Niedrigeres Demenzrisiko, weniger Stress

So wirken Sport und Bewegung aufs Gehirn

Stand
Autor/in
Lara Zell
Onlinefassung
Hanna Spanhel

Bewegung fördert die kognitive Leistung und das Wohlbefinden, zeigen Studien. Wie viel Sport und welche Aktivitäten besonders wirksam sind.

Mehrmals pro Woche gibt es auf dem Gelände der deutschen Sporthochschule Köln ein besonderes Angebot: Denksport. Auf dem Plan stehen Kraft- und Koordinationstraining, aber auch Ausdauertraining, Rückengymnastik oder Aquafitness werden angeboten. Dabei geht es nicht nur um die körperlichen Effekte, sondern vor allem um die geistigen. Denn Bewegung ist auch gut fürs Gehirn.

„Langfristig ist davon auszugehen, dass sportliche Betätigung im Allgemeinen für verbesserte Gedächtnisleistung hilft“, sagt Jonas Korn, der die Denksport-Stunde anleitet. Sogar bei einer bestehenden Demenz soll regelmäßiges Training helfen.

Das Angebot an der Sporthochschule Köln startete vor zehn Jahren im Rahmen einer Studie. Gesucht wurden damals Menschen über 60 Jahren mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen, zum Beispiel Vergesslichkeit. Die Studie sollte herausfinden, wie sich Sport auf das Gehirn und das Wohlbefinden auswirkt. Zwei bis dreimal pro Woche trafen sich die Studienteilnehmer dafür.

Sport wirkt gegen Stress – und kann so die Stimmung heben

Das zeigte Wirkung, weiß Professor Stefan Schneider vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft, der die Studie betreut hat: „Die zentralen Ergebnisse belegen, dass regelmäßige körperliche Aktivität den Verlauf einer demenziellen Erkrankung positiv beeinflussen kann.“

Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von damals kommen bis heute regelmäßig zum Sport. Nicht nur, weil sie sich langfristig geistig fit halten wollen, sondern auch, weil sie den kurzfristigen Effekt auf die eigene Stimmungslage schätzen. Denn Sport kann nachweislich die Laune heben.

Dahinter stehen evolutionsbiologische Reaktionen, erklärt Stefan Schneider: „Wenn wir unter Stress sind, möchten wir uns körperlich aktiv betätigen.“ Für Steinzeitmenschen bedeutete eine solche Stressreaktion, dass sie vor Säbelzahntigern oder anderen Feinden davonlaufen mussten. Um eine solche Flucht zu ermöglichen, schüttet der Körper Stresshormone aus. „In unserer heutigen Gesellschaft empfinden wir auch Stress“, erklärt Schneider, „aber es fehlt eben die Kanalisation durch Bewegung.“ Sport könne deshalb – als eine „künstliche Bewegungssituation“ – dabei helfen, die ausgeschütteten Stresshormone wieder zu regulieren und so den Stress abzubauen.

Wer regelmäßig Sport macht, fühlt sich seltener schlecht

Dass sich sportliche Menschen besser fühlen, bestätigt auch eine Studie der Universitäten Oxford und Yale, für die die Daten von 1,2 Millionen Menschen verglichen wurden. Das Ergebnis: Menschen, die regelmäßig Sport machten, hatten innerhalb eines Monats 43 Prozent weniger Tage, an denen sie in einem schlechten mentalen Zustand waren als jene Menschen, die sich weniger bewegten.

Dabei spielen die berühmten "Glückshormone", wie etwa Endorphine, gar nicht die entscheidende Rolle. Denn diese würden beim Sport erst unter hoher Belastung und sehr spät ausgesetzt, wie Sportwissenschaftler Stefan Schneider erklärt. Aus evolutionsbiologischer Sicht mache das durchaus Sinn: „Wenn wir auf der Flucht sind und nicht mehr können, dann schüttet unser Körper eben diese Endorphine oder Endocannabinoide aus. Die wirken betäubend und ermöglichen uns letzten Endes, die Leistung oben zu halten.“

Mehr Sport bedeutet Experte zufolge weniger Grübeln

Grund für positive Gefühle durch Bewegung und Sport ist zunächst vielmehr, dass bestimmte Zentren im Gehirn weniger aktiv sind – gerade jene nämlich, die für das Verarbeiten von Informationen oder Lösen von Problemen zuständig sind. Dafür muss der motorische Kortex mehr arbeiten, der für Bewegungsabläufe zuständig ist. Das heißt im Endeffekt: Mehr Sport bedeutet weniger Grübeln.

Zu wenig Bewegung hingegen kann laut Studien ebenfalls mentale Folgen haben. So kann es etwa zu langfristigen, strukturellen Veränderungen des Gehirns kommen, wenn Menschen mehrere Monate hinweg isoliert leben. Studien aus der Antarktis beispielsweise konnten zeigen, dass die Hirnregion, die für Lernen und Orientierung zuständig ist – der Hippocampus – tatsächlich an Größe verliert, wenn Menschen elf oder zwölf Monate lang isoliert auf einer Antarktisstation sind. „Das Gute daran ist, dass das auch wieder reversibel ist“, sagt Schneider: Wer sich mehr bewegt und soziale Interaktionen hat, kann Gehirnmasse wieder aufbauen.

Das ist auch ein Erklärungsansatz dafür, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Denksportgruppe nach einem Jahr deutliche Verbesserungen in Sachen kognitive Leistungsfähigkeit spürten. Um die Entwicklungen zu untersuchen, mussten die Teilnehmer beispielsweise regelmäßige Konzentrations- und Gedächtnistests machen.

Mehr kognitive Leistungsfähigkeit und höhere Lebensqualität

Dabei zeigte sich, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei regelmäßigem Sport um 15 Prozent anstieg, die Lebensqualität sogar um 23 Prozent. Die Effekte traten schon bei moderatem Training ein, ausschlaggebend war die Regelmäßigkeit.

Obwohl die Studie längst abgeschlossen ist, trifft sich die Gruppe weiter zum Denksport. Es kommen sogar immer wieder neue Teilnehmer dazu. Denn die körperliche Bewegung führt eben auch dazu, dass man im Alltag fitter ist – und so beispielsweise leichter mit anderen Menschen in Kontakt treten oder an Unternehmungen teilnehmen kann. Auch die gemeinsamen Erlebnisse mit anderen Menschen können laut Studien eben einen Einfluss auf das Gehirn haben.

„Wir sehen, dass die Größenordnung von 150 bis 180 Minuten in der Woche - also zwei bis drei Stunden - durchaus auch prophylaktisch für Demenzerkrankungen wirken kann, dass sie uns mental und psychisch gesund machen kann.“

Bei der Häufigkeit des Trainings sollte man sich laut Sportwissenschaftler Stefan Schneider an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation orientieren – auch wenn diese eigentlich auf Effekte auf das Herz-Kreislauf-System abzielen. „Wir sehen, dass die Größenordnung von 150 bis 180 Minuten in der Woche - also zwei bis drei Stunden - durchaus auch prophylaktisch für Demenzerkrankungen wirken kann, dass sie uns mental und psychisch gesund machen kann“, sagt Schneider.

Welche Sportart man genau macht, ist dabei übrigens zweitrangig. Wichtig ist, dass man die Motivation nicht verliert und abschalten kann. Dann verbessert man sich nicht nur im Sport, sondern auch im Denksport.

Stand
Autor/in
Lara Zell
Onlinefassung
Hanna Spanhel