Häufig betrifft es Sportler, aber nicht nur: ein Ermüdungsbruch - in der medizinischen Fachsprache Stressfraktur genannt - entsteht, wenn man die Knochen immer wieder zu stark beansprucht. Betroffen sind keinesfalls nur Profisportler. Ein Drittel aller Ermüdungsbrüche wird bei Hobby-Sportlern diagnostiziert.
Wie ein Ermüdungsbruch diagnostiziert wird: MRT
In unserem Fallbeispiel hat bereits eine kleine Wanderung in Kombination mit dem falschen Schuhwerk zu einer Stressfraktur geführt. Dr. Thomas Schneider leitet das Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie in der Orthopädischen Gelenk-Klinik in Gundelfingen bei Freiburg.
Der Orthopäde und sein Team hatten anfangs gleich eine Stressfraktur in Verdacht. Um wirklich sicher zu sein, wurde eine MRT- Aufnahme des Fußes gemacht. Denn eine frische Stressfraktur ist auf Röntgenbildern meist nicht zu erkennen.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird auch Kernspintomographie genannt. Sie stellt die Flüssigkeitsverhältnisse im Fuß dar. Bereits wenige Stunden nach einer starken Stressreaktion bildet sich im Fuß nach und nach ein Ödem, Flüssigkeit im Fuß.
Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie schätzt das MRT für die Diagnose. „Das heißt, es ist ein sehr frühes und sehr sensibles Tool, um an diese Diagnose zu kommen. Im Fallbeispiel war das eine Stressfraktur am zweiten Mittelfußknochen.
„Hier in dem Bereich, wo die Bruchlinie oder die Fraktur ist, sehen wir diese starke Ödem-Bildung. Was hier sehr deutlich zu sehen ist, die Flüssigkeit auch in den Weichteilen.“ Sie verursacht einen Teil der starken Schmerzen, die typisch sind bei einer Stressfraktur.
Wie unsere Knochen aufgebaut sind
Knochen sind nicht starr, sondern befinden sich im permanenten Umbau. Durch Belastungen von außen, wie Sport und Bewegung, wird der Knochenumbau in Gang gesetzt. Dafür sind verschiedene Zellen verantwortlich: Die Osteoblasten bauen Knochensubstanz auf, die Osteoklasten bauen Knochensubstanz ab.
Ist die einwirkende äußere Kraft auf den Knochen zu groß, können Mikrorisse im Knochengewebe entstehen. Diese können zwar von den Knochenzellen repariert werden, aber das braucht Zeit. Belastet man den Knochen weiter, ohne genug Erholung, wird die Reparatur gestört. Dann kann es zum Ermüdungsbruch kommen.
Was eine Stressfraktur auslösen kann
Tatsächlich war es ein Militärarzt, der im 19. Jahrhundert das Krankheitsbild erstmals beschrieben hat. Nach längeren Märschen hatte er Stressfrakturen an den Füßen der Rekruten festgestellt. Deswegen werden sie auch heute noch als sogenannte Marschfraktur bezeichnet.
Aber auch bei Sportarten wie Laufen, Fußballspielen oder Ballett kommt es häufiger zu Stressfrakturen. Dr. Bernd Lutz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Ulm, erklärt, prinzipiell könne jede Aktivität eine Stressfraktur verursachen, besonders wenn „eine gewisse Intensität, die vor allem ungewohnt ist, überschritten wird“. Beispiele wären eine Städtetour in ungewohnter Länge, ein Umzug oder sportliche Aktivitäten in hohem Umfang. Häufig kämen dann noch andere Faktoren hinzu.
Im Fallbeispiel waren die Fehlstellungen des Fußes die Ursache für den Ermüdungsbruch. Der Orthopäde erklärt das mit dem Spreizfuß der Patientin - der Aufweitung der Mittelfußknochen - und einem Hallux Valgus, einer Fehlstellung des großen Zehs. Beides verursachte dauerhaft eine starke Fehlbelastung der Mittelfußknochen. Deswegen soll die Patientin künftig Einlagen tragen, um ihre Füße bestmöglich zu unterstützen und einer weiteren Stressfraktur vorzubeugen.
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Welche Knochen und Gelenke gefährdet sind
Dr. Bernd Lutz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Ulm, weiß: „Prinzipiell sind die unteren Extremitäten am häufigsten betroffen, weil hier die Geh- und Stehbelastung und die meiste Belastung beim Sport draufkommt. Es gibt aber auch Lokalisationen wie am Schienbeinkopf oder auch zum Beispiel bei Wurfsportlern der Oberarm oder die Schulter. Selten kann es auch - beim Turner zum Beispiel - mal der Wirbelbogen sein.“
Erste Warnzeichen vor dem Ermüdungsbruch: Schmerzen
Dr. Lutz betont, wie wichtig der Schmerz als Warnsignal ist. Schmerzen wiesen darauf hin, dass der Bruch zu viel Belastung abbekommt.
„Der erste Punkt wäre hier, die Belastung zu reduzieren, was häufig auch schon dazu führt, dass die Schmerzen weniger werden. Dann ist es ja so, dass wir im akuten Fall trotzdem in der Regel noch ein Schmerzmittel benötigen. Hier wäre ein nicht steroidales Antiphlogistikum wie Ibuprofen oder Diclofenac eine gute Wahl.“
Die wichtigste Therapie bei Ermüdungsbruch: Schonung
Steht die Diagnose fest, heißt es vor allem: schonen. Es dauert ungefähr vier bis acht Wochen, bis ein Ermüdungsbruch verheilt ist.
Facharzt Dr. Thomas Schneider erklärt: „In dem Moment, wo man die Belastung herausnimmt, hat man 90 Prozent der eigentlichen Therapie getan. Der Patient hat eine sehr schnelle Schmerzbesserung.“
Wichtig zu wissen: Der richtige Zeitpunkt für das Training
Orthopäde Dr. Lutz empfiehlt für den Einstieg ins Training: „Ein wichtiger Punkt wäre, zunächst eine schmerzfreie Phase von zwei, drei Wochen zu haben. Und dann mit einem geringen Intensitätslevel zu beginnen. Die Steigerung sollte immer unter der Prämisse stattfinden, dass keine Schmerzen beim Sport und danach auftreten.“
So können Orthesen dem Fuß helfen
Kürzere und niedrigere Orthesen sind vor allem für den Mittelfuß gedacht. Die Sohle ist etwas härter und entlastet dadurch den Mittelfuß besser.
Etwas längere Modelle kommen vor allem zur Anwendung, wenn eher der Rückfuß vom Bruch betroffen ist. Die meisten Stressfrakturen müssen aber nicht unbedingt mit solchen Orthesen behandelt werden. Je nach Fall sind klassische Gehstützen zur Entlastung des Fußes und der Knochen eine gute Wahl.
Wann muss operiert werden bei einem Ermüdungsbruch?
Orthopäde Dr. Lutz erklärt, man unterscheidet „zwischen High- und Low-Risk-Brüchen“. Bei High-Risk-Brüchen gibt es einige, die eher operiert werden sollten. Zum Beispiel lasse sich ein Längsriss am Kahnbein in der Regel nicht durch eine Entlastung kompensieren.
Physiotherapie gegen eine Fehlstellung der Füße
Die Füße müssen im Alltag großen Belastungen standhalten: Beim Gehen tragen sie etwa das Sechsfache unseres Körpergewichts, beim Springen sogar das Zehnfache.
Etwa ein Viertel unserer Knochen befindet sich in den beiden Füßen. Sie sind durch verschiedene kleine und große Gelenke sowie Bänder stabil miteinander verbunden. Die Muskulatur sorgt dafür, dass die Füße dynamisch und flexibel bewegt werden können.
Auch Physiotherapie spielt bei der Therapie eines Ermüdungsbruchs eine wichtige Rolle. In der Gelenk-Reha-Praxis von Martina Wetzel wird die Fußfehlstellung – der Spreizfuß - der Patientin aus dem Beispielfall behandelt und die Muskulatur zwischen den Zehen wieder mobilisiert. Die richtigen Übungen können sogar einem Spreizfuß vorbeugen.
Die Physiotherapeutin empfiehlt Betroffenen, die Übungen auch zuhause regelmäßig zu wiederholen, um einer erneuten Stressfraktur vorzubeugen - am besten täglich. „Kein Gewölbe, keine Stabilität im Vorfuß und dann ist die Gefahr einer erneuten Stressfraktur gegeben“, weiß Martina Wetzel.
Laufband aus der Raumfahrt – gegen die Schwerkraft
Neben spezieller Krankengymnastik kann bei einem Ermüdungsbruch auch ein besonderes Laufband helfen, das eigens für die Raumfahrt entwickelt worden ist: das sogenannte Antigravitations-Laufband. Dafür müssen Betroffene eine spezielle Hose tragen, luftdicht verschlossen.
Dann wird ein Überdruck in der Kammer erzeugt - und dadurch ein fast schwereloser Zustand. Das Körpergewicht kann so um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Die Belastung auf dem Fuß ist dadurch deutlich geringer. Schon kurze Zeit nach einer Stressfraktur kann der Fuß wieder bewegt werden, das kann die Heilung unterstützen. Rund 20 Minuten reichen zu Beginn, um die Muskulatur, Gelenke und Knochen wieder zu aktivieren.
Dieses Training kann von allen Ärzten als gerätegestützte Krankengymnastik per Rezept verschrieben werden. Patienten müssen lediglich eine Rezeptgebühr zahlen.
Wie gut sind die Erfolge mit dem Antigravitations-Laufband?
Dr. Lutz berichtet von einer Studie, die das Laufband in Zusammenhang mit Knochenbrüchen am Sprunggelenk und am Kniegelenk untersucht hat. Etwa nach einem Jahr sei das Gangbild, aber auch die Muskelmasse etwas besser gewesen, im Vergleich zu der Gruppe, die nicht mit diesem Laufband trainiert hatte. Aber die Unterschiede seien eher gering.
Grundsätzlich seien aber Wassergymnastik, klassische Physiotherapie, auch mit Theraband oder Noppenbällen, zu empfehlen.
Ermüdungsbruch vorbeugen – wie geht das?
Dr. Lutz empfiehlt, die gängigen Regeln zu beachten bei Sport und Aktivitäten:
- Aufwärmtraining, auch mit Dehnübungen.
- Beim Steigern der Intensität eher in Maßen vorgehen – immer darauf achten, was der Körper sagt.
- Regenerationsphasen berücksichtigen.
- Signalisiert der Körper Schmerzen: Stopp
Welche Nahrungsmittel sind wichtig gegen Stressfrakturen
Der Knochen braucht alles, was ihn stabil hält: Dazu zählt Calcium, Vitamin D, aber auch die üblichen Eiweiße, die er als Baustoffe benötigt.
Dr. Lutz weist auf Kalziumquellen hin wie zum Beispiel Milchprodukte. „Hier sind auch Eiweiße drin, insbesondere bei den tierischen Eiweißen auch die essenziellen Aminosäuren.“ Andere Eiweißquellen seien selbstverständlich auch möglich. Generell sei eine ausgewogene Ernährung sinnvoll, vor allem auch mit Obst.
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Der Orthopäde empfiehlt, in der kalten Jahreszeit auf etwa 30 Minuten Sonnenexposition von Gesicht und Händen täglich zu achten, um dem Knochen genügend aktives Vitamin D3 zur Verfügung zu stellen.
Vitamin D-Präparate als Nahrungsergänzungsmittel in Vorbeugung auf einen Ermüdungsbruch einzunehmen, empfehle sich laut Dr. Lutz nicht. Das sei relevant bei Osteoporose.
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Begünstigen weitere Vorerkrankungen den Ermüdungsbruch?
Neben der Osteoporose, die möglicherweise einen Ermüdungsbruch begünstigt, kommen orthopädische Vorerkrankungen wie Deformitäten in Frage – wie etwa der Hallux valgus und die Überlänge des zweiten Strahls des Mittelfußes.
Prinzipiell seien laut Dr. Lutz aber auch Unterschiede bei der Beinlänge oder auch Fußformen wie zum Beispiel der Hohlfuß qualifiziert, solche Brüche auszulösen.