Eine Person rollt eine lilane Matte aus, um Sport zu machen.

Fitness

Pilates im Check: Wirklich ein Allheilmittel?

Stand
Autor/in
Heike Scherbel

Pilates hat nun auch die sozialen Medien erobert. Es soll den ganzen Körper fit, straff und schlank machen, bei allerlei Gesundheitsproblemen helfen und sogar Depressionen lindern.

Wir gehen zu den Ursprüngen und schauen, ist Pilates besser als andere Trainingsmethoden, und wo muss man aufpassen?

Dr. Isabell Mommert, Orthopädin und Pilates-Trainerin aus Tübingen, erklärt: „Pilates ist gesundheitsförderlich, weil es zu einer Kräftigung der Rumpfmuskulatur, Stabilität und zu einer verbesserten Balance führt. Die Sturzneigung nimmt ab - gerade für ältere Personen ist es geeignet.“

Eine ältere Frau und ein älterer Herr machen zusammen mit einer Trainerin eine Pilatesübung in Rückenlage.
Für fast jedes Alter geeignet!

Mit Pilates gesundheitliche Probleme lindern

Die 20-jährige Abiturientin in unserem Beispielfall hat eine leichte Skoliose, also eine Wirbelsäulenverkrümmung, und deshalb Rückenbeschwerden. Ihre Mutter riet ihr zu Pilates, weil das Ganzkörpertraining besonders Bauch- und Rückenmuskulatur stärken soll. Bereits nach wenigen Trainingseinheiten spürt sie, ihre Haltung wird besser und die Rückenschmerzen verschwinden.

Trainerin Davorka Kulenovic leitet seit knapp 20 Jahren ein Pilates-Studio in Stuttgart. Die ehemalige Profi-Balletttänzerin hatte selbst große körperliche Probleme, bevor sie mit Pilates begonnen hat. Sie sagt, sie habe ihren Körper erst richtig kennengelernt durch Pilates und trainiert seit 28 Jahren täglich.

So funktioniert das Ganzkörpertraining mit Pilates

Pilates ist ein Ganzkörpertraining. Im Fokus steht die tiefliegende Bauch- und Rückenmuskulatur, beim Pilates Powerhouse genannt. Pilates arbeitet mit mehreren Prinzipien:

  • Durch Konzentration sollen Körper und Geist in Harmonie gebracht werden. Nichts, auch keine Musik, soll ablenken.
  • Eine gleichmäßige Atmung aktiviert die Tiefenmuskulatur und soll Verspannungen lösen.
  • Alle Bewegungen werden kontrolliert und präzise ausgeführt, um auch kleinste Muskeln zu aktivieren.
  • Die Bewegungen gehen vom Zentrum des Körpers aus, dem Powerhouse. Und sie gehen harmonisch ineinander über, der Bewegungsfluss soll nicht unterbrochen werden.

Das Besondere beim Pilates: Nicht nur große Muskelgruppen werden trainiert wie bei üblichem Kraft- oder Fitnesstraining, sondern die sogenannte Tiefenmuskulatur, etwa kleine Muskeln entlang der Wirbelsäule oder im Beckenboden. Der Rumpf soll so durch ein Muskelkorsett stabilisiert werden.

Eine Frau macht auf einer speziellen Gerätebank liegend eine Pilatesübung mit Bändern.
Auf die Tiefenmuskulatur kommt es im Pilates an.

Davorka Kulenovic erklärt: „Pilates hat ungefähr 600 Übungen, weil jeder Körper anders ist. Sie können Übungen raussuchen und anpassen an einen Körper.“ So gibt es Übungen für Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene.

Wer Pilates erfunden hat

Der Deutsche Joseph Pilates hat Anfang des 20. Jahrhunderts die Methode entwickelt. Schon als Teenager begann er seinen Körper zu kräftigen - mit Turnen, Kampfkunst, Boxen und Bodybuilding. Er studierte auch Yoga und Zen-Meditation. All dies sollte später seine Pilates-Methode beeinflussen.

Nach Stationen in England und Hamburg wanderte Pilates 1926 in die USA aus und eröffnete bald in New York sein erstes Studio. Berühmte Tänzer, Schauspieler und Athleten trainierten dort.

Nach dem Tod von Joseph Pilates übernahm eine Schülerin sein Studio. Davorka Kulenovic hat noch bei ihr, also direkt im Ursprungsstudio in New York, Pilates gelernt.

Spezielle Trainingsgeräte für das Pilates Training

Teil des Pilates-Trainings können auch spezielle Geräte sein, die Joseph Pilates entwickelt hat. Zum Beispiel der sogenannte "Cadillac". Gedacht ist er für Anfänger und Menschen mit körperlichen Einschränkungen, da die Belastungen über Federn und Gurte - mal schwerer, mal leichter - gezielter eingestellt werden können.

Auf dem sogenannten "Reformer" wird der ganze Körper trainiert, ohne zum Beispiel die durch Arthrose geschwächten Knie zu belasten.

Es ist ein spezielles Pilates-Trainingsgerät zu sehen, der sogenannte Reformer.
Ein sogennanter Reformer, der im Pilates gern verwendet wird.

Wissenschaftliche Studien zum Training nach Pilates

Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit den gesundheitlichen Wirkungen von Pilates auseinandersetzen. Laut einigen kann Pilates positive Effekte haben. So soll Pilates etwa die Knochendichte erhöhen, das Gleichgewicht trainieren, das Immunsystem und das Gedächtnis stärken sowie den Schlaf verbessern. Außerdem soll es bei Rückenschmerzen und Arthrose helfen, Stress abbauen, Cellulite reduzieren und Depressionen vermindern.

Professor Marcus Schiltenwolf, Orthopäde und Schmerztherapeut am Universitätsklinikum Heidelberg, hat sich mit vielen wissenschaftlichen Studien zu Pilates beschäftigt. Er sagt, die positiven Gesundheitseffekte seien vor allem auf die Bewegung, aber nicht spezifisch auf Pilates zurückzuführen.

"Keine Studie hat gezeigt, dass Pilates anderen Bewegungsformen überlegen ist, wohl aber sind alle Bewegungsprogramme besser als Nichtbewegen!"

Wenn einem Pilates also gefällt, soll man es regelmäßig trainieren, aber auch andere Bewegungsformen fördern die Gesundheit, solange sie ausgewogen sind. Professor Schiltenwolf erklärt, es sollten ausgewogen Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Geschicklichkeit berücksichtigt werden - am besten zwei bis drei Mal pro Woche.

Wichtig: Die korrekte Ausführung der Übungen

Auch Dr. Isabell Mommert kennt die Studien zu Pilates. Die Orthopädin und Pilatestrainerin aus Tübingen hält Pilates wie alle anderen komplexen Bewegungsformen für sehr gesund - allerdings nur, wenn es korrekt ausgeführt wird. Sie warnt vor Gefahren, insbesondere für Anfänger oder Menschen mit Vorerkrankungen. Bevor man ein schlechtes oder schlecht angeleitetes Pilatestraining mache, sollte man es lieber bleiben lassen. „Wenn der Teilnehmer zu sehr ins Hohlkreuz kippt, führt es einfach zu mehr Verspannungen, Rückenschmerzen. Oder es kann im schlimmsten Fall auch Bandscheibenschäden noch weiter verschlechtern und zu mehr Beschwerden führen.“

Eine junge Frau macht eine Pilatesübung auf dem Ball. Sie hat ein leichtes Hohlkreuz, das zu vermeiden wäre.
Wichtig: Immer auf die korrekte Ausrichtung des Körpers achten. Kein Hohlkreuz machen, nur ein kontrolliertes, wenn es die Übung verlangt, und den unteren Rücken schützen, indem die Bauchmuskeln aktiv sind.

Problem: Die Qualifikation von Pilates-Trainern

Ein Problem: Der Begriff Pilates-Trainer ist in Deutschland nicht geschützt. Dr. Mommert rät, sich vorher zu informieren, ob eine Trainerin oder ein Trainer gut ausgebildet ist oder vielleicht „nur einen Wochenendkurs gemacht hat“.

Workout mit Pilates: Risiken und Kosten

Wegen möglicher Verletzungsgefahren gibt zum Beispiel Davorka Kulenovic nur Einzelstunden oder unterrichtet in Kleingruppen mit maximal sechs Personen. Sie ist der Meinung, dass bei größeren Gruppen die Aufmerksamkeit des Trainers nicht ausreicht für alle Teilnehmer.

Eine Pilates Lehrerin unterstützt eine junge Frau bei der Ausführung der Pilates-Übung.
Hilfestellungen und Korrekturen von gut ausgebildeten Lehrer:innen sind wichtig - auch im Pilates. Verletzungen können verhindert, die Effektivität und Wirkung der Übungen erhöht werden.

Kleine Gruppen wirken sich auf den Preis aus, hier sind die Einzelstunden teurer als in größeren Gruppen. Manche Krankenkassen geben einen Zuschuss auf die Kosten. Denn auch wenn eindeutige wissenschaftliche Belege fehlen: Wie jedes Bewegungsprogramm kann regelmäßiges Pilates die Gesundheit fördern.

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Heike Scherbel