Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung – ein Reizdarmsyndrom schränkt die Lebensqualität stark ein. Das Leiden lässt sich nicht heilen, aber lindern - etwa mit der richtigen Diät.
Ständig Blähungen und Bauchschmerzen - dahinter kann das Reizdarmsyndrom (RDS) stecken. Warum der Weg zur Diagnose oft lange dauert, und wie man die Beschwerden mit der richtigen Ernährung lindern kann, erklären wir hier.
Volkskrankheit Reizdarmsyndrom (RDS)
Schätzungen zufolge leiden in Deutschland etwa 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung am Reizdarmsyndrom (RDS) - damit ist es eine echte Volkskrankheit. Trotzdem fühlen sich viele Betroffene nicht ernst genommen - möglicherweise, weil lange propagiert wurde, das Reizdarmsyndrom (RDS) sei rein psychisch bedingt.
Heute weiß man, ein Zusammenspiel mehrerer organischer Ursachen ist der Grund. Wenn diese nicht behandelt werden, kann der Leidensdruck enorm sein.
Die Symptome bei Reizdarm
Durchfall ist eines der häufigsten Symptome des Reizdarmsyndroms (RDS). Es kann aber auch zu Verstopfung kommen. In einigen Fällen auch zu beidem im Wechsel. Unspezifische Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe und Blähungen gehören fast immer zum Krankheitsbild.
Treten solche Symptome über mindestens drei Monate einmal pro Woche oder häufiger auf, sollte man ein Reizdarmsyndrom (RDS) in Betracht ziehen.
In einer aktuellen Studie der Universität Göteborg wurden die Einflüsse verschiedener Ernährungsweisen auf die Symptome untersucht. Dazu wurden rund 300 Reizdarm-Patienten in drei Gruppen unterteilt. Während eine Gruppe eine Therapie mit Medikamenten erhielt, sollte eine andere eine ballaststoffoptimierte und kohlenhydratarme Diät halten. Gruppe Nummer 3 machte eine Diät, bei der auf Lebensmittel mit sogenannten Fodmaps wie zum Beispiel Milchprodukte, Zwiebeln oder bestimmte Getreide verzichtet werden sollte.
Was Fodmap bedeutet
Fodmap steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole. Das sind Kohlenhydrate und Zuckeralkohole. Sie werden im Dickdarm durch Darmbakterien fermentiert. Dabei bilden sich Gase, und es kommt zu Wasseransammlungen.
Das kann zu Blähungen, Durchfall oder Bauchschmerzen führen. Genau das soll die Fodmap-arme Diät verhindern.
Ernährung mit wenig Fodmaps
Die Fodmap-arme Diät besteht aus drei Phasen: In der Eliminierungsphase wird für vier bis sechs Wochen auf Lebensmittel mit Fodmaps verzichtet. In der Wiedereinführungsphase gibt es Lebensmittel mit verschiedenen Fodmaps, um herauszufinden, welche davon die Symptome verursacht. Daraus zieht man die Schlüsse für die dritte Phase, die Langzeiternährung.
Professor Andreas Stengel, Ärztlicher Direktor der Abteilung Psychosomatische Medizin am Klinikum Stuttgart, bestätigt, dass diese große Studie frühere Ergebnisse nochmals solide bestätigt. Während 58 Prozent der Teilnehmer der medizinischen Therapie nach vier Wochen eine Symptomverbesserung feststellten, waren es bei den Diätgruppen über 70 Prozent.
Professor Stengel ist skeptisch, ob die Ernährung individuell der wichtigste oder sogar der einzige Baustein der Therapie sein kann. Meist greifen Ärzte bei der Therapie des Reizdarmsyndroms multimodal an, mit verschiedenen Methoden.
Wichtige Kriterien für die Diagnose des Reizdarmsyndroms
Lange wurde propagiert, das Reizdarmsyndrom (RDS) sei rein psychisch bedingt. Heute weiß man, es ist komplizierter. Professor Peter Hasselblatt von der Magen-Darm-Ambulanz am Universitätsklinikum Freiburg erklärt die Diagnose eines Reizdarmsyndroms an Hand von drei Kriterien:
- Erstens müssen chronische Bauchbeschwerden bestehen. Das beinhaltet zum Beispiel Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang wie Verstopfung oder Durchfall, Blähungen oder Bauchschmerzen, die über mindestens drei Monate bestehen.
- Zweitens müssen diese Beschwerden zu einer relevanten Einschränkung der Lebensqualität führen.
- Drittens: Diese Beschwerden können nicht erklärt werden durch andere Alarmsymptome oder -erkrankungen wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie oder eine Tumorerkrankung.
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Die Einschränkungen im Alltag durch RDS
Häufig berichten Betroffene, der Alltag sei erheblich eingeschränkt. Sie verbringen etwa morgens mehrere Stunden auf der Toilette, bis sie den Alltag überhaupt starten können. Das führt nicht nur zu wesentlichen Einschränkungen im Berufsalltag, sondern vor allem auch in der sozialen Interaktion. Viele Patienten leiden unter dem Kontrollverlust.
„Deswegen ist es so wichtig, in gewisser Weise den Stress unter Kontrolle zu halten und die Kontrolle über das eigene Leben wieder zurückzuerlangen“, betont Professor Hasselblatt.
Wann Betroffene zum Arzt gehen sollten
Die Diagnosekriterien sehen vor, dass die Erkrankung oder die Symptome mindestens drei Monate bestehen. „Deswegen kann man sich etwas Zeit lassen“, sagt Professor Hasselblatt. „Wir wissen aber auch, dass je früher man behandelt, die Erfolge deutlich besser werden.“
Was sind die Ursachen des Reizdarmsyndroms (RDS)?
Viele Studien zeigen, dass man etwa nach einem Magen-Darm-Infekt in den Jahren danach ein Reizdarmsyndrom entwickeln kann. Möglicherweise gibt es auch eine genetische Veranlagung. Bei der Krankheitsentstehung scheint aber die Störung der Darmflora, also der Darmbakterien, eine sogenannte Dysbiose, eine wichtige Rolle zu spielen.
Zudem liegt auch eine Barrierestörung im Darm vor. Beides führt zu einer geringen Entzündungsreaktion im Darm, die zu einer gestörten Darmtätigkeit führt, also Verstopfung oder Durchfall. Gleichzeitig kommt es zu einer überschießenden Schmerzwahrnehmung des Nervensystems im Darm: Die Kommunikation zwischen Darm, Darmnervensystem und Gehirn ist gestört.
Spielen Unverträglichkeiten oder Allergien auf Lebensmittel eine Rolle?
Professor Hasselblatt erklärt, parallel zu Reizdarmbeschwerden kommen häufig auch Unverträglichkeiten vor, wie etwa die Laktoseintoleranz, die ebenfalls Blähungen verursacht. Die Schmerzwahrnehmung ist bei diesen Personen deutlich stärker als bei Gesunden.
Das Reizdarmsyndrom (RDS) kann entstehen als Folge von Magen-Darm-Infekten. Aber auch Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen können betroffen sein. „Sie können anhaltende Beschwerden entwickeln, auf einer ähnlichen Basis, auch wenn die Grunderkrankung völlig ruhig und friedlich ist“, weiß Professor Hasselblatt.
Helfen Medikamente in der Therapie?
„Leider gibt es bisher keine ursächliche Therapie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms“, erklärt Professor Hasselblatt. Deswegen sei ganz entscheidend, den Betroffenen genau zu vermitteln, wie die Erkrankung entsteht. Damit sie verstehen, welche Therapieansätze überhaupt zur Verfügung stehen. „Jeder muss dann für sich selbst entscheiden, was plausibel ist und welche Therapie man selber mittragen möchte.“
Die gestörte Darmflora kann etwa durch Probiotika, also Darmbakterien in Tablettenform, behandelt werden. Auch die Fodmap-arme Diät oder andere Diäten wirken in erster Linie über eine Beeinflussung der Darmflora.
Wenn Verstopfung im Mittelpunkt steht, behandelt man mit löslichen Ballaststoffen oder Abführmitteln. Bei Durchfällen werden gute Erfolge erreicht durch gallensäurebindende Präparate. Die Schmerzen werden klassischerweise durch krampflösende Medikamente wie Pfefferminzölkapseln oder Butylskopulamin behandelt.
„Die übermäßige Aktivierung der Nervenzellen im Darm spricht gut auf eine Behandlung mit Antidepressiva an“, weiß Professor Hasselblatt. Wesentlich sei aber, dass die Patienten gut mit Stress umgehen können. Sie lernen durch psychotherapeutische Verfahren - Entspannungsübungen, Biofeedback - die Körpersymptome gut unter Kontrolle zu halten, um den Alltag erträglich zu gestalten.
Die richtige Ernährung für Patienten mit Reizdarm
Ein wichtiger Baustein in der Therapie ist also die richtige Ernährung. Vielen Patientinnen und Patienten hilft die sogenannte Fodmap-arme Diät. Yvonne Penzold, selbst Reizdarm-Patientin, beschäftigte sich immer mehr mit der richtigen Ernährung, hat eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin absolviert.
Sie befasste sich mit der Fodmap-armen Diät der australischen Monash University und empfiehlt die Monash Fodmap App der Universität. „Hier findet man genaue Angaben, welche Fodmaps in welchen Lebensmitteln enthalten sind, und welche Menge von welchem Lebensmittel man essen darf.“
Ohne Fodmaps: Rezept für Kürbis-Süßkartoffel-Curry
Im grünen Bereich ist beispielweise Yvonne Penzolds Rezept für ein Kürbis-Süßkartoffel-Curry. Dazu verwendet sie ein selbstangesetztes Knoblauchöl, obwohl Knoblauch viele Fodmaps enthält.
„Das Knoblauchöl enthält keine Fodmaps, weil die Fodmaps wasserlöslich sind, aber nicht fettlöslich. Das heißt, wenn ich den Knoblauch in Öl anröste, gehen die Fodmaps nicht in das Fett über, sondern nur der Geschmack.“ Deswegen ist Knoblauchöl gut geeignet für die Fodmap-Diät und bringt Knoblauchgeschmack mit, ohne Fodmaps.
Ähnliche Tipps und Tricks gibt es auch für andere Lebensmittel - wie etwa Kichererbsen. Die Fodmap-Expertin empfiehlt, das Einweichwasser von Kichererbsen wegzuschütten, weil Fodmaps wasserlöslich sind und zusammen mit dem Einweichwasser entfernt werden.
Nicht nur die Wahl der Lebensmittel, auch die Menge spielt bei der Fodmap-armen Diät eine Rolle. So ist beispielsweise fodmap-haltige Kokosmilch kein Tabu. Yvonne Penzold sagt: „Kokosmilch kann man auch bei einer fodmaparmen Ernährung verwenden, weil es für jedes Lebensmittel eine grüne, eine gelbe und eine rote Portionsgröße gibt. Und in der grünen Portionsgröße, wie wir sie hier gerade verwendet haben, stecken so wenige Fodmaps drin, dass sie keine Verdauungsprobleme machen.“
Fodmap-Diät Süßkartoffel-Kürbis-Curry
Fein, würzig und gesund. Dieses Curry passt nicht nur in die Fodmap-Diät, es schmeckt auch fein aromatisch und ist schnell zubereitet. Ein Wohlfühlgericht mit aromatischem Kürbis.
Süße Schokoküchlein – Rezept ohne Fodmaps
Auch für Reizdarmpatienten muss es nicht immer nur Gemüse sein. Mit den richtigen Zutaten ist auch Süßes erlaubt, beispielweise Yvonne Penzolds Schokoküchlein. „Beim Mehl sollte man glutenfreies Mehl verwenden und bei der Schokolade darauf achten, dass keine Milch enthalten ist.“ Also entweder Schokolade mit sehr hohem Kakaoanteil oder laktosefreie Schokolade verwenden.
„Mittlerweile kriegt man ja an jeder Ecke glutenfreie Zutaten und auch die laktosefreien Produkte sind in jedem Supermarkt erhältlich.“ Bei den richtigen Rezepten greifen auch Naschkatzen ohne Reizdarm gerne zu.
Fodmap-Diät Schokoküchlein
Für alle Fans von Kakao ein Genuss und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Der kleine Kuchen lässt sich wunderbar in eine FODMAP-Diät integrieren. Ein wahrer Schokoladentraum.
Fodmap-arme Diät: Allein angehen oder mit professioneller Begleitung?
Professor Hasselblatt hält die Umsetzung der Diät mit der App für machbar. Eine Studie aus Belgien habe gezeigt, dass im hausärztlichen Bereich eine Behandlung mit einer Fodmap-armen Diät geleitet durch eine App wirksamer sei als eine Behandlung mit schmerzlindernden Medikamenten.
Langfristig sei aber eine Ernährungsberatung sinnvoll und hilfreich, denn nach der strikten Diät für vier bis sechs Wochen soll ja die Wiedereingliederung der einzelnen Nahrungsmittel erfolgen, um die auslösenden Mittel zu erkennen. „Häufig sind das Fruktose beinhaltende Zucker, sogenannte Fruktane - das ist etwas kompliziert, um das alleine hinzukriegen.“
Speiseplan: Reichen drei, vier Gerichte für eine fodmap-arme Diät?
Durch eine einseitige Diät mit nur wenigen Gerichten können Mangelzustände, Gewichtsverlust und ähnliches entstehen. Hinzu kommt, dass die Darmflora eine wichtige Rolle spielt bei der Krankheitsentstehung. „Je einseitiger ich mich ernähre, desto mehr verstärkt sich diese Dysbiose, diese Störung der Darmflora und die Beschwerden nehmen eher zu“, weiß Professor Hasselblatt.
Kann eine Fodmap-arme Diät den Reizdarm heilen?
Wenn nach einer Fodmap-armen Diät von vier bis sechs Wochen keinerlei Besserung eintritt, kann man die Diät auch wieder lassen, sagt Professor Hasselblatt. Nicht alle Patientinnen und Patienten sprechen darauf an: In der erwähnten Studie aus Göteborg waren es etwa 70 Prozent.
Der Experte bedauert: „Eine Heilung des Reizdarmsyndroms ist noch nicht möglich. Das heißt, man muss sich mit den Beschwerden arrangieren und langfristig einen Weg finden, über Diät oder über medikamentöse oder psychotherapeutische Verfahren damit im Alltag gut zurechtzukommen.“
Auch an der Uniklinik Freiburg werde multimodal und interdisziplinär unter Einbeziehung der Gastroenterologie, der Ernährungsmedizin, aber auch der Psychosomatik, behandelt, um Betroffenen von mehreren Seiten zu helfen.
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