei Wochen kann es eng werden. Das Landgericht Oldenburg etwa fand drei Wochen zu lang. Nachdem ein Kunde sich so viel Zeit ließ, durfte der Hausratversicherer seine Zahlung um 40 Prozent kürzen (Az. 13 O 3064/09).
Folgeschäden vermeiden: Schadensminderungspflicht
Geschädigte sind verpflichtet, den Schaden so klein wie möglich zu halten. Das heißt, Sie müssen alles unternehmen, was möglich und zumutbar ist, um Hausrat und Gebäude vor weiteren Schäden zu bewahren.
Decken Sie beispielsweise kaputte oder undichte Dachbereiche direkt nach dem Unwetter oder Brand mit einer Plane gegen Regen ab. Kommen Sie ihrer sogenannten Schadensminderungspflicht nicht nach, muss die Versicherung möglicherweise Folgeschäden daraus nicht bezahlen.
Beweise sichern nach Schäden durch Überschwemmung
Fotografieren oder filmen Sie den Schaden - am besten aus verschiedenen Blickwinkeln und gut beleuchtet. Und achten Sie bei dieser Dokumentation darauf, dass unstrittig zu erkennen ist, wann Sie die Fotos aufgenommen haben.
Aufbewahrungspflicht der beschädigten Dinge
Lassen Sie die Schadensstelle aber bis zur Besichtigung durch den Versicherer ansonsten möglichst unverändert.
Bewahren Sie die beschädigten Sachen möglichst so lange auf, bis die Versicherung sie begutachten konnte oder ausdrücklich darauf verzichtet.
Rücksprache vor Auftragsvergabe und Neukauf
Müssen Sie zur Abwehr von Schaden unverzüglich handeln, nehmen Sie trotzdem vorher Kontakt mit der Versicherung auf.
Auch wenn Sie Reparaturaufträge vergeben oder Gegenstände neu kaufen wollen, sollten Sie vorher Rücksprache mit der Versicherung halten und auch die Höhe der Versicherungsleistung erfragen.
Halten Sie jegliche Vereinbarungen mit dem Versicherer schriftlich fest – nach einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Versicherung beispielsweise eine E-Mail an die Versicherung schicken, worin noch mal genau festgehalten ist, was vereinbart wurde.
Regulierer vertritt Interessen der Versicherung
Oft wird der Versicherer einen so genannten "Regulierer" vorbeischicken, der sich den Schaden anschaut. Dabei handelt es sich nicht um einen unabhängigen Gutachter. Der Regulierer wird vom Versicherer bezahlt und vertritt dessen Interessen.
Es ist daher ratsam, sich die angebotene Regulierung genau anzuschauen und im Zweifelsfall kritisch zu hinterfragen.
Wann muss die Versicherung zahlen?
Viele Versicherungen zahlen nicht sofort - sie dürfen ihre Leistungspflicht und die Höhe des Schadens eingehend prüfen.
Vier bis sechs Wochen nach der Schadensmeldung haben Sie jedoch Anspruch auf eine Abschlagszahlung in Höhe des Betrags, der zu diesem Zeitpunkt bereits unstrittig feststeht. Setzen Sie notfalls eine Frist.
Nachfragen und Kontakt halten mit der Versicherung hilft
Gibt es viele Geschädigte und ist die Situation unstrittig, ergeben sich daraus manchmal auch unkonventionelle Lösungen, und bei so mancher Versicherung kann ein Handwerker beispielsweise direkt mit der Versicherung abrechnen. Nachfragen lohnt sich also.
Erst rechnen, dann Schaden begleichen lassen
Es lohnt sich nicht bei jedem Schaden, ihn von der Wohngebäudeversicherung begleichen zu lassen. Denn nach einem Schadensfall haben sowohl Sie als auch der Versicherer ein Sonderkündigungsrecht.
Es lohnt sich daher zu prüfen, ob man einen Bagatellschaden einreicht oder lieber selbst begleicht. Dies gilt insbesondere, wenn man schon mehrere Schäden bei der Versicherung gemeldet hat und befürchten muss, keine gleichwertige Versicherung mehr zu bekommen.
Achtung, Wiederherstellungsklausel: 3-Jahres-Frist
In neueren Verträgen von Elementarversicherungen ist in der Regel eine sogenannte Wiederherstellungsklausel enthalten. Sie legt fest, dass binnen drei Jahren nach Schadenszeitpunkt die Wiederherstellung sichergestellt sein muss – man muss mit der Wiederherstellung also zumindest begonnen haben und es muss klar absehbar sein, dass sie auch fertiggestellt wird.
Nach Ablauf der drei Jahre muss der Versicherer lediglich die Regulierung zum Zeitwert des Gebäudes beim Schadensfall bezahlen – nicht zum Neuwert.
Diese Klausel soll eigentlich verhindern, dass Versicherungsnehmer das Geld einstreichen und damit etwas anderes tun – beispielsweise das marode Gebäude abreißen und ein neues Haus bauen.
Versicherungsexperte Philipp Wolf von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz befürchtet jedoch, dass Versicherungen die Klausel für ihre Zwecke nutzen und absichtlich auf Zeit spielen. Sie spekulierten darauf, so sein Vorwurf, dass sich die Geschädigten irgendwann mit weniger zufrieden geben, als ihnen zustehe.
Droht die Dreijahresfrist abzulaufen, sollten betroffene Hauseigentümer handeln und klagen – dadurch wird die Frist zunächst unterbrochen.
Gutachten und Ombudsmann helfen bei Ärger mit der Versicherung
Bei Streit mit der Versicherung ist auch der Ombudsmann für Versicherungen, derzeit die Ombudsfrau für Versicherungen, eine Anlaufstelle. Sie überprüft den Fall als neutrale Stelle - kostenlos. Liegt allerdings nur ein Gutachten der Versicherung vor, entscheidet die Ombudsfrau auf dieser Grundlage – sie lässt keine eigenen Gutachten erstellen.
Wie kommt man an ein unabhängiges Schadensgutachten?
Kommt Ihnen die von der Versicherung angebotene Summe zu niedrig vor, sollten Sie über ein unabhängiges Schadensgutachten oder ein Privatgutachten nachdenken.
Es ist sinnvoll, beim Amtsgericht vor Ort einen Antrag auf ein sogenanntes "Selbständiges Beweisverfahren" zu stellen. Dann beauftragt das Gericht einen Sachverständigen, der den Schaden begutachtet.
Ab einer Streitsumme von 5.000 Euro braucht man einen Rechtsanwalt, der diesen Antrag stellt. Die Ergebnisse des Gutachtens können in einem etwaigen Gerichtsprozess verwendet werden. Oft lenken die Versicherer aber ein, wenn ein solches Gutachten vorliegt. „Nerven hilft“ rät Rechtsexperte Möller: Rufen Sie sich regelmäßig beim jeweiligen Sachbearbeiter der Versicherung in Erinnerung.
Ein weiterer Tipp: Nehmen Sie Kontakt zu weiteren Betroffenen in ihrem Umfeld auf und tauschen Sie sich über Ihre Erfahrungen aus. Häufig lässt sich gemeinsam mehr Druck auf die Versicherungen ausüben.
Lohnt sich ein Privatgutachter?
Ein Privatgutachten auf eigene Faust in Auftrag zu geben, ist riskant. Die Kosten von oft mehreren tausend Euro, müssen Sie häufig auch tragen, falls Sie später einen Prozess gewinnen.
Wer entsprechend rechtsschutzversichert ist oder einen Versicherungsvertrag hat, der auch einen selbstgewählten Gutachter bezahlt, kann selbst ein Privatgutachten in Auftrag geben. Am besten ist ein gerichtlich vereidigter Sachverständiger.
Aber Achtung: Die Ergebnisse werden mitunter vor Gericht nicht verwertet. Deshalb ist ein "Selbständiges Beweisverfahren" häufig vorzuziehen.
Nach den meisten Versicherungsverträgen ist ein sogenanntes Sachverständigenverfahren möglich, bei dem beide Parteien eigene Gutachter beauftragen können. Leider zahlen bei diesem Verfahren die Auftraggeber ihre Gutachter meist selbst. Außerdem hat der Versicherte anschließend schlechte Karten, wenn es doch noch zu einem Rechtsstreit vor Gericht kommt.
Tipp: Wem das alles zu kompliziert ist, der kann sich auch an eine Verbraucherzentrale wenden. Dort werden spezielle Beratungen im Schadensfall angeboten.
Sorgen Sie vor: Überprüfen Sie ihren Versicherungsschutz!
Noch mal glimpflich davongekommen? Das kann sich schnell ändern, denn Orkane, Tornados, Wirbelstürme, heftige Gewitter, Schneechaos oder Starkregen sowie Brände gehören auch in unseren Breiten zum Jahreslauf.
Durch den Klimawandel könnten sich Unwetterereignisse häufen. Die dadurch verursachten immensen Schäden können Jeden treffen.
Daher unser Tipp: Betrachten Sie das Unwetter als Warnung und überprüfen Sie ihren Versicherungsschutz.
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