Die DB-Lok, die seit vielen Jahren in unserem Nachbarland bei Eurovapor eine neue Heimat gefunden hat, übernimmt im Badischen Bahnhof Basel den Sonderzug und fährt über die Oensingfen-Balsthal-Bahn ins Depot Balsthal: Hier betreten wir einen Ort der wahren Leidenschaft. Ob Dampf, ob elektrisch: hier wird instandgesetzt, instandgehalten, wahre Schätze sind zu entdecken. Hier steht die JS 35, der RotePfeil und das Seeetal Krokodil. Diese werden von den Fachleuten gerne auch individuell präsentiert.
Faszinierend ist auch der Dampf-Sonderzug der Ballenberg Dampfbahn auf der Fahrt von Interlaken über den Brünigpass mit 120 Promille Steigung. Gezogen von der Zahnrad-Dampflok 1067 Hg 3/3, die vor mehr als dreißig Jahren gerade noch vor dem Schneidbrenner gerettet werden konnte, und der dazu passenden historischen Wagengarnitur.
Reisetagebuch Schweizer Jura
Samstag, 25. Februar 2006
Anreise von Stuttgart nach Basel. In Basel erfolgte der Lokwechsel auf die Dampflok 23 058. Die Fahrt führt über die alte Hauenstein-Linie über Sissach - Läufelfingen - Olten nach Oensingen.
Mit einer Scheinanfahrt am Anstieg vor dem Hauensteintunnel. Es war zwar trübe, aber der weiße Dampf der DB Neubaulok, gebaut von Krupp, hüllte die Maschine zeitweise ein, wie ein luftiges Sommerkleid.
In Oensingen wurde rangiert von Bahnsteig zwei auf fünf, auf die Gleise der OeBB, der Oensingen-Balsthal-Bahn. Hier über-nahm die Normalspur-Mallet-Dampflok Ed 2x2/2 den Zug und brachte ihn zum Endpunkt nach Balsthal. Dort wurden die Depot-Anlagen besichtigt, mit ihren Schätzen.
Neben den zwei dreiachsigen Dampfloks vom Typ Tigerli, waren das Seetal-Krokodil in einem etwas ausgebeinten Zustand zu bewundern, es soll aber im kommenden Jahr wieder einsatzfähig sein. Der Rote Pfeil, der einstmals auf der vier Kilometer langen Bahnlinie im blauen Farbkleid unterwegs war, wird bereits in diesem Sommer wieder im neuen, alten Glanz über die Gleise tänzeln.
Für beide Fahrzeuge wurde der Verein "Interkantonales Kulturprojekt" gegründet, da beide Fahrzeuge "historisch wertvolle Pionierfahrzeuge sind, die aus der Elektrifikationszeit der Schweizer Bahnen stammen und erhaltenswerte Zeugen schweizerischer Ingenieurskunst sind".
Unbestrittener Star im Depot ist die Dampflok J-S 35, die vor exakt 115 Jahren in Esslingen bei Emil Kessler das Licht der Bahnwelt erblickte und die seit einigen Jahren in mühsamer, aber liebevoller Handarbeit komplett wieder hergerichtet worden ist. In der Hauptsache von ungefähr einer Handvoll Freiwilliger, so genannte "Angefressene", die ihre gesamte Freizeit damit verbringen, den alten Fahrzeugen wieder neues Leben einzuhauchen, es handelt sich dabei um die "OeBB Dampflok-Gruppe". Dazu gehört auch Renato Freiburghaus, der uns mit Begeisterung die Ergebnisse der freiwilligen Arbeit präsentiert hat. Er wartet schon mit klopfendem Herzen auf den 27. März, denn an diesem Tag wird J-S 35 erstmals wieder angeheizt. Das Probefeuer wird in der Feuerbüchse lodern und der 2B-Oldie wird sich mit stolz geschwellter Brust zu seiner zweiten Jungfernfahrt, nach 1891, nach Balsthal aufmachen.
J-S 35 ist auch Eisenbahn-Romantik Zuschauern keine unbekannte, kam sie doch während ihres jahrelangen Aufenthalts in Süddeutschland in den 70er Jahren auch zu Filmehren. Ein Abendschauteam hatte sich seinerzeit auf die Spur der "Verrückten" gesetzt, die Geld und Freizeit opfern für ein altes ausrangiertes eisernes und eigentlich nutzloses Ungetüm. Es waren Mitglieder von Eurovapor, die den Oldtimer Eb 2/4 5469 wieder auf den rechten Weg, den STÄHLERNEN, gebracht haben.
Jetzt beginnt ihr drittes Leben und sie sieht noch genauso jung und rüstig aus, wie damals.
Nach dem Ausflug nach Oensingen brachte uns 23 058 in der Abenddämmerung nach Biel.
Sonntag, 26. Februar 2006
Von Biel aus ging die Fahrt über Zollikofen - Ostermundigen - Thun nach Interlaken gezogen von der historischen E-Lok Ae 6/8. In Interlaken Ost erfolgte der Umstieg auf den Dampf-Sonderzug der meterspurigen Ballenberg-Bahn. Zum Einsatz kam die Zahnrad-Dampflok Hg 3/3 Nr. 1067, einschließlich der dazu passenden historischen Wagengarnitur. Die Lok hatte eine kleine Auszeit in Form eines 34 jährigen Denmalsockelau-fenthaltes, ehe sie im Jahr 2000 "vom Sockel gestoßen wurde". Jetzt läuft sie wieder, wie in alten Zeiten.
Christian Lüber, einer der "Retter" und Gründer der Ballenberg Dampfbahnfreunde, erzählte uns die Geschichte einer anderen Dampflok. Es handelt sich um die Adhäsionsmaschine, G 3/4 Nr. 208, gebaut von SLM 1913. Dieses Kleinod aus heutiger Sicht, war Ende der 60er Jahre altes Eisen und befand sich schon auf dem Weg zur Schrottpresse.
Ein Eisenbahnfreund wollte seinerzeit, man schrieb das Jahr 1968, eine Loklampe erwerben. Dies war schwieriger, als die gesamte Lok zu kaufen. Also wechselte die Lok den Besitzer. Doch schon bald ging es nicht mehr um Lampen, sondern um Visionen und die hießen: Reaktivierung. Es wurde eine lange Geschichte daraus, aber auch eine erfolgreiche.
Die Ballenberg Dampfbahn ist in den Sommermonaten wieder regelmäßig unterwegs. Über den Brünigpass, mit einer maximalen Steigung von 120 Promille. Und Wagen aus den 80ger Jahren des vorvorigen Jahrhunderts. Es handelt sich dabei, so der Betriebs- und technische Leiter der Ballenbergbahn Martin Schwertfeger, um das älteste Bahnensemble der Schweiz, das auch auf seinem ursprünglichen Einsatzgebiet unterwegs ist.
Am Scheitelpunkt, dem Haltepunkt Brünig-Hasliberg, war Kreuzungs- und Wasserhalt, später auch eine Scheinanfahrt, und es bestand die Möglichkeit, das Antiquitäten-Geschäft im Bahnhofsgebäude zu besuchen und im riesigen Bestand zu stöbern. Ich selbst wollte einen alten Abreißkalender von 1946 erwerben, habe dies dann aber in Hinblick auf das begrenzte Fassungsvermögen meiner Bücherregale gelassen. Bereits vor dem Umstieg auf den "Spatz" in Giswil habe ich mich darüber geärgert.
Der "Spatz" brachte uns binnen einer Stunde nach Luzern, wo die Fahrt durch Zuglok 64 518 fortgesetzt wurde. Diese Lok gehört der Eurovapor, Sektion Verein Historische Eisenbahn Emmental VHE. Sie trägt seit über 20 Jahren den Namen Sibyl-le. So hieß das Töchterchens des Lokführers, das 1980 am Tag der Überführung der Lok von Tübingen in die Schweiz zur Welt kam. Die Baureihe 64, genannt "Bubikopf", ist vorwärts wie rückwärts 90 km/h schnell und exakt 12.5 Meter lang. Die 64 518 wurde 1940 bei Jung in Jungental gebaut.
Die 64 518 verließ uns in Konolfingen. Von dort wurde unser Sonderzug von der Ae 6/8 wieder zurück nach Biel gezogen.
Montag, 27. Februar 2006
Die Reise am Rosenmontag ging ins Val de Travers. Keine weite, aber eine an Ereignissen reiche, Reise. Es begann damit, dass sich am Morgen herausstellte, dass auf dieser Strecke keine Schubloks erlaubt waren. Also fuhren die beiden Dampfrösser Tender an Tender an der Spitze des Zuges.
Zugloks waren: A 3/5 705, gebaut von SLM Winterthur 1904, Höchstgeschwindigkeit 100 km/h, 1360 PS stark. Sie wird von der SBB Historic Gesellschaft betreut und ist in der Rotunde von Delemont beheimatet.
C 5/6 2978, Spitzname "Elefant", gebaut 1917 von SLM, Höchstgeschwindigkeit 75 km/h. 1629 PS stark. Sie wird ebenfalls von der SBB Historic Gesellschaft betreut und ist in der Rotunde zuhause.
Die kleinen Unwägbarkeiten brachten die erste Stunde Verspätung. Kurz nach Neuchatel, in Auvernier, war der nächste unvorhergesehene Halt: Wir hatten vier Böschungsbrände verursacht, bei minus 4 Grad, und durften aus Sicherheitsgründen, so der Fahrdienstleiter in Neuchatel, nicht weiterfahren. Uns wurde erklärt, dass das Gras so trocken sei, dass es bei jeder Temperatur entzündet werden kann. Und Funken sind einige geflogen.
Die Verspätung war aber bis Travers wieder aufgeholt, da einige Fotohalte einfach übersprungen wurden. Dort wurde Wasser aufgenommen. In Les Verrieres erfolgte die nächste Scheinanfahrt. Endstation war im französischen Pontarlier. Ein riesiger Bahnhof, absolut überdimensioniert für den bescheidenen Regionalverkehr von heute. Plus drei TGV-Paare, die täglich zwischen Bern und Paris unterwegs sind.
Auf der Rückfahrt gab es einige Schein-Anfahrten, wobei die bei Kilometer 461,5 herausragte. Licht, Landschaft und Zug ergänzten sich zu einer eindrucksvollen Komposition.
Dienstag, 28. Februar 2006
Rundfahrt entlang des Bieler und des Neuenburger Sees mit A 3/5. Fahrtroute: Biel - Neuchatel - Yverdon - Estavayer - Payerne - Kerzers.
Mit zahlreichen Scheinanfahrten. Leider war uns der Wettergott nicht so gewogen, wie am Tag zuvor. Oder vielleicht doch, denn das Wetter war entschieden besser, als in der Wettervorhersage angekündigt.
In Kerzers erfolgte die Besichtigung des privaten Eisenbahnmuseums der Familie Wymann. Das Museum wurde 1999 gegründet. Im Anwesen der Familie hat sich die Eisenbahn mehr und mehr ausgebreitet. Ein Höhepunkt ist das Rhätische Krokodil im Garten hinter dem Haus. Es war das Geschenk einer Firma in Pratteln.
Neben dem Krokodil gibt es eine große Anzahl von Fahrzeugen, die die beiden Initiatoren Rolf und Roger Wymann zusammen getragen haben. Das Museum ist rein privat, es wird unterhalten ohne öffentliche Unterstützung.
Rückfahrt im Schneetreiben über Lyss nach Biel.
Mittwoch, 1. März 2006
Von Biel zogen die beiden Dampfloks A 3/5 und C 5/6 den Zug über die Schleife bei Sonceboz hinauf nach Tavannes und weiter über Moutier bis nach Delemont. Es war ein Wintertag, der mehr Schneefall bereit hielt, als es den Fotografen lieb sein konnte. Aber einmal kam auch die Sonne durch, bei der Scheinanfahrt in Court.
In Delémont wurde das SBB-Museumsdepot "La Rotonde" besichtigt, anschließend ging es mit der 23 058 weiter nach Basel.
Die Rotunde wurde in den Jahren 1889/90 erbaute. Seit 2001 ist Delémont offizieller Standort und im Besitz von SBB Historic. In der Rotunde ist auch die HEG tätig, Historische Eisenbahn Gesellschaft, deren Hauptziel ist die Rettung und Erhaltung von historisch wertvollen Eisenbahnfahrzeugen. Die HEG befasst sich auch mit dem Sammeln und Erschließen historischer Dokumentationen. Man hat unterdessen 5 Wagen komplett auf-gearbeitet und arbeitet gerade an der Revision der Dampflok E 3/3 Nr. 8485 aus dem Jahr 1907. Es werden allerdings noch einige Jahre ins Land gehen, bis dieser kleine SBB Rangierlok wieder aus eigener Kraft über die Gleise gleiten wird.
In der Rotunde sind überaus betagte Fahrzeuge zuhause: Ein Flachwagen von 1872, ein Gepäckwagen von 1887 und ein Kranwagen von 1858, ältester Kran der Schweiz und einer der ältesten der Welt. Die beiden betriebsfähigen Loks, "Elefant" größte für die SBB gebaute Dampflok, und A 3/5 705, die letzte erhaltene Schnellzug-Dampflok der SBB, sind uns wohlbekannt, haben sie uns doch drei Tage lang mit Volldampf verwöhnt.
Am Abend des Ascher-Mittwoch endete der Eisenbahn-Romantik Zug in Stuttgart. Eine eindrucksvolle Reise war zu Ende, wie immer gekonnt inszeniert von Armin Götz und seinem IGE-Team, dem an dieser Stelle, wie auch allen anderen Beteiligten ganz herzlich Dank gesagt wird.
(ESD: 02.04.2006)