Niemand denkt gerne darüber nach, es kann aber jeden treffen. Unfall, Krankheit oder das Alter - plötzlich ist man nicht mehr in der Lage, selbst Entscheidungen zu treffen. Gibt es in dem Fall keine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung, dann entscheidet eine fremde Betreuungsperson für mich. Das war zumindest bis Januar 2023 so. Seitdem hat der Gesetzgeber die sogenannte Ehegattennotvertretung festgelegt.
Inhalt:
I. Notvertretungsrecht für Ehegatten
1. Was ist das Notvertretungsrecht?
2. Wie weit reicht das Notvertretungsrecht? Wo liegen die Grenzen?
3. Heißt das, dass in Zukunft keine anderweitige Vorsorge mehr getroffen werden muss?
4. Wie unterscheiden sich Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?
5. Wie muss so eine Vorsorgevollmacht aussehen? Wie muss eine Patientenverfügung aussehen?
II. Betreuungsrecht
1. Was wurde neu geregelt?
2. Wie wird denn sichergestellt, dass der Betreuer auch nach meinem Wünschen handelt?
3. Was gibt es für neue Anforderungen an den Betreuerberuf? Wer darf jetzt eigentlich noch betreuen?
Weiterführende Informationen und Buchtipps
I. Notvertretungsrecht für Ehegatten, § 1358 BGB
1. Was ist das Notvertretungsrecht?
Welche Befugnisse räumt es dem Ehegatten ein? Was hat sich hier geändert? Das neu geregelte Notvertretungsrecht greift, wenn ein Ehegatte oder Lebenspartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr selbst besorgen kann. Es betrifft insbesondere die Einwilligung in ärztliche Eingriffe und den Abschluss von Behandlungsverträgen. Die darf nun automatisch der andere Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner vornehmen.
Bisher war das anders: Wenn der kranke oder bewusstlose Ehegatte keine dahingehende Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung getroffen hatte, hatte der andere Ehepartner keinerlei Entscheidungsgewalt in Gesundheitsangelegenheiten. Stattdessen musste (vorläufig) ein Betreuer bestellt werden.
Darüber hinaus wirkt sich das neue Notvertretungsrecht auch auf die ärztliche Schweigepflicht gegenüber dem vertretenden Ehegatten aus. Ärzte sind ihm oder ihr gegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden. Der vertretende Ehegatte darf also ärztliche Aufklärungen entgegennehmen, Krankenunterlagen des Betroffenen einsehen und die Weitergabe an Dritte bewilligen, die den Kranken etwa weitergehend behandeln.
2. Wie weit reicht das Notvertretungsrecht? Wo liegen die Grenzen?
Mit dem neuen Notvertretungsrecht wird ein Betreuer nur noch dann eingeschaltet, wenn das „erforderlich“ ist, z.B., wenn der Ehegatte sein Vertretungsrecht missbraucht oder nicht hinreichend ausübt.
Allerdings ist das Notvertretungsrecht zeitlich auf maximal sechs Monate begrenzt. Danach muss das Gericht dann einen Betreuer bestellen, wenn keine Vollmacht vorliegt. Es gilt außerdem nicht, wenn der oder die zu Versorgende die Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten bereits zuvor in einer Vorsorgevollmacht oder über eine Betreuung geregelt hat.
Es gilt auch nicht, wenn die Eheleute getrennt leben; oder etwa wenn der vertretende Ehegatte oder der behandelnde Arzt weiß, dass der Bewusstlose oder Kranke diese Vertretung ablehnt.
Um sicherzustellen, dass der Lebens- oder Ehepartner im Notfall nicht für einen Entscheidungen in Gesundheitsbelangen fällt, kann man etwa einen Widerspruch zum gesetzlichen Vertretungsrecht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen lassen.
Zwar gilt in benannten Fällen dieses Notvertretungsrecht des Ehegatten oder Lebenspartners, es ist aber – wie gesagt – zeitlich begrenzt und läuft nach 6 Monaten ab. Gerade wenn man konkrete Behandlungsmethoden oder Versorgungsleistungen für den Fall der Fälle festlegen will, sollte man eine Patientenverfügung hinterlegen und dem Ehepartner eine Vorsorgevollmacht erteilen, damit dieser die Wünsche im konkreten Fall umsetzen lassen kann.
Auch wenn man ausschließen will, dass das neue Notvertretungsrecht greift und jemand anderer als der Ehepartner die Vertretung in solchen Notsituationen für einen übernimmt, sollte hierfür eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung erstellt werden.
4. Wie unterscheiden sich Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?
Beides gilt für Fälle, in denen der Betroffene sich nicht mehr selbst äußern bzw. handeln kann. Während in einer Patientenverfügung konkrete Behandlungsmethoden für bestimmte krankheitsbedingte Situationen geregelt werden, beinhaltet die Vorsorgevollmacht im Prinzip alles andere, was im Notfall wichtig ist. Wer darf für mich in medizinischen Angelegenheiten sprechen und darüber entscheiden? Wer erledigt meine Bankgeschäfte? Es lässt sich zum Beispiel auch festlegen, wer den Hund versorgt oder wer beim Umzug in ein Pflegeheim die Wohnung kündigen und räumen darf.
Eine Vorsorgevollmacht kann jeder erwachsenen Person erteilt werden. Auch können mehrere Personen für unterschiedliche Dinge eingesetzt werden. So kann zum Beispiel die Tochter alles Finanzielle regeln und der Schwager medizinische Entscheidungen treffen.
5. Wie muss so eine Vorsorgevollmacht aussehen? Wie muss eine Patientenverfügung aussehen?
Es gibt keine gesetzlichen Formvorschriften für eine Vorsorgevollmacht. Sie darf per Hand geschrieben oder am Computer erstellt sein. Es gibt auch fertige Formulare, die nur noch ausgefüllt werden müssen. Wichtig sind aber auf jeden Fall die eigenhändige Unterschrift, der Ort und das Datum.
Da es immer noch Einrichtungen, wie zum Beispiel Banken gibt, die bei einer solchen allgemeinen Vorsorgevollmacht Probleme machen, kann sich der Weg zum Notar lohnen. Eine dort beurkundete Vollmacht wird meist deutlich leichter anerkannt.
Eine Patientenverfügung muss schriftlich verfasst werden und vom Verfasser unterschrieben sein. Sie regelt, welche medizinischen Eingriffe und Behandlungen durchgeführt werden sollen, wenn diese Entscheidungen nicht mehr selbst getroffen werden können. Das kann man auch zusammen mit seinem Hausarzt/ärztin besprechen. Denn die PV muss relativ genau bezeichnen, welche Behandlungen in welchen Situationen durchgeführt werden sollen.
Ganz besonders wichtig sind also Bestimmungen hinsichtlich lebenserhaltender Maßnahmen, zum Beispiel, ob künstlich ernährt, beatmet oder wiederbelebt werden darf. Man sollte den Inhalt seiner Patientenverfügung unbedingt mit einem Arzt seines Vertrauens besprechen.
Damit Vollmacht oder Patientenverfügung im Fall der Fälle Anwendung finden, sollten sie an einem gut auffindbaren Ort liegen, z.B. beim Hausarzt. Noch besser ist es, beide Dokumente gegen Gebühr beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen. Dort können sowohl Ärzte als auch das Betreuungsgericht Einsicht nehmen.
II. Betreuungsrecht
Ziel der Neuerung ist: Insgesamt soll das Selbstbestimmungsrecht unterstützungsbedürftiger Menschen gestärkt werden. Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn das erforderlich ist. Das ist dann nicht der Fall, wenn andere Hilfen verfügbar und ausreichend sind. Dazu zählen auch die Unterstützung durch Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste.
Der Betreuer muss die Angelegenheiten der betreuten Person so besorgen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten kann. Von seiner Vertretungsmacht darf der Betreuer nur Gebrauch machen, soweit dies erforderlich ist.
Konkret heißt das, der Betreuer muss sich durch regelmäßige persönliche Kontakte und Besprechung anstehender Entscheidungen ein Bild davon machen, welche Wünsche die betreute Person hat und auch, was sie nicht will. Den festgestellten Wünschen der betreuten Person hat der Betreuer in den gesetzlich festgelegten Grenzen zu entsprechen und sie bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen (§ 1821 Abs. 2 BGB).
Auch bei der Auswahl des zu bestellenden Betreuers hat das Betreuungsgericht grundsätzlich die Wünsche der zu betreuenden Person zu berücksichtigen (§ 1816 Abs. 2 BGB).
2. Wie wird denn sichergestellt, dass der Betreuer auch nach meinem Wünschen handelt?
Durch eine insgesamt stärkere Kontrolle des Betreuungsverhältnisses durch die Gerichte. Der zuständige Rechtspfleger muss die betreute Person persönlich anhören, wenn der Verdacht besteht, dass der Betreuer nicht nach ihren Wünschen handelt (§§ 1862 i.V.m. 1821 BGB).
Auch die Pflicht des Betreuers, dem Gericht über die Betreuungssituation Bericht zu erstatten, wurde neu geregelt (§ 1863 BGB). Das Gericht kann den Betreuer jetzt besser kontrollieren.
Ähnlich ist es bei der Wohnung des Betreuten. Sie darf durch den Betreuer grundsätzlich nur dann aufgegeben werden, wenn der Betreute das selbst will (§ 1833 BGB). Das muss der Betreuer dann dem Gericht unverzüglich mitteilen und auch die Gründe hierfür und die Sicht der betreuten Person. In bestimmten Fällen ist sogar eine gerichtliche Genehmigung erforderlich.
3. Was gibt es für neue Anforderungen an den Betreuerberuf? Wer darf jetzt eigentlich noch betreuen?
Zunächst einmal ist Voraussetzung zur Bestellung als beruflicher Betreuer, dass sich der oder die Betroffene bei der zuständigen Betreuungsbehörde – das geht nach dem Wohnsitz – registrieren lässt.
Das geht aber nur, wenn man persönlich geeignet und auch zuverlässig ist. Der Betreuer muss sich auch im Betreuungsrecht auskennen und im Bereich der Personen- und Vermögenssorge. Er muss mit Erkrankten oder Menschen mit Behinderungen kommunizieren und sie bei ihren Entscheidungen unterstützen können.
Außerdem muss der Betreuer eine Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden von min. 250.000 EUR pro Versicherungsfall abgeschlossen haben.
Diese Änderungen gelten seit dem 01. Januar diesen Jahres. Für vorherige Betreuertätigkeiten gelten Übergangsvorschriften und ggf. Erleichterungen.