Selbsttests aus Drogerie oder Apotheke versprechen, Mangelerscheinungen - etwa bei Vitamin D oder Eisen - schnell, unkompliziert und anonym anzuzeigen. Stimmt das?
Ständig müde, abgeschlagen, schlapp? Vielleicht könnte dahinter ein Eisenmangel, ein Mangel an Vitamin D oder eine Schilddrüsenunterfunktion stecken. Das suggeriert uns oft die Werbung verschiedener Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln - ein Milliardenmarkt.
Dennoch sind Mangelerscheinungen verbreitet und ernst zu nehmen. Besonders bestimmte Gruppen müssen einen stärkeren Fokus darauf legen, ausreichend versorgt zu werden, weil sie zum Beispiel einen erhöhten Bedarf haben - wie zum Beispiel Schwangere und Frauen mit starker Menstruation, die mehr Eisen benötigen. Ältere Menschen, die wenig draußen sind, neigen zu Vitamin-D-Mangel. Veganer sollten auf ihre Versorgung mit Eisen und Vitamin B12 achten.
Schnell, unkompliziert und anonym herausfinden zu können, ob ein Mangel besteht, versprechen diverse Selbsttests, die in Drogerien oder in Apotheken zu kaufen sind.
Diese Selbsttests haben wir uns angeschaut
Ergebnisse der Selbsttests
Lieber Selbsttest statt Arztbesuch?
Vitamin D, Eisen, Schilddrüsenunterfunktion
Lucinde (54 Jahre), Ann-Kathrin (30 Jahre) und Pauline (20 Jahre) wollen herausfinden, ob sie an Mangelerscheinungen leiden. Für Marktcheck probieren sie verschiedene Selbst- und Schnelltests aus - auf Vitamin D, Eisen und Schilddrüsenunterfunktion. Zum Vergleich lassen wir bei allen dreien im Klinikum Stuttgart Blut aus der Vene am Arm abnehmen und im Analyselabor des Klinikums untersuchen.
Bei den Schnelltests erhält man direkt ein Ergebnis, so wie wir es von den SARS-CoV-2-Schnelltests („Corona-Schnelltests“) kennen. Bei den Selbsttests entnimmt die Probandin selbst die Blutprobe und schickt diese in ein Labor. Alle Tests kann man in Drogerien oder Apotheken kaufen.
Folgende Tests haben die drei Frauen ausprobiert:
Selbsttests und Schnelltests im Vergleich
- Selbsttests von Cerascreen haben wir bei dm und Müller gekauft. Die Preise: 29,59 Euro (Vitamin D), 40,90 Euro (Eisen) und 69 Euro (Schilddrüsenunterfunktion).
- Schnelltests von Nanorepro gibt es online und bei dm. Die Preise: 9,95 Euro (Vitamin D), 10,95 Euro (Eisen), 15,99 Euro (Schilddrüsenunterfunktion)
- Schnelltests von Aspilos aus der Apotheke. Die Preise: Jeweils 9,95 Euro für Vitamin D, Eisen und Schilddrüsenunterfunktion.
Selbsttests von Cerascreen: Probe wird eingeschickt
Für die Selbsttests von Cerascreen muss mit einer beigelegten Stechhilfe die Fingerkuppe angepiekst werden – die entstehenden Blutstropfen sollen direkt auf die jeweils vier Kreise eines Teststreifens gegeben werden.
Unsere Testerinnen finden es gar nicht so einfach, genug Blut herauszubekommen, um die Kreise zu füllen. Die Teststreifen werden ins Labor geschickt, die Ergebnisse sollen wir rund eine Woche später bekommen.
Das funktioniert teilweise: Alle drei Selbsttests auf Schilddrüsenunterfunktion konnten nicht ausgewertet werden, außerdem Lucindes Vitamin-D-Test. Es sei zu wenig Blut auf den Teststreifen gewesen, schreibt uns das Labor.
Cerascreen teilt uns schriftlich mit: „In solchen Fällen schicken wir Ersatz-Testkits, so lange, bis die Analyse funktioniert. Tatsächlich ist es beim Schilddrüsen-Test besonders wichtig, dass ausreichend Blut auf der Karte ist. Deswegen kommt es bei diesem Test überdurchschnittlich oft zu nicht auswertbaren Proben.“
Soll der Test wiederholt werden, muss man das Ersatzkit extra angefordern.
Wie zuverlässig sind die Cerascreen-Selbsttests?
Bei den Cerascreen-Tests stimmten die Ergebnisse bei unserer Stichprobe mit den Ergebnissen des Labors des Klinikums Stuttgart überein. Die Anzahl der Tests, die nicht ausgewertet werden konnten, war jedoch ziemlich hoch.
Schnelltests von Nanorepro und Aspilos
Bei den Schnelltests von Nanorepro und Aspilos muss Blut mit Hilfe einer kleinen Pipette an der Fingerkuppe aufgenommen und auf die Teststreifen getropft werden. Nach 15 Minuten können die Ergebnisse abgelesen werden.
Ergebnisse der Selbsttests
Bei allen drei Testerinnen ist laut Schnelltests der Vitamin-D-Wert im Keller. Eisenmangel wurde bei keiner von ihnen angezeigt – ebenso wenig eine Schilddrüsenunterfunktion.
Stimmen die Ergebnisse? Wir vergleichen sie mit unserer Blutanalyse aus dem Labor. Demnach entsprechen bei Lucinde alle Werte der Norm. Beim Eisen hatten die Schnelltests dies auch so angezeigt – beim Vitamin D wurde von den Schnelltests allerdings fälschlicherweise ein Mangel festgestellt.
Professor Dr. Ralf Lobmann, Ärztlicher Direktor der Endokrinologie am Klinikum Stuttgart: „Die im Schnelltest angezeigte mangelhafte Situation liegt mit Sicherheit nicht vor. Und die zusätzliche Gabe von Vitamin D als Nahrungsergänzung wäre hier ein Fehler.“
Auch bei Ann-Kathrin (30) hatten die beiden Schnelltests einen Vitamin D-Mangel angezeigt. Der Cerascreen-Labortest zeigte ebenfalls einen leichten Vitamin D-Bedarf an. Die übrigen Werte waren in Ordnung. Und tatsächlich: Auch die Blutanalyse bestätigt einen leichten Vitamin D-Mangel. Bei ihr sind die Selbsttests also korrekt.
Professor Lobmann empfiehlt Ann-Kathrin Vitamin-D-Präparate: 800 bis 1.000 Einheiten pro Tag. Sie hatte vorab über häufige Müdigkeit geklagt – möglicherweise ließen sich hier Verbesserungen erzielen, so der Arzt.
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Schnelltests ersetzen keine Labortests
Auch die 20-jährige Pauline hat von den Schnelltests einen Vitamin-D-Mangel bescheinigt bekommen – der Labortest von Cerascreen und unser Labortest widersprechen dem jedoch.
Zu den abweichenden Ergebnissen teilt uns Nanorepro mit: „Während Schnelltests darauf ausgelegt sind, innerhalb kurzer Zeit eine Orientierung zu bieten, liefern Labortests unter kontrollierten Bedingungen präzisere und detailliertere Ergebnisse.“
Aspilos schreibt: „Es ist wichtig zu betonen, dass unsere Selbsttests als erster Anhaltspunkt dienen und keineswegs einen Labortest oder eine ärztliche Diagnose ersetzen sollen.“
Fazit: Wie zuverlässig messen Selbsttests Mangelerscheinungen?
In unserer Stichprobe lagen die Schnelltests bei Eisenmangel und Schilddrüsenunterfunktion richtig, bei Vitamin-D-Mangel häufiger falsch als richtig.
Die Labor-Selbsttests lieferten in unserer Stichprobe korrekte Ergebnisse, allerdings war die Probenentnahme eher schwierig und es konnten daher vergleichsweise viele Proben nicht ausgewertet werden.
Mangelerscheinungen: Selbsttest oder lieber zum Arzt?
Bei entsprechender Indikation – also, wenn der Arzt meint, es könnte eine Mangelerscheinung hinter gewissen Symptomen stecken – übernimmt die Krankenkasse die Kosten für viele Tests. Und auch wenn ich die Tests beim Arzt selbst zahle, ist das in der Regel noch günstiger als die Selbsttests, die ins Labor geschickt werden müssen (man muss mit etwa 15 bis 33 Euro rechnen).
Dennoch greifen viele Menschen zu Selbsttests. Sie versprechen einen geringeren Aufwand als der Arztbesuch und gewährleisten Anonymität. Die Corona-Pandemie hat zudem den Umgang mit Selbsttests normalisiert.
Dennoch spricht viel dafür, sich direkt beim Arzt untersuchen zu lassen, statt zuerst zum Selbsttest zu greifen. Zum einen sind nicht alle Testergebnisse zuverlässig, wie auch unsere Stichprobe gezeigt hat. Zum anderen raten Hersteller von Selbsttests in der Regel dazu, bei positiven Testergebnissen diese beim Arzt abgleichen und einordnen zu lassen.
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