Ohrenschmalz – wozu haben wir sowas?
Wir empfinden es oft als überflüssig, unschön oder gar eklig – als lästigen Schmutz. Aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Das Ohrenschmalz ist die klügste Antwort unseres Ohres auf:
- Schmutz,
- Austrocknen der Haut,
- Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze oder auch
- Wasser.
Dazu bilden Talgdrüsen und Haarfollikel im Ohr dieses fettige, gelbliche und bittere Sekret, in der Fachwelt Cerumen oder Zerumen genannt, das sich wie ein Schutzfilm über die Haut legt.
Ohrenschmalz ist super!
Ines Weinzierl, Fachärztin für HNO-Heilkunde: „Im Ohrenschmalz sind Fette, Lysozyme, also antimikrobielle und gegen Pilze wirksame Substanzen. Hätten wir das nicht, hätten wir dauernd Entzündungen im Ohr. Das Ohr ist ein ideales Milieu für aufkeimende Entzündungen und deswegen ist Ohrenschmalz was sehr, sehr Gutes.“
Das Ohrenschmalz wird kontinuierlich zum Gehörgang hinausgeschoben. Es transportiert so Schmutz, abgestorbene Hautschüppchen und potenzielle Krankheitserreger nach draußen. Das Ohr ist dadurch also nicht etwa schmutzig, es reinigt und schützt sich auf diese Weise vielmehr selbst. Deshalb rät Weinzierl dazu, das Ohrenschmalz gar nicht zu entfernen.
Aber Ohrenschmalz sieht unschön aus!
Sichtbares Ohrenschmalz wird von uns meist als unattraktiv empfunden – ein ästhetisches Problem. Deshalb greifen wir zum Wattestäbchen. Weil es uns ein sauberes und ein gutes Gefühl gibt. Trotzdem keine gute Idee. Da sind sich Ohrenärzte einig.
Ohren reinigen: warum Wattestäbchen für Ohren gefährlich sind
Ohrenstäbchen oder auch Wattestäbchen wurden tatsächlich vor etwa 100 Jahren zur Ohrreinigung erfunden.
Heute steht auf der Verpackung jedoch ein Warnhinweis – vermutlich einer der meist übersehenen Warnhinweise überhaupt: “Nicht in den Gehörgang einführen.”
Das hat einen guten Grund: Ohrenstäbchen zu verwenden stellt keine geringe Gesundheitsgefahr dar, darüber sind sich alle Experten einig.
Gefahr No.1: Feine Rissbildung
Das Reiben der Wattestäbchen kann die Haut reizen und austrocknen und winzig kleine Risse verursachen. Das macht es Erregern leichter, einzudringen. Entzündungen können die Folge sein.
Gefahr No. 2: Entzündung
Ist das Gleichgewicht des Schutzfilms und damit der Haut im Ohr erst einmal durcheinandergebracht, kann es zu Infektionen kommen. Ohrentzündungen können äußerst schmerzhaft und langwierig sein.
Gefahr No. 3: Propfbildung
Ein weiteres Problem: Ohrenstäbchen entfernen nur einen kleinen Teil des Schmalzes. Den größeren Teil schieben sie tiefer ins Ohr. Dort kann es zu einer Propfbildung kommen. Dieser Propf kann jucken, wehtun und das Hören beeinträchtigen. Und er kann nur von Ärzten entfernt werden, etwa, indem er abgesaugt wird.
Gefahr No. 4: Trommelfell-Durchstoß
Stäbchen können schwere Verletzungen verursachen: Wenn man sich das Stäbchen nämlich aus Versehen zu weit ins Ohr schiebt. Weil das Telefon klingelt, der Partner an den Arm stößt, der Hund hochspringt oder man sich an etwas anderem erschreckt.
Etwa die Hälfte aller Trommelfell-Durchstöße werden laut einer nordamerikanischen Studie von Ohrenstäbchen verursacht. Das muss dann häufig operiert werden und ist schmerzhaft und langwierig.
Süchtig nach Wattestäbchen?
Wir wissen es – allerspätestens jetzt: Wattestäbchen sind nix für die Ohrreinigung. Aber wir können`s einfach trotzdem nicht lassen. Warum?
Sichtbarer Erfolg:
Wattestäbchen verwenden wird scheinbar sichtbar belohnt: Wir freuen uns über das Schmalz, das am Stäbchen klebt, wie über einen Jagderfolg: “Boah, das war aber nötig!”, denken wir. Aber: je mehr Wattestäbchen wir verwenden, desto mehr Schmalz bildet sich unter Umständen, da die Haut austrocknet und darauf mit vermehrter Schmalzproduktion reagiert. Ein Teufelskreis.
Vermehrter Juckreiz:
Es kitzelt und juckt. Also nochmal ein Wattestäbchen nehmen, damit es aufhört. Da das Wattestäbchen ein Fremdkörper im Ohr ist, der irritiert und eventuell sogar die Haut reizt, reagiert der ehörgang häufig mit Juckreiz – was nichts anderes als ein kleiner Schmerz ist. Diesen Juckreiz versuchen wir durch ein weiteres Wattestäbchen zu beruhigen. Was gegebenenfalls zu noch mehr Juckreiz führt...
Angenehmes Gefühl:
Wir wissen, dass es nicht gut ist, aber irgendwie fühlt es sich schön und “sauber” an. Das liegt daran, dass im Ohr viele Nerven verlaufen, unter anderem der Vagusnerv. Wird er stimuliert, löst das ein Wohlgefühl aus, das wir gerne wiederholen möchten. Dagegen hilft nur, es länger wegzulassen, um sich zu entwöhnen.
Ohren reinigen: Sind Häkchen besser?
Nein. Meinen HNO-Ärzte wie Dr. Ines Weinzierl: „Das Problem bei der Verwendung von jedwedem Instrumentarium ist es, dass man überhaupt nicht weiß, wo man sich im Gehörgang befindet. Oft rutscht man in die Tiefe, man möchte es gar nicht, man erschrickt sich, das Telefon klingelt mit Wattestäbchen im Ohr, das ist der Klassiker. Diese Geschichte kann eigentlich fast jeder HNO-Arzt erzählen, dass man tatsächlich, ohne es zu wollen, ein Wattestäbchen sich durchs Trommelfell rammt und die Konsequenzen sind natürlich klar, das muss teilweise operiert werden.“
Ohren reinigen: hilft eine Ohrenkerze?
Zum Reinigen von Ohren werden auch so genannte Ohrenkerzen angeboten. Ohrenkerzen erzeugen eine Art Kamineffekt. Dadurch soll das Ohrenschmalz nach außen gezogen werden. HNO-Ärztinnen und Ärzte raten von Ohrenkerzen jedoch dringend ab.
Weinzierl: „Das habe ich einmal erlebt, da habe ich eine Verbrennung des Gehörgangs gesehen, weil das Wachs einfach neben der Kerze in den Gehörgang gekommen ist. Das ist natürlich eine Stelle, wo man sehr schlecht behandeln kann. Das ist alles sehr eng. Das war ein sehr langwieriger Verlauf.“
Bleibt aber das ästhetische Problem des sichtbaren Ohrenschmalzes.
Wie entferne ich Ohrenschmalz richtig?
Sichtbares Ohrenschmalz ist für viele ein ästhetisches Thema: Was also tun, wenn Ohrenstäbchen, Häkchen, Kerze und so weiter tabu sind?
Weinzierl empfiehlt ein Taschentuch, das um den kleinen Finger gewickelt wird: „Kleiner Finger – passt perfekt in den Gehörgangseingang. Und dann so das Ohr reinigen, dann kommen sie nicht zu tief, gleichzeitig ist das Ohr aber so sauber, dass es dem ästhetischen Anspruch auch genügt.“
Und wenn das nicht reicht?
Bei manchen Menschen bildet der Körper sehr viel, zu viel Ohrschmalz. Hier hilft nur eines: ein Arzttermin.
HNO-Ärzte reinigen die Ohren dann professionell mit einem Häkchen. Gegebenenfalls wird das überschüssige Schmalz auch abgesaugt. Die Prozedur wird dann gegebenenfalls alle paar Monate wiederholt.