Pläne der EU

Abgasnorm Euro 7: Verbrenner-Aus durch die Hintertür?

Stand
Autor/in
Levin Sallamon

Die Pläne für die neue Euro-7-Norm für Neuwagen sorgen die Autobranche. Konzerne und Umweltverbände üben Kritik. Wie sinnvoll ist die Nachschärfung vor dem Aus für Verbrenner 2035?

Die ab 2025 geplante Euro-7-Abgasnorm gilt für Neufahrzeuge und soll den Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub weiter reduzieren. Die EU-Kommission will mit dem Gesetz zum ersten Mal auch Elektrofahrzeuge in die Kontrollen aufnehmen. Ziel der neuen Norm ist, dass die Automobilhersteller weiterhin konkurrenzfähig bleiben und gleichzeitig die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger geschützt wird. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umweltagentur (EEA) starben allein 2020 in Europa 238.000 Menschen vorzeitig aufgrund hoher Feinstaubkonzentration in der Luft.

Bevor der Verbrennungsmotor ab 2035 in der EU gar nicht mehr zugelassen wird, steigen die Anforderungen an Neuwagen mit der neuen Euro-7-Norm. So sollen sie in Zukunft die Vorschriften doppelt so lange erfüllen, wie im Vergleich zu Euro 6: Pkw und Lieferwagen müssen den Abgasuntersuchungen bis zu einer Laufleistung von 200.000 Kilometern und einem Fahrzeugalter von zehn Jahren standhalten.

Dies hätte zudem den Effekt, dass die Batterie eines Elektroautos eine längere Laufzeit erfüllen und später als bisher ausgetauscht werden muss. Dadurch werde der Bedarf an kritischen Rohstoffen gesenkt, betont die EU-Kommission.

Umweltschützern gehen Pläne der EU zum Abgas nicht weit genug

Verkehrsexperte Benjamin Stephan von der Umweltschutzorganisation "Greenpeace" kritisiert den Vorschlag als "enttäuschend", die Europäische Kommission gehe nicht weit genug. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuvor schon die Leitlinien und Empfehlungen zur Luftverschmutzung deutlich verschärft. Die neue Abgasnorm würde diese torpedieren. "Jetzt kommen bis zum endgültigen Aus im Jahr 2035 noch Millionen weiterer Verbrenner auf die Straße und geben somit bis Mitte des Jahrhunderts schädliche Abgase ab.“

Kritik am Gesetzentwurf kommt auch vom Umweltexperten Axel Friedrich, der als unabhängiger Politikberater über 2.500 Messungen an Pkws durchgeführt hat. Friedrich sieht in den Plänen richtige Ansätze, die aber nicht weitreichend genug ausfielen. Beim Stickstoffausstoß sieht der Vorschlag keine Trennung mehr zwischen Diesel- und Benzinmotoren in der Bemessung vor: Beide Antriebsarten dürften ab 1. Juli 2025 nur noch 60 mg/km emittieren, für Dieselmotoren liegt die aktuelle Grenze noch bei 80 mg/km. „Das war längst überfällig“, urteilt Friedrich: „Warum je zwischen Benzinern und Dieselmotoren unterschieden wurde, ist völlig unverständlich. Dafür hat es nie Gründe gegeben.“

Umweltexperte Axel Friedrich
Axel Friedrich, der pensionierte Leiter der Verkehrsabteilung im Umweltbundesamt, fixiert den Schlauch am Anspuff eines Autos für seine Abgas-Versuchsanordnung.

Der frühere Abteilungsleiter des Umweltbundesamt begrüßt zudem die bessere Messtechnik. "Mit Euro 7 werden die Hersteller dazu verpflichtet, die Abgassysteme der Fahrzeuge mittels On-Board-Measurement (OBM) permanent im realen Verkehr durch Sensoren zu überwachen."

"Die einfache Überwachung durch die bisherigen Diagnosegeräte ist viel ungenauer."

Abgasnorm Euro 7: Umsetzbar oder nicht?

Der Brüsseler Vorschlag weitet die bisherigen Prüfbedingungen deutlich aus. Für realistischere Ausstoßwerte wird in Zukunft auch in kurzen täglichen Fahrten sowie unter Extrembedingungen, wie beispielsweise starker Kälte, gemessen. "Der aktuelle Gesetzentwurf ist schlicht nicht umsetzbar“, sagt dazu Thomas Koch, Motorenexperte vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Es bedürfe beheizbarer Katalysatoren inklusive des zusätzlichen Stromnetzes in Serienfertigung, um auf die vorgeschriebenen Grenzwerte zu kommen. Die Regelung ist für ihn das "Verbrenner-Aus durch die Hintertür“. Die Neuzulassung für die Hersteller würde verteuert, sodass der Anreiz für Verbrennermotoren weiter abnehme.

Strukturwandel in der Autoindustrie erschwert?

Umweltexperte Axel Friedrich: "Wir brauchen eine komplette Veränderung unserer Struktur.“ Konzerne wie Mercedes-Benz oder Volkswagen müssen durch den Verkaufsstopp von Verbrennungsmotoren ab 2035 ihr jahrzehntelanges Tagesgeschäft umstellen: Der Bedarf an Elektronik-Spezialisten steigt, Mechaniker werden immer weniger gebraucht.

Renault-Chef und Vorsitzender des europäischen Autobranchenverband "Acea", Luca de Meo, hatte bereits auf Kürzungen von bis zu 300.000 Arbeitsplätzen hingewiesen. In Deutschland hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), zusammen mit den Länderchefs von Bayern und Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor den Folgen durch Euro 7 gewarnt. Die Spitzen der Autoländer fürchten negative Folgen für die Automobilindustrie.

Stefan Hartung, Chef des Autozulieferers Bosch, verteidigte die Pläne grundsätzlich. Dennoch würden vor dem Verbrenner-Aus 2035 weitere Verbrennungsmotoren gebraucht werden. Es mache daher "keinen Sinn, Euro 7 so zu gestalten, dass es ökonomisch nicht mehr möglich ist, überhaupt Motoren zu bauen.“

Strengere Regeln für größere Fahrzeuge - Transporter, Lkw, Busse

Neben neuzugelassenen Pkw soll die neue Euro-7-Abgasnorm auch für Kleintransporter, Lkw und Busse gelten. Vor allem bei großen Fahrzeugen sieht der Vorschlag deutliche Verschärfungen vor. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) kritisiert vor allem die kurzfristige Umstellzeit und fordert drei Jahre Vorlaufzeit für das Gesetz.

Erstmals sollen auch E-Autos geprüft werden

Die Euro-Abgasnormen regeln, wie hoch die Grenzwerte zur Luftverschmutzung durch Schadstoffe wie Stickoxid (NOx) oder Kohlenstoffmonoxid (CO) sein dürfen. Bereits im Straßenverkehr zugelassene Fahrzeuge sind von Neuerungen ausgenommen.

Die geplante Verschärfung will nicht nur Auspuffemissionen, sondern erstmals auch zusätzliche Grenzwerte für Partikel- und Mikroplastikemissionen von Bremsen und Reifen begrenzen. Neben Benzin- und Dieselmotoren zwingt das auch Elektrofahrzeuge in die Überprüfung.

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