Wie gesund ist Yoga wirklich? Kann es bei Bluthochdruck, chronischem Stress, Nacken- und Rückenschmerzen oder schlechter Laune helfen?
Yoga – eine Massenbewegung
Yoga bewegt Millionen. Weltweit sollen es um die 300 Millionen Menschen sein, in Deutschland allein über 3,5 Millionen, die regelmäßig Yoga praktizieren.
Das Internet ist voll von Menschen, die Yoga-Übungen zum Nachahmen zeigen. Ihre Click-Zahlen schnellen Ende Dezember, Anfang Januar jedes Jahr besonders in die Höhe.
Die Versprechen beziehungsweise Hoffnungen dahinter scheinen endlos: Für einen schöneren, jüngeren, schlankeren und gesünderen Körper, für eine bessere Haltung, bessere Stimmung, mehr Gelassenheit, mehr Beweglichkeit, besseren Schlaf, weniger Schmerzen, weniger Stress. Zu schön, um wahr zu sein? Was ist da dran?
Tausende Studien zu Yoga und Gesundheit
Fakt ist: mittlerweile gibt es weltweit Tausende Studien, die sich mit dem Thema Yoga und körperlicher beziehungsweise seelischer Gesundheit befassen.
Ihre Wissenschaftlichkeit ist dabei sehr unterschiedlich. Auch ihre Vergleichbarkeit: Denn entscheidend für einen positiven gesundheitlichen Effekt ist offenbar nicht nur die Art, Dauer und Intensität der Körperübungen, sondern auch das Zusammenspiel von gezielten Bewegungen und Atemübungen und oder Meditationen. Dabei ist Yoga eben nicht gleich Yoga!
Yoga – was heißt das?
Das Wort Yoga stammt aus der altindischen Sprache Sanskrit und bedeutet so viel wie “Einheit” oder “Harmonie”. Gemeint ist die Einheit von Körper und Geist.
Im Herkunftsland Indien ist Yoga keine Körper-, sondern eine Lebenseinstellung. Das Fundament dabei: Ayurveda, diese jahrtausendealte ganzheitliche indische Heiltradition, die mit “Wissen vom Leben” übersetzt werden kann. Yoga soll demnach dabei unterstützen, das höchste Ziel der indischen Lehre zu erreichen: Der Zustand höchster Erkenntnis.
Ursprünglich bestand Yoga aus meditativen Sitzhaltungen, den so genannten “Asanas”, was wörtlich mit “Sitz” übersetzt werden kann.
Die Yoga-Stile, wie sie heute bei uns beliebt sind und die aus Abfolgen von verschiedenen Körperhaltungen bestehen, sind dagegen recht neu.
Der indische Guru Trumulai Krishnamacharya gilt als einer der ersten, der vor etwa 120 Jahren die Asanas, die wir heute kennen, in die Yoga-Praxis einbaute. Er erweiterte die bis dato nahezu reine Atem- und Meditationspraxis des Yoga um Körperübungen.
Yoga ist nicht gleich Yoga
Heute versteht man unter Asana “Körperhaltung” oder Position. Die Auswahl, Verweildauer, Zusammenstellung und Abfolge dieser Positionen sowie die Verbindung mit Atem- beziehungsweise Mediationsübungen unterscheidet die verschiedenen heute bekannten Yoga-Stile. Auch ihre Wirkungen auf Körper und Psyche unterscheiden sich laut Studien teils stark.
Ausgleichende und langsamere Yoga-Formen:
- Hatha-Yoga: ist wohl die weltweit bekannteste Yoga-Richtung. Bei Hatha-Yoga geht es vorrangig um langsame und entspannte, statische Körperübungen zur Kräftigung sowie Atemübungen.
- Kundalini-Yoga: mit seinen Atem- und Meditationstechniken ist Kundalini eine spirituellere Yoga-Richtung.
- Yin-Yoga: Beim ruhigeren Yin-Yoga geht es darum, Positionen über einen längeren Zeitraum hinweg zu halten, ohne größere Muskelaktivität. Oft werden bestimmte Yin-Yoga-Haltungen vor dem Einschlafen oder auch in der Schwangerschaft empfohlen.
Körperlich fordernder sind die folgenden Yoga-Stile:
- Ashtanga-Yoga: gilt als Ursprung aller heute gängigen Yoga-Stile. Es entstand vor rund 100 Jahren und hat Einflüsse aus der Fitness- und Gymnastik-Bewegung. Ashtanga gilt als eine der härtesten und forderndsten Yoga-Stile. Praktiziert werden, anders als bei den anderen Stilen, die immer wieder gleichen Bewegungsabfolgen.
- Viniyasa-Yoga: ist eine dynamische und tänzerische Abwandlung des eher statischen Hatha-Yoga. Die Bewegungen werden dabei zügig ausgeführt und fließend aneinandergereiht.
- Bikram-Yoga: beim Bikram-Yoga werden 26 bestimmte Haltungen in einem auf 40 Grad Celsius aufgeheizten Raum ausgeführt. Die Idee dahinter: die Wärme soll beim Dehnen helfen und Entgiftungsprozesse des Körpers unterstützen.
- Power-Yoga: die amerikanische Variante des Ashtanga-Yoga. Wichtigster Unterschied zu allen anderen Stilen: meditative oder spirituelle Elemente fehlen hier (fast) ganz, der Fokus liegt ganz klar auf der Körperkraft.
Und welche Yoga-Form ist nun die beste für Körper und Geist? Hier kommt ein Fakten-Check:
Yoga: Das bringt es wirklich
Sicher ist: Art, Dauer und Intensität der Haltungen und die Kombination mit Atem- und Meditationstechniken sowie die Regelmäßigkeit beim Praktizieren entscheiden über die Wirkung(en).
- Yoga reduziert Stress: Ja! Viele Studien kommen zu dem Schluss: Yoga hat eine stressreduzierende Wirkung. Vor allem die Atem- und Meditationsübungen scheinen hier eine Rolle zu spielen. Derartiges Yoga aktiviert gezielt unseren “Ruhenerv” Parasympathikus, der dafür sorgt, dass wir uns entspannen. Die Ausschüttung des Stresshormons Cortisols wird reduziert. Das Gehirn schüttet mehr Gamma-Aminobuttersäure aus – ein Botenstoff, der bei der Entspannung hilft. So kann Yoga sogar bei psychischen Erkrankungen helfen.
- Yoga kann bei Depressionen helfen: Ja! Besonders Yoga-Formen, die Bewegungen mit Atemübungen und Meditationen kombinieren, scheinen bei leichten bis mittelschweren Depressionen zu helfen, wie eine zusammenfassende Studie der Universität Chemnitz ergab.
- Yoga hilft bei Rücken- und Nackenschmerzen: Ja – vermutlich! Auch das legt die Studie der Universität Chemnitz nahe. Beim Yoga werden Muskeln, Bänder und Faszien gedehnt und besonders die tieferliegenden Muskelgruppen trainiert. Zudem verändert sich die Selbstwahrnehmung: Wer Rücken- und Nackenbeschwerden hat und regelmäßig Yoga praktiziert, wird auch die Körperhaltung beim Sitzen am Schreibtisch korrigieren, was chronische Schmerzen bekämpfen hilft. Vor allem körperlich forderndere Yoga-Formen könnten hier helfen.
- Yoga hilft, den Blutdruck zu senken: Ja! Regelmäßiges Training kann sich günstig auf den Blutdruck und das gesamte Herz-Kreislauf-System auswirken, das belegen zahlreiche Studien.
- Yoga hilft beim Abnehmen: Vielleicht. Es gibt Untersuchungen, die diesen Rückschluss nahelegen, eine gesicherte Studienlage fehlt hierzu allerdings bislang.
- Yoga macht jünger und schöner: Naja! Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Fakt ist, dass regelmäßig ausgeübtes Yoga die eigene Körperwahrnehmung verbessert, was einen gesünderen und bewussteren Lebensstil fördern kann.
Yoga – welche Risiken gibt es?
Vor allem Menschen mit Bluthochdruck sollten Kopf-über-Yoga-Haltungen wie Kopfstand oder ähnliches meiden, empfiehlt Dr. Med. Christian Kessler vom Immanuel Krankenhaus Berlin.
Angst- oder Panik-Patienten rät er zu ruhigen, ausgleichenden Yoga-Übungen und von aktivierenden, dynamischen Übungen und Stilen ab.
Im Zweifel lieber Rücksprache mit einem Arzt, einer Ärztin oder erfahrenden Trainer*innen halten.
Auch in der Schwangerschaft sollten die Übungen mit Expert*innen abgestimmt sein.
Hier zeigt sich auch der Nachteil einer möglichen reinen Youtube-Yoga-Praxis. So verlockend es auch ist, Yoga-Training per Internet: schier unerschöpfliche Angebote, kostenlos, bequem von zuhause aus, ohne Gefahr, sich vor anderen zu blamieren und mit der Möglichkeit, jederzeit abzubrechen.
Doch gerade Yoga-Anfänger*Innen sollten zu Beginn ein reales Training den Youtube-Tutorials vorziehen. Denn darin korrigiert niemand eine möglicherweise falsche Haltung vor dem Bildschirm, mögliche Körperrückmeldungen wie Ziehen oder gar Schmerzen können nicht eingeordnet und berücksichtigt werden.
Experte aus dem Film: Dr. Med. Christian Kessler, Oberarzt der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin, Facharzt für Innere Medizin, Fachgebiet: Traditionelle Indische Medizin und Ayurveda