Mit der Vinschgaubahn fahren wir von Mals nach Meran. 60 Kilometer fährt der Zug entlang der Etsch aus der Welt der Berge und Gletscher hinab ins mediterrane Flair der Kurstadt. Immer noch entlang der Etsch fahren wir weiter bis nach Bozen. Hier steigen wir um in eine Seilbahn, die uns auf das fast 1.000 Meter höher gelegene Hochplateau Ritten bringen. Das Paradies für Sommerfrischler wurde einst mit der Rittnerbahn erschlossen. Teile davon existieren noch heute – ein nostalgischer Ausflug in die Bahngeschichte Südtirols.
Ursprünglich hätte die 1906 eröffnete Vinschgaubahn über den Reschenpass nach Landeck in Tirol weitergebaut werden sollen, doch der Erste Weltkrieg kam dazwischen. Danach fiel das Gebiet des heutigen Südtirols an Italien und damit auch die Eisenbahn, die bis in die 90er Jahre von der italienischen Staatsbahn betrieben wurde. Die Bahn hatte es damals nicht leicht, Investitionen aus dem fernen Rom waren selten. Unpünktliche Züge und Busparallelverkehr sorgten für immer weniger Fahrgäste. 1990 fuhr der letzte Personenzug.
Das sollte so bis 2005 bleiben. Damals wurde die Strecke wiedereröffnet. Nun setzt sich das Land Südtirol für die Bahn ein und investiert kräftige in die Modernisierung der Strecke und Sicherheitstechnik. Moderne Fahrzeuge mit Klimaanlage und WLAN sorgen zu dem für angenehmen Reisekomfort. Das Zugangebot wird von Einheimischen wie Touristen gleichermaßen gut angenommen, so dass die Kapazität heute bei Weitem nicht mehr ausreicht. 2019 soll die Strecke deshalb elektrifiziert sein. Dann können Züge mit mehr Sitzplätzen fahren. Die Kapazität soll sich dann von 5.000 Plätzen täglich auf 16.000 steigern. Lästiges Umsteigen in Meran gehört dann der Vergangenheit an, Züge können dann durchgängig von Mals via Meran nach Bozen und von dort weiter nach Innsbruck oder Verona fahren.
Die Vinschgaubahn ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Politik mehr Verkehr auf die Schiene bringen kann – wenn sie will. Neben der wechselvollen Geschichte der Bahnstrecke, erzählt der Film auch von Interessantem und Sehenswertem links und rechts der Strecke. Das Team um Alexander Schweitzer besucht beispielsweise in Laas einen Marmorbruch, wo einer der wertvollsten Marmorarten weltweit abgebaut wird. Und natürlich wird auch über die Apfelbauern berichtet, die früher gar nicht von der Bahn begeistert waren. Und wer weiß schon, dass im Vinschgau eine der ersten Schreibmaschinen erfunden wurde?
In Meran steigen wir in den Zug nach Bozen. Für die Entwicklung der Kurstadt Meran hatte die 1881 eröffnete Bahnstrecke Bozen – Meran eine zentrale Bedeutung. Kaiserin Elisabeth, vielen besser bekannt als Sisi, oder auch der russische Hochadel kamen mit der Bahn. Es gab sogar Kurswagen St. Petersburg – Meran. Die äußerst gewinnträchtige Strecke wurde erbaut und betrieben von der Gesellschaft Bozen-Meraner Bahn als private Sekundärbahn. Beim Bau der Strecke zahlt damals das Kaiserreich Subventionen, aber nur durch einen Trick: Ab 30 Kilometer Streckenlänge beteiligte sich der Staat an den Baukosten. Da die Strecke aber nur 30 Kilometer maß, wurde sie durch Kurven künstlich verlängert auf 31,8 Kilometer – daraufhin flossen die Subventionen. Nachdem Ersten Weltkrieg ist die Strecke Teil des italienischen Eisenbahnnetzes, es verkehren Züge der Trenitalia sowie landeseigene Züge der Südtirol Bahn und der Vinschgaubahn.
Im herrlichen Bozen besuchen wir den Waltherplatz mit dem Denkmal Walther von der Vogelweides. Er soll angeblich in Südtirol geboren worden sein. 1889 wurde das Denkmal erbaut und sollte das Deutschtum Bozens betonen. Später instrumentalisierten die Nazis Andreas Hofer als Verteidiger des Deutschtums, er sollte angeblich Bozen als letzte "deutsche" Stadt verteidigt haben. In der Nähe des Bahnhofs werfen wir noch einen Blick in das Parkhotel Laurin. 1910 erbaut, ist das Hotel eine Art Museum der Kunst des 20. Jahrhunderts. Der kunstsinnige Inhaber hat in jedem Zimmer Werke u.a. von so bedeutenden Künstlern wie Kandinsky, Kokoschka oder Flora aufgehängt.
Aufgrund seiner Kessellage ist es in Bozen im Sommer recht heiß und schwül. Wohlhabende Bozener haben sich daher seit Langem zur Sommerfrische auf das fast 1.000 Meter höher gelegene Hochplateau Ritten begeben. Noch heute verbringen etwa 500 Personen den Sommer oben im Örtchen Maria Himmelfahrt. Um leichter hinauf zu kommen, wurde eine Zahnradbahn, die Rittnerbahn, gebaut. In den 60er Jahren war sie dann nicht mehr zeitgemäß und heute bringt eine moderne Seilbahn Sommerfrischler und Touristen in 11 Minuten hinauf. Oben ist es merklich kühler. Das Panorama auf die Dolomiten ist eine Pracht und schon Sigmund Freud kam per Bahn hier hoch und hat sich in der Ruhe und Schönheit der Natur inspirieren lassen. Eine kleine Schmalspurbahn fährt noch bis Klobenstein, nahe den berühmten Erdpyramiden.
Wir beenden unsere Reise durch Südtirol auf dem Rittnerhorn mit einem sensationellen Blick auf die in der Abendsonne rotglühenden Felsen der Dolomiten.
(ESD: 26.12.2016)