Der Gotthard bildet das Rückgrat der Schweizer Alpen und ein gewaltiges Verkehrshindernis. Mühsam quälen sich Lokomotiven hinauf zum alten Gotthard-Tunnel in 1150 Metern Höhe. Unzumutbar für die Hochgeschwindigkeitszüge, die künftig zwischen Zürich und Mailand hin und her rasen sollen. Deshalb baut die Schweizer Alptransit im Gotthardmassiv den längsten Eisenbahntunnel der Welt.
Zwei Röhren mit je 57 Kilometern Länge werden durch den Gotthard getrieben. Zwei riesige Tunnelbohrmaschinen fräsen sich von Norden und zwei von Süden durch das Gestein. Der Scheitelpunkt des Tunnels wird in nur 550 Metern über dem Meer liegen, so verkürzt sich die Reisezeit zwischen Zürich und Mailand um eine Stunde. Im Jahr 2014 sollen die ersten Züge durch den Tunnel rollen. Sissi, wie sie die Tunnelbohrmaschine liebevoll nennen, frisst sich von Süden, von Bodio aus, durch den Gotthard.
Sie hat bisher 6 Kilometer ausgebrochen. 20 Kilometer muss sie noch machen. Sissi ist gerade mitten rein in eine Störzone gefahren. Das Gestein ist brüchig. Kubikmeterweise donnern die Felsen auf die Maschine. Heiß ist es hier unten und irrsinnig laut. Die Männer vorne am Bohrkopf haben einen gefährlichen Job. Mit Rundbögen, Stahlmatten und viel Beton sichern sie das Bohrloch, damit der Berg nicht noch mehr Brocken ausspuckt. 2300 Meter Gestein türmen sich über den Tunnelbauern auf. Ein riesiges Loch hat sich über ihren Köpfen aufgetan. Der Gotthard wehrt sich. Keiner weiß, wie hoch die Störzone noch reicht. Unter diesen geologischen Verhältnissen geht es nur mühsam vorwärts. Gerade mal 5 Meter schaffen sie am Tag. Bei standfestem Gestein sind 25 Meter drin. Das zerrt an den Nerven.
(ESD: 25.06.2006)