Eine Montagelinie für New Energy Vehicles (NEV) von BYD, Chinas führendem NEV-Hersteller, im BYD-Werk in Zhengzhou in der zentralchinesischen Provinz Henan.

Teurere Exporte, Gegenzölle?

Was die EU-Strafzölle gegen E-Autos aus China bringen könnten

Stand
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Katharina Fortenbacher-Jahn
Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft
Michael Herr
Lena Stadler

Die EU-Kommission macht ernst - und erhebt Sonderzölle auf E-Autos aus China. Dass jetzt ein Handelskrieg folgt, ist damit noch nicht gesagt.

Was hat die EU-Kommission genau beschlossen?
Warum hat die Kommission Strafzölle eingeführt?
Was haben die jüngsten Gespräche zwischen EU und China gebracht?
Werden E-Autos in Europa jetzt teurer?
Könnte China bald Gegenzölle beschließen?
Was halten die deutschen Autohersteller von dem Schritt?

Was hat die EU-Kommission genau beschlossen?

Die Brüsseler Spitzenbehörde hat zusätzliche Einfuhrzölle für in China gefertigte E-Autos in Kraft gesetzt. Eine entsprechende Verordnung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Die vorgesehenen Zollsätze sind je nach Autohersteller unterschiedlich. Auf BYD, das während der Untersuchung mit Brüssel kooperiert hat, kommen Einfuhrzölle in Höhe von 17,4 Prozent zu, der Mercedes-Anteilseigner und Kooperationspartner Geely, der den Smart sowie den Volvo EX30 produziert, wird Zölle in Höhe von 19,9 Prozent zahlen müssen. Hersteller, die nicht mit der Kommission zusammenarbeiten wollten, müssen den Zoll-Höchstsatz in Höhe von 37,6 Prozent zahlen. Unter diesen Satz fällt zum Beispiel der chinesische staatliche VW-Partnerkonzern SAIC, der mit dem MG4 mittlerweile eines der nach Neuzulassungszahlen in Deutschland beliebtesten E-Autos baut, oder die BWM-Tochter Mini. Ursprünglich hatte die Kommission etwas höhere Zollsätze angesetzt. Der Wert wurde auf Kritik an der Berechnungsgrundlage hin leicht angepasst. Bei den Zöllen handelt es sich um vorläufige Zusatzzölle, das heißt, sie kommen zum ohnehin bestehenden Zollsatz von zehn Prozent dazu.

Die Maßnahmen treten ab dem 5. Juli 2024 um 0 Uhr in Kraft. Allerdings werden die Zölle zunächst nicht gezahlt, die Unternehmen müssen lediglich Bankgarantien hinterlegen. Die Zölle gelten höchsten für eine Dauer von vier Monaten, gelten also weiterhin als vorläufig. Spätestens im November müssten die Mitgliedsstaaten beschließen, die Zölle langfristig erheben zu wollen. Ob sich die Regierungen zu diesem Schritt durchringen können, ist Stand heute unklar. Die Bundesregierung ist Regierungskreisen zufolge gegen den Schritt.

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Warum hat die Kommission Strafzölle eingeführt?

Die Kommission hat festgestellt, dass die betroffenen E-Auto-Hersteller aus China gegenüber den europäischen Herstellern einen unfairen Wettbewerbsvorteil genießen. Hintergrund sind die hohen Subventionen, die die chinesische Regierung den Unternehmen entlang der gesamten Werschöpfungskette gewährt. Dadurch drohe der Industrie in Europa eine unmittelbare Schädigung. Wegen der Vorwürfe hat die EU-Kommission bereits im vergangenen Herbst eine Anti-Dumping-Untersuchung eingeleitet, deren Ergebnisse im Juni vorgestellt wurden. Für die Untersuchung hat die Kommission Informationen von sämtlichen Autoherstellern angefordert, die in China E-Autos produzieren und in die Europäische Union exportieren.

"Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen gedrückt - das verzerrt unseren Markt."

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen spricht auf einer Medienkonferenz während eines EU-Gipfels.

Die Zölle sollen dazu dienen, den Wettbewerbsvorteil der chinesischen Hersteller auszugleichen. Zumindest so lange, bis doch noch eine andere Lösung gefunden wird.

Im Juni wurde der chinesischen Industrie nämlich eine Schonfrist gewährt. Erst am 4. Juli sollten die Zölle in Kraft treten. In den Wochen zuvor wollte die Kommission ausloten, ob China doch noch faire Wettbewerbsbedingungen für seine E-Auto-Industrie herstellt.

Was haben die jüngsten Gespräche zwischen EU und China gebracht?

Ende Juni hatten EU-Kommission und chinesische Regierung vereinbart, über die europäischen Vorwürfe zu verhandeln. Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao. Von europäischer Seite hieß es, das Gespräche sei "offen und konstruktiv" gelaufen. Am Ende der Verhandlungen müssten allerdings wirksame Maßnahmen gegen schädliche Subventionen der E-Autos stehen.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses des EU-Parlaments, Bernd Lange, bestätigte, dass es seither intensive Gespräche mit der chinesischen Seite über die von der EU-Kommission gesammelten Fakten gebe. Die Verhandlungen verliefen sehr professionell und sachlich:

"Zeile für Zeile wird nachgefragt, wo ist die Begründung ist, und ob man das akzeptieren kann."

Bernd Lange, ein Mann mittleren Alters in weißem Hemd und schwarzem Sakko und Brille, lächelt dezent in die Kamera, im Hintergrund sind schlichte Betonsäulen zu erkennen

Diese Verhandlungen dürften auch in den kommenden Wochen fortgesetzt werden.

Werden E-Autos in Europa jetzt teurer?

Da sind die Experten uneins. Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft zufolge könnten Zölle in Höhe von 20 Prozent die Einfuhr chinesischer E-Autos nach Europa um 25 Prozent reduzieren. Diese Lücke müssten europäische Hersteller schließen, was aufgrund der teureren Produktionsbedingungen in der EU zu steigenden Preisen führen dürfte.

Ähnliche Stimmen kommen auch aus der Industrie: Der Smart-Europachef Dirk Adelmann erinnerte daran, dass E-Autos im unteren und mittleren Preissegment bislang so gut wie nie in Europa gebaut würden. Höhere Zölle könnten die EU-Klimaziele im Bereich Verkehr in Gefahr bringen, erklärte der Manager des deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunternehmens.

Andere meinen, um den europäischen Markt wirklich unattraktiv für die chinesischen Hersteller zu machen, brauche es deutlich höhere Zölle als die nun in Kraft getretenen: Einfuhrzölle ab einer Höhe von 40 oder 50 Prozent könnten die Chinesen wirksam vom europäischen Markt fernhalten. Niedrigere Werte könnten dagegen verpuffen. Chinesische Autobauer können nämlich derart günstig produzieren, dass sie einfach ihre Verkaufspreise senken und damit die Zölle ausgleichen könnten, so die Befürchtung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wären dann also kaum betroffen.

Manche chinesischen Modelle kosten derzeit in Europa das Doppelte wie in China. Da ist also genügend Spielraum, um die Preise abzusenken. Der europäische Markt ist auch deshalb derzeit äußerst attraktiv für die chinesischen Hersteller. Aktuell spielen sie auf dem hiesigen E-Auto-Markt dennoch eine geringe Rolle. Aber weil infolge der staatlichen Subventionen die Konkurrenz auf dem chinesischen Markt sehr groß ist, findet dort ein großer Preiskampf statt. Deshalb drängen die chinesischen Hersteller nach Europa.

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Wird China bald Gegenzölle beschließen?

Erste Schritte in diese Richtung hat die chinesische Regierung bereits unternommen: Wenige Tage nach der ersten Zollankündigung der EU-Kommission Mitte Juni hat das Handelsministerium in Peking eine Antidumping-Untersuchung gegen aus der EU importiertes Schweinefleisch und Schlachtnebenprodukte eingeleitet. Eine ähnliche Ermittlung hatte die Regierung schon im Januar gegen französischen Branntwein angekündigt.

Beunruhigender für den Industriestandort Südwesten wären allerdings chinesische Einfuhrzölle für europäische Autos. Vor einiger Zeit hatte die Volksrepublik angedeutet, bei einer Zuspitzung des Handelskonflikts Zölle auf europäische Luxusautos mit großem Hubraum zu prüfen. Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) hat nicht zuletzt deshalb Anfang Juli nochmal eindringlich vor der Inkraftsetzung der Zölle gewarnt. 2023 hätten etwa ein Drittel der aus Deutschland nach China exportieren Fahrzeuge einen Motor mit mehr als 2,5 Litern Hubraum gehabt. Exportiert werden vor allem Spitzenmodelle wie die Mercedes S-Klasse oder das 7er-Modell von BMW. Allerdings können sich diese Wagen ohnehin nur Angehörige der Oberklasse leisten. Ob sie sich wegen möglicher Gegenzölle komplett von den Modellen abwenden würden, ist unklar.

Dass es zu einer solchen Eskalation des Zollkonflikts kommen muss, ist allerdings alles andere als ausgemacht. EU-Parlamentarier und Handelspolitiker Bernd Lange glaubt nicht daran. Wenn gegenüber der chinesischen Seite Subventionsvorwürfe klar erklärt und belegt wurden, habe diese auch in der Vergangenheit nicht automatisch Gegenzölle erhoben:

"Wir haben 185 Antidumpingmaßnahmen in Kraft, etwas mehr als die Hälfte davon gegen Produkte aus China gerichtet. Bei E-Bikes beispielsweise haben wir Zölle zwischen 40 und 80 Prozent. Wir haben nicht erlebt, dass China deswegen Zölle auf europäischen Wein erhoben hätte."

Was halten die deutschen Autohersteller von dem Schritt?

Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hat das Inkraftsetzen der Zusatzzölle scharf kritisiert. Verbandspräsidentin Hildegard Müller sprach von einer "protektionistischen Maßnahme", die das Risiko eines Handelskonflikts berge.

Ähnlich urteilt man bereits im Juni beim Porsche-Mutterkonzern Volkswagen: Damals erklärte ein Konzernsprecher, für die aktuelle Nachfrageschwäche für E-Autos in Europa sei der Zeitpunkt der Kommissionsentscheidung nachteilig. Der Chef des Stuttgarter Autobauer Mercedes, Ola Källenius, lehnte die Strafzölle ebenfalls ab. Als Exportnation könne man keine steigenden Handelshindernisse gebrauchen. Freier Welthandel treibe Innovationen und Wachstum, so Källenius. Ähnlich äußerte sich der Chef des weltweit größten Autozulieferers Bosch aus Gerlingen bei Stuttgart, Stefan Hartung. Höhere Zölle könnten das Wirtschaftswachstum bremsen, die Inflation befeuern und damit viele Menschen treffen.

Der chinesische Markt ist extrem wichtig für die deutsche Industrie. Experten schätzen, dass die deutschen Hersteller dort mehr als ein Fünftel ihrer weltweiten Gewinne machen. Außerdem produzieren viele Hersteller selbst in China oder arbeiten wie zum Beispiel Mercedes, Volkswagen und BMW eng mit Autobauern aus China zusammen, um bestimmte Modelle zu produzieren. Mercedes baut mit Geely den Smart – der dann auch unter diese Zölle fallen dürfte.

Mit Material von dpa und Reuters

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