Klimaschutz

Warum Umweltverbände gegen Klimaschutzgesetz klagen

Stand
Autor/in
Katha Jansen
SWR-Wirtschaftsredakteurin Katha Jansen
Onlinefassung
Katharina Fortenbacher-Jahn
Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft

Noch eine Klimaklage: Umweltverbände wollen das neue Klimaschutzgesetz per Verfassungsbeschwerde kippen. Sie halten es für zu lasch. Das könnten die Klagen erreichen.

Verstößt das neue Klimaschutzgesetz gegen das Grundgesetz? Mehrere Umweltverbände und Privatpersonen gehen davon aus, dass Deutschland mit dem Gesetz seine Klimaziele nicht einhalten kann. Darin sehen sie einen Rechtsbruch und wollen, dass das Verfassungsgericht die Frage prüft. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das neue Klimaschutzgesetz am 15. Juli unterschrieben, es tritt am 17. Juli in Kraft.

Für die Kläger fehlen verbindliche Ziele für Bereiche wie Verkehr oder Gebäude

Bisher war es so: 2019 hatte man mit dem bisherigen Klimaschutzgesetz zum ersten Mal verbindlich Klimaziele definiert und auch ein Instrument mitgegeben, um diese zu erreichen. Die sogenannte Sektorregelung. Sie sah pro Bereich als Sektorziel vor, wie viel CO2 noch maximal in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden darf. Wird das Ziel für einen Sektor verfehlt, müsste das zuständige Ministerium Sofortprogramme zum Ausgleich vorlegen.

Das ist mit dem neuen Gesetz vom Tisch: Es gibt jetzt nur noch ein Gesamt-Ziel. Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH), einer der Verbände, die Verfassungsbeschwerde einlegen, ist das eine verfassungswidrige "Entkernung" des Klimaschutzgesetzes. Die DUH argumentiert, diese verbindlichen Maßnahmen seien essenziell, um die Erderwärmung zu begrenzen und künftige Generationen zu schützen. Ohne konkrete Maßnahmen, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch, sei wirksame Klimapolitik schlicht unmöglich, man könne so nicht auf Klimaziele hinsteuern.

Die Ampel verabschiedet sich vom Klimaschutz.

Neues Gesetz ändert Klimaschutzregeln in letzter Minute

Der Bundestag hat das reformierte Klimaschutzgesetz im April beschlossen. Bundespräsident Steinmeier hat es jetzt sozusagen in letzter Sekunde unterzeichnet. Eine Prüfung dort ist laut Bundespräsidialamt zu dem Ergebnis gekommen, "dass evidente Verfassungswidrigkeit nicht gegeben ist". 

Ein Standpunkt zum neuen Klimaschutzgesetz hier in unserem SWR-Angebot.

Ohne diese Unterschrift von Bundespräsident Steinmeier hätte Bundesverkehrsminister Volker Wissing am 15. Juli genau das tun müssen: Nämlich ein Sofortprogramm dazu vorlegen, wie weniger CO2 ausgestoßen werden kann - im Sektor Verkehr. Genau dieser Sektor reißt seit Jahren die Vorgaben.

Jürgen Resch von der DUH kritisiert, dass beispielsweise im internationalen Vergleich zu wenig in den Schienenverkehr investiert wird und dass es gleichzeitig immer noch finanzielle Vorteile für Firmenwagen mit Verbrennungsmotoren gibt. Er spricht von einem Freifahrtschein der Bundesregierung gegen den Klimaschutz, einer Rückabwicklung der Verkehrswende.

Verkehrsminister Volker Wissing sieht das Verfehlen der Ziele dagegen nicht als Sektorproblem sondern als Bürgerthema.

Jede Bürgerin und jeder Bürger, der einen Verbrennungsmotor im Auto hat und mit dem Auto fährt, stößt CO2 aus. Das ist nicht ein Sektor, sondern das sind wir als Gesellschaft.

Mit dem neuen Gesetz und dem darin verankerten Gesamtziel für alle Bereiche fällt die Sektor-Regelung weg: Es spielt also keine Rolle mehr, ob ein Bereich theoretisch komplett aus dem Ruder läuft, solange es andere später ausgleichen. Maßgebend ist jetzt eine Gesamtbetrachtung anhand von Prognosen. Es soll in die Zukunft gerichtet geschätzt werden, ob Deutschland insgesamt beim Klimaziel für 2030 auf Kurs ist.

Das war der Grund für die Sektorziele

Die Meinungen zu den Sektorzielen gehen auseinander. Befürworter argumentieren, sie könnten helfen, die CO2-Reduzierung konkret zu steuern. Es gibt auch Stimmen, die Sektorziele für verzichtbar halten. Denn das Gesamtziel bleibt bestehen, es muss trotzdem die gleiche Menge CO2 eingespart werden.

Nicht nur die klagenden Umweltverbände, sondern auch Klimaexperten sind skeptisch, ob das realistisch ist. Denn mit dem neuen Gesetz gibt es keine Aufschlüsselung mehr, wer für welchen Ausstoß verantwortlich ist. Es gibt auch keine unmittelbaren Konsequenzen mehr.

Damit besteht die Gefahr, dass zu spät erkannt und gegengesteuert werden kann, wenn zuviel CO2 ausgestoßen wird, oder zu wenig dagegen unternommen wird.

Die Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden sieht allerdings bei einer Zielverfehlung die gesamte Bundesregierung in der Pflicht, Vorschläge zu machen und besonders die Ministerien gefordert, die am meisten dafür verantwortlich seien.

Die Kläger halten mehrere Punkte in dem reformierten Gesetz für verfassungswidrig. Die DUH kritisiert beispielsweise auch, dass die für das neue Gesetz so entscheidenden Zukunftsprognosen nur über lange Zeiträume von teilweise zehn Jahren und unter Verwaltung verschiedener Bundesministerien geplant sind. Auch Greenpeace und der BUND sowie mehrere Privatpersonen wollen mit Verfassungsbeschwerden eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erreichen.

Diese Erfolgsaussichten haben die Klagen

Die Klagen könnten durchaus Einiges erreichen. Das zeigt der Blick zurück auf vergangene Klimaklagen, die teils Standards gesetzt haben. Noch eine Entwicklung lässt sich beobachten: Oft ändert sich im Nachgang etwas und es werden konkrete Maßnahmen ergriffen. Für den Weltklimarat gilt das auch dann, wenn die Fälle vor Gerichten scheitern: Trotzdem wachse bei Regierungen der betreffenden Länder der Ehrgeiz, Maßnahmen anzustoßen.

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