Wer Wales mit der Eisenbahn bereist, erlebt so viel, dass sich Bücher füllen lassen. Eisenbahn-Romantik begleitet Susanne Oswald, die in der Waliser Eisenbahn-Szene für einen neuen Roman recherchiert.
Von Shrewsbury reist die Autorin auf der Cambrian Line quer durch Wales an die Küste nach Aberystwyth. Dort steigt sie von Diesel auf Dampf um und erkundet das Hinterland.
Auf der Strecke der Cambrian Line liegt Newtown, einst wichtiger Standort der Textilindustrie, der seinen Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts der Eisenbahn zu verdanken hatte. Pryce Jones gründete hier als erster einen Versandhandel für Wollwaren. Anhand von Katalogen bestellten die Kunden und bekamen die Ware mit dem Zug geliefert.
Machynlleth ist der Sitz des Depots von Transport for Wales und des Stellwerks von Network Rail. Im Depot werden die Dieseltriebwagen aus den 90er Jahren gewartet, die Transport for Wales von Arriva übernommen hat. Vor allem Bremschecks stehen auf der Tagesordnung, denn es herrscht Rutschgefahr durch Blätter auf den Schienen. Zahlreiche Bäume und Büsche begrenzen im Inland die eingleisige Strecke. Die Briten haben das europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS als erstes hier erprobt und 2011 eingeführt. Im Stellwerk Machynlleth sieht man, wie damit gearbeitet wird. Am Bahnhof findet auch die Entkopplung der Triebwagen statt, die paarweise nach Norden und nach Süden weiterfahren.
Aberystwyth ist die Endstation im Süden. Der Küstenort hat seine Entwicklung zum Seebad der Cambrian Line zu verdanken. Das Old College an der Strandpromenade - einst Eisenbahn-Hotel, dann Teil der Universität und demnächst kulturelle Begegnungsstätte - lässt einen heute noch eintauchen in eine vergangene mondäne Welt. Vor 150 Jahren reisten die wohlhabenden Briten mit dem Zug in den Erholungsurlaub am Meer.
Aber auch das Hinterland von Aberystwyth ist geprägt durch die Eisenbahn. Hier dampft es im Vale of Rheidol wie anno dazumal. Die drei Schmalspurloks der Great Western Railway von 1923/24 ziehen heutzutage Wagen mit Touristen von Aberystwyth zur Devil's Bridge. Eigentlich gebaut wurde die Strecke, um bleihaltiges Gestein zum Hafen zu transportieren. Die Minen waren bisher nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, doch ein 20-jähriger Zugbegleiter der Vale of Rheidol Railway ist dabei, das zu ändern. Ioan Lord hat mit 4 Freunden für einen symbolischen Wert von einem Pfund eine der Minen gekauft, alle Konzessionen und Versicherungen besorgt und bietet jetzt abenteuerliche Führungen an, bei denen er die Reste des unterirdischen Schienensystems zeigt.
(ESD: 24.01.2020)