Darf eine Firma damit werben, dass eines ihrer Produkte "klimaneutral" ist - auch, wenn lediglich der CO2-Ausstoß kompensiert wird? Ja, aber unter Auflagen, hat der BGH entschieden.

Urteil des Bundesgerichtshofs

Wann ist ein Produkt "klimaneutral"? BGH zieht Werbe-Grenzen

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Alice Thiel-Sonnen
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Jutta Kaiser
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Darf eine Firma damit werben, dass eines ihrer Produkte "klimaneutral" ist - auch, wenn lediglich der CO2-Ausstoß kompensiert wird? Ja, aber unter Auflagen.

Der Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes hatte in einer Anzeige seine Produkte als "klimaneutral" beworben. Dagegen klagte die Wettbewerbszentrale, ein Wirtschaftsverein, der sich nach eigenen Angaben für die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs einsetzt. Ihre Argumente: Der Herstellungsprozess selbst sei nicht emissionsfrei, das Unternehmen gleiche die CO2-Emissionen lediglich aus, mit Hilfe eines Anbieters von Klimaschutzprojekten.

Nach Ansicht der Kläger war die Werbung irreführend. Dem Verbraucher seien wichtige Informationen vorenthalten worden - darunter, auf welchem Weg die Klimaneutralität hergestellt werde.

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Bundesgerichtshof: Werbeaussagen nicht grundsätzlich "Greenwashing"

Die Richterinnen und Richter am Bundesgerichtshof (BGH) stellten jetzt fest, es sei gut und richtig, wenn Firmen versuchten, die Erderwärmung nicht noch weiter zu befeuern.

Sie schränkten aber ein, "klimaneutral" sei ein mehrdeutiger Begriff. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten auf den ersten Blick erfassen können, was damit gemeint sei. Katjes hatte einen Link zur Internetseite eines Unternehmens gesetzt, das Klimaschutzprojekte umsetzt. Dies reicht laut BGH aber nicht aus.

Auch andere Firmen hatten in der Vergangenheit mit Umwelt-Botschaften geworben und gerieten damit in die Kritik. Vor allem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte in über sechzig Fällen Unterlassung gefordert, vierzehn Fälle sind noch vor Gericht - in den meisten anderen haben die Unternehmen vorher schon ihre Werbung gestoppt.

Politik arbeitet an Gesetzen gegen schwammige Werbebegriffe

Auf der Ebene der Europäischen Union (EU) sind noch strengere Auflagen für grüne Werbeversprechen angedacht.

Die neue EU-Greenwashing-Richtlinie, die im März in Kraft getreten ist, geht einen Schritt weiter als es der BGH in Deutschland verlangt: Wenn ein Unternehmen selbst kein klimaschädigendes CO2 einspart, sondern nur im entsprechenden Verhältnis Klimaschutzprojekte anderswo unterstützt, dürfte nach EU-Richtlinie überhaupt nicht mit dem Begriff "klimaneutral" geworben werden. Diese EU-Richtlinie muss allerdings bis Herbst 2026 noch in nationales Recht umgesetzt werden.  

Klima-Aspekte immer wichtiger für Kaufentscheidung der Verbraucher

Für viele Kunden ist die Klimabilanz eines Produkts mittlerweile ein wichtiger Aspekt bei der Kaufentscheidung. Ausgleichsmaßnahmen können ebenfalls ein Faktor sein.

Es gibt bei Kompensations-Projekten durchaus kontrollierte Zertifikate. Die Frage ist, ob beim Hersteller weiter gearbeitet wird wie bisher, oder ob auch Prozesse verändert werden.

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In diesem Zusammenhang bringt das BGH-Urteil für Verbraucher mehr Transparenz: Sie müssen sich vor dem Einkauf nicht mühsam selbst informieren, was mit dem Wort "klimaneutral" gemeint ist.

Wenn damit geworben wird, soll direkt auf der Verpackung stehen: Spart das Unternehmen selbst Klimagase ein – oder wird nur kompensiert. Und wenn ja, mit welchen konkreten Projekten.

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