Die Neugasse in Rettert ist eine der kleinen Nebenstraßen, die fischgrätmäßig von der Hauptstraße abgehen. Eher unscheinbar, recht schmal und mit kaum 100 Metern auch recht kurz, zeigt sich die einzige Einbahnstraße des Ortes. In den gerade mal sieben Häusern waren früher Handwerksbetriebe und Nebenerwerbshöfe. Vermutlich rührt daher die große Nachbarschaftlichkeit unter den Anwohnern. Noch vor 50 Jahren haben sich die Kleinbauern und Handwerker gegenseitig unterstützt. Und die Menschen heute halten es genau so. Man hilft sich, man interessiert sich füreinander.
Wenn zum Beispiel die Extremtouristen Albrecht Gemmer und Hugo Schneider zum Urlaub per Traktor und Wohnwagen aufbrechen, gibt’s meist ein kleines Abschiedsfest. Die beiden sind dann mehrere Wochen mit ihrem skurrilen Gespann unterwegs, legen hunderte von Kilometern zurück bei Tempo 20. Und dann gibt es in der Neugasse noch einige erstaunliche Sammler und Tüftler. Ein Nebengebäude des Hauses von Dieter Aumann birgt eine Telefonsammlung, die ihresgleichen sucht. In hunderten von Telefonen spiegeln sich 130 Jahren Fernsprechgeschichte.
Betritt man die Werkstatt von Reinhold Hund, ist die Verblüffung nicht minder groß. Der 75-Jährige konstruiert maßstabsgetreue Dampfmaschinen, die exakt wie die Originale vor über 100 Jahren funktionieren. Die rohen Metallstücke fürs Drehen und Fräsen besorgt er sich von Schrottplätzen. Gelegentlich bringt auch ein Nachbar etwas vorbei. Am ehesten Stefan Gul. Im Hof seines Hauses steht noch eine alte Schmiede. Zu ihr hat er eine besondere Beziehung. Als kleiner Junge dürfte er seinem Opa beim schmieden helfen. Eindrücke, die bis heute nachhallen.