Bewegung hat sowohl auf das Gehirn als auch auf den Körper - und damit auf Muskulatur sowie Gelenke - positive Einflüsse. Sport kann deshalb eine effektive Therapie bei chronischen Schmerzen sein.
- Das Gehirn ablenken
- Glückshormone und Botenstoffe
- Gut für die Muskulatur
- Schmerzen tolerieren
- Bewegung gegen Schmerzen
- Schonhaltung vermeiden
- Fazit
Das Gehirn ablenken
Wer sich ausreichend bewegt, lebt gesünder - das ist allgemein bekannt. Darüber hinaus kann Sport aber auch gegen chronische Schmerzen helfen. "Bewegung ist das Wichtigste in der Schmerzmedizin", weiß der Schmerzmediziner Jan-Peter Jansen. So helfe Sport beispielsweise dabei, dass sich das Gehirn nicht mehr so sehr auf den Schmerz konzentriere, sondern auf etwas anderes.
Bei Schmerzen entsteht laut Jansen im Gehirn ein Schmerzgedächtnis. "Da wollen wir das Gehirn ablenken. Das können wir, indem wir den Körper bewegen."
Glückshormone und Botenstoffe
Beim Sport produziert der Körper verstärkt Endorphine, die auch "körpereigenes Morphin" genannt werden. Von der Hirnanhangdrüse im Gehirn ausgeschüttet, docken die Endorphine an Nervenzellen-Rezeptoren an, hemmen so die Schmerzweiterleitung und damit auch die Schmerzwahrnehmung. Zudem erhöht sich bei Personen, die Sport treiben, die Konzentration des Botenstoffes Serotonin, das auch als Glückshormon bezeichnet wird.
Des Weiteren haben neuere Studien herausgefunden: Beim Sport produziert der Körper verstärkt sogenannte Endocannabinoide. Dabei handelt es sich um fettsäureähnliche Substanzen, die ähnlich wie die Droge Cannabis berauschend und schmerzstillend wirken.
Gut für die Muskulatur
Doch Sport wirkt nicht nur im Kopf schmerzhemmend, sondern auch direkt auf die Muskulatur. "Bei vielen chronischen Schmerzpatienten sehen wir, dass die Muskulatur nicht ausreichend bewegt wird. Das führt zu Problemen in der Ansteuerung dieser Muskulatur. Da können Krämpfe entstehen, Blockaden, die Muskel werden hart und sie können sogar im Umfang zurückgehen", erklärt Jansen. Durch Bewegung werde dann wiederum die Durchblutung der Muskulatur verbessert und Stoffwechselprodukte würden abtransportiert. Gleichzeitig gelangten immunaktive Substanzen in den Muskel. Das sei wichtig, da es Hinweise darauf gibt, dass Entzündungen und damit das Immunsystem an Muskelschmerzen beteiligt sind.
Schmerzen tolerieren
Um Schmerzen zu lindern, ist es manchmal sogar sinnvoll, vorsichtig über die Schmerzgrenze hinaus zu trainieren - vor allem bei Dehnübungen. Physiotherapeutin Katja Schulze erklärt: "Meine Erfahrung ist, dass dieser Kreislauf durchbrochen werden muss. Dieser Kreislauf von ‘Ich habe Schmerzen, ich kann nicht mehr oder nichts mehr machen. Ich lege mich lieber aufs Sofa’. Da muss unbedingt irgendwo ein Cut sein." Patienten müssten lernen, wieder anzufangen und wieder Vertrauen in ihren Körper zu haben. Zwar fange sie dafür mit den Patienten klein an, doch dass Schmerzen ab und zu auftreten, sei nicht vermeidbar. Wichtig sei es dann, die Schmerzen genau zu beobachten. "Solange die kurzfristig sind und nicht länger als einen Tag anhalten, können wir die durchaus tolerieren."
Bewegung gegen Schmerzen
Welche körperliche Aktivität bei welchen Schmerzen am besten geeignet ist, hängt auch mit den jeweiligen Ursachen zusammen. Schmerzmediziner Jansen hat in der Regel folgende Empfehlungen, die Sie jedoch immer auch mit dem eigenen Arzt absprechen sollten.
- Kopfschmerzen: Draußen spazieren und so das Gehirn vom Schmerz ablenken.
- Rückenschmerzen: Dehnungsübungen in Abstimmung mit einem Physiotherapeuten.
- Gelenkschmerzen: Hier ist die Bewegung des betroffenen Gelenkes wichtig, um dieses zu erhalten und Schmerzen auf Dauer zu reduzieren. Denn bei der Gelenkbewegung wird die Gelenkflüssigkeit, die Nährstoffe und Sauerstoff enthält, in die Knorpelzellen einmassiert.
Eine weitere Ursache für Schmerzen ist das "myofaszialen Schmerzsyndrom". Dabei verhärten sich Muskeln und Bindegewebe so stark, dass Nervenwurzeln im Rückenmark gereizt werden. Ein Auslöser kann zum Beispiel altersbedingter Gelenkverschleiß in der Halswirbelsäule sein. Die Folge: dauerhafte Fehlhaltung und muskuläre Verkrampfung. Medikamente oder zum Beispiel Botox-Spritzen helfen bei den Schmerzen dann meist nicht mehr. Sport ist erfolgversprechender.
Schonhaltung vermeiden
Wer Schmerzen hat, neigt in manchen Fällen auch dazu, eine Schonhaltung einzunehmen - meist unbewusst. Sie dient der Schmerzlinderung, da die vom Schmerz betroffene Stelle entlastet wird. Allerdings ist eine Schonhaltung eine unnatürliche Körperhaltung und kann zu Fehl-Belastungen führen. Auffällig ist zum Beispiel ein nach vorne gebeugter Oberkörper beim Laufen, ein durchgestrecktes Bein oder ein Abknicken in der Hüfte. Auch zu viel Sitzen ist eine häufige Flucht in eine Schonhaltung.
Wird die Schonhaltung dauerhaft eingenommen, kann es gefährlich werden. Denn bei einer Schonung fährt der Stoffwechsel herunter. Mit der Folge, dass Zellen schlechter ernährt werden und die Durchblutung gestört ist. Das kann im schlimmsten Fall letztendlich Reparatur- und Erneuerungsprozesse im Körper verzögern.
"Die Schonung kann beispielsweise nach einer Verletzung sinnvoll sein und natürlich auch nach einer Operation geht es darum, schrittweise wieder in die Bewegung zu kommen. Ganz grundsätzlich weiß man aber, dass Bewegung unserem Körper guttut”, erklärt Prof. Tobias Renkawitz, Orthopäde und Unfallchirurg an der Uniklinik Heidelberg. Habe man vor Jahrzehnten noch gesagt, bei Rückenschmerzen ein paar Tage Bettruhe, wisse man heute, dass das falsch sei. Bewegung sei positiv und Schonen sei zwar kurzzeitig möglich, um etwas den Schmerz zu lindern, doch dann müsse die Ursache erkannt und zur Bewegung zurückgefunden werden.
Nach der langen Zeit der Schonhaltung kann es jedoch etwas dauern, bis der Körper wieder Vertrauen in die Bewegung fasst. Physiotherapeutin Christina Pfeifer macht mit ihren Patienten Übungen, die die Beweglichkeit und die Muskulatur stärken sollen und gleichzeitig bewusst trainieren, nicht in eine Schonhaltung zurückzufallen.
Fazit
Sport und Bewegung helfen bei der Behandlung von Schmerzen. Denn körperliche Aktivität hat positive Einflüsse auf das Gehirn, indem beispielsweise Glückshormone ausgeschüttet werden. Zudem lenkt Bewegung das Gehirn vom Schmerz ab. Gleichzeitig sorgt Sport dafür, dass wichtige Substanzen in die Muskeln und Gelenke gelangen. Dabei kann es sinnvoll sein, Schmerzen bis zu einem bestimmten Grad während einer Bewegung zu tolerieren.
Wichtig ist: in Bewegung bleiben. Denn wer sich bei Schmerzen zu sehr schont, könnte sie damit noch verschlimmern.