Viele Wurzelgemüsesorten, die noch auf dem Teller unserer Großeltern landeten, sind in Vergessenheit geraten. Dabei sind Pastinaken, Rote Bete oder auch Karotten super gesund und haben über mehrere Monate Saison. Wir haben untersucht, welche wertvollen Inhaltsstoffe in diesem heimischen Gemüse stecken.
Möhren aus der Region
Pfinztal, wenige Kilometer von Karlsruhe entfernt: Landwirt Florian Petrik arbeitet in dritter Generation im familiären Ökobetrieb und ist auf den Anbau von Gemüse spezialisiert. Die Sommermöhren haben Erntezeit. Im April gesät, werden die nährstoffreichen Wurzeln im September aus der Erde geholt.
Öko-Landwirt Florian Petrik weiß: „Die Wurzel ist in der Pflanzenphysiologie das Speicherorgan der Pflanze. Somit werden dort auch die Nährstoffe und Mineralstoffe gespeichert. Das ist ein Grund, deswegen sind die so nährstoffreich. Und im Vergleich zu Blattgemüse ist viel weniger Wasser drin - das heißt, die Nährstoffkonzentration in der Wurzel ist deutlich höher.“
Die wertvollen Nährstoffe der Karotte
Karotten zählen zum beliebtesten Wurzelgemüse in Deutschland. In ihnen stecken jede Menge wertvoller Nährstoffe - insbesondere die sogenannten Carotinoide, vor allem Beta-Carotin. Die natürlichen Farbstoffe geben der Karotte ihre Farbe und sind eine wichtige Quelle für Vitamin A. Möhren sind auch reich an Vitamin B, C, und E.
Wo die Karotte herkommt
Die Weltproduktion für Möhren und Karotten liegt jährlich bei mehr als 41 Millionen Tonnen. Das Hauptanbaugebiet des Gemüses liegt in Asien mit rund 63 Prozent. Als Ursprung gelten die heutigen Regionen Afghanistan, Pakistan und Iran, damals war sie noch violett oder gelb gefärbt. Über den Mittleren Osten und Nordafrika gelangte sie nach Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Später entstanden durch Mutationen erste orangefarbene Möhren.
Die französischstämmige Karotte ist meistens etwas kürzer, etwas gedrungener. Die Möhre, wie sie in Deutschland bekannt ist, ist eher der lange Typ.
Karotten sollen besonders gut für die Augen sein. Stimmt das?
Wie das Wurzelgemüse sich auf unsere Gesundheit auswirkt, wissen der Berliner Mediziner Dr. Christian Keßler und die Lebensmittelchemikerin Dr. Vivien Haberland vom Karlsruher Max Rubner-Institut. Sie forschen zu den gesundheitlichen Effekten pflanzenbasierter Ernährung.
Die Lebensmittelchemikerin erklärt: „Karotten enthalten Beta-Carotin. Das ist eine Vorstufe von Vitamin A. Und Vitamin A benötigen wir für unseren normalen Sehvorgang. Es kommt in einer bestimmten Form dem Retinal in den Stäbchen unserer Netzhaut vor und die sind wiederum dafür verantwortlich, dass wir hell und dunkel unterscheiden können.“
Dr. Christian Keßler, Facharzt für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin, ergänzt: „Eine Karotte ersetzt keine Brille oder macht auch keine Fehlsichtigkeit rückgängig. Aber es ist insgesamt ein Lebensmittel, das sehr günstig ist und sehr günstige Inhaltsstoffe hat für die Augengesundheit.“
So wenig Möhren reichen für den Tagesbedarf an Vitamin A
Bereits 60 Gramm Karotten decken den Tagesbedarf an Vitamin A. Das Vitamin ist auch für unser Immunsystem sowie für die Haut gut. Außerdem enthalten Karotten viele Ballaststoffe, vor allem Pektin. Es beeinflusst den Fettstoffwechsel positiv.
Dr. Christian Keßler, Facharzt für Innere Medizin, betont: „Eine Karotte ersetzt natürlich kein Statin, also kein fettsenkendes Arzneimittel. Aber als Bestandteil einer ausgewogenen, vollwertigen, ballaststoffreichen, vielfältigen, abwechslungsreichen Ernährung ist die Karotte eben eines der Lebensmittel, die sich auch günstig auf den Fettstoffwechsel auswirken können. Das hat vor allem etwas mit den Ballaststoffen zu tun.“
Karotten roh oder gekocht: Was ist gesünder?
Gekocht werden manche Nährstoffe besser verfügbar - roh stehen aber die Vitamine, die sekundären Pflanzenstoffe, in der ganzen Fülle zur Verfügung.
Wichtig ist in jedem Fall: Für die Verwertung des Pro-Vitamin A braucht es etwas Fett - das heißt, den Möhrensalat mit Olivenöl zubereiten oder aber das gekochte Möhrengemüse mit Butter verfeinern, damit der Körper das Vitamin A besser aufnehmen kann.
Heilsam für den Darm: Morosche Karottensuppe
Im 20. Jahrhundert verabreichte der Arzt Professor Ernst Moro Kindern bei Durchfallerkrankungen mangels Medikamenten seine sogenannte Morosche Karottensuppe - bis heute eine Empfehlung. Dafür geschnittene Möhren, die doppelte Menge Wasser und eine Prise Salz mindestens eine Stunde kochen lassen. Anschließend die Suppe pürieren und möglichst auf leeren Magen zu sich nehmen. Ein bewährtes Hausmittel bei verschiedenen Darmerkrankungen.
Die Möhre ist sehr gut verträglich, tut dem Darm gut und ist deswegen Teil vieler Formen von Schonkost, beispielsweise nach Operationen, wenn langsam die Kost wieder aufgebaut wird. Hier haben sich Möhrengemüse oder Möhrensuppe bewährt.
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Pastinake: Helle Wurzel mit reichlich Nährstoffen
Neben den beliebten Karotten sind auch Pastinaken ein klassisches Wurzelgemüse, das die Familie Petrik bereits seit 20 Jahren anbaut. Öko-Landwirt Florian Petrik erklärt: „Die Pastinaken werden allerdings ohne Laub verkauft, weil das Laub phototoxische Reaktionen auf der Haut hervorrufen kann, was dann mit Bläschenbildung oder sonnenbrandartigen Erscheinungen einhergeht.“
Sehr nahrhaft ist hingegen die helle Wurzel des Gemüses. In der Pastinake steckt Vitamin C, Kalium, aber auch B-Vitamine wie Folsäure und Eisen. Und es sind noch mehr wichtige Stoffe enthalten, weiß Dr. Vivien Haberland, Lebensmittelchemikerin am Max Rubner-Institut: „Sehr viele Ballaststoffe, aber auch die Ballaststoffe Pektin, die Mikrobiota zugänglich sind. Das bedeutet, die Darmbakterien können das verstoffwechseln und tragen somit zu einer gesunden Darmflora bei und auch zu einer Vielfalt an Darmbakterien.“
Dr. Christian Keßler, Facharzt für Innere Medizin, ergänzt: „Die Pastinake ist ein Wurzelgemüse, das man unter dem Gesichtspunkt Zuckerstoffwechsel auch wirklich gut verwenden kann.“ Die nicht verdaulichen Ballaststoffe der Pastinake lassen also den Blutzuckerspiegel nicht so rasch ansteigen und beeinflussen die Verdauung positiv.
Tipp: Das helle Wurzelgemüse ist vielseitig - ob roh zubereitet, in der Suppe oder gedünstet als Gemüsebeilage. Aufgrund des niedrigen Nitratgehalts ist das Gemüse auch als Babynahrung beliebt.
Rote Bete: Günstig bei Bluthochdruck und gut fürs Herz
Ganz anders die Rote Bete. Ebenfalls ein Wurzelgemüse, das Ökolandwirt Florian Petrik anbaut. Diese Knolle ist bekannt für ihren hohen Nitratgehalt.
Facharzt Dr. Christian Keßler weist auf folgendes hin: „Das ist das Spannendste, dass die Rote Bete über den Nitratgehalt Beiträge leisten kann zur Blutdrucksenkung. Dazu sind auch Studien publiziert worden. Das ersetzt natürlich kein Blutdruckmedikament und auch kein Gespräch mit dem Arzt oder einer Ärztin beim Vorliegen von Bluthochdruck. Aber wenn man unter einem milden Bluthochdruck leidet, dann ist das auf jeden Fall etwas, was ich regelmäßig in den Speiseplan integrieren würde.“ Das Nitrat der Roten Bete wirkt gefäßerweiternd und ist daher positiv für die Herzgesundheit.
Übrigens: Nitrat im Frischgemüse ist erst bedenklich, wenn es im Lebensmittel selbst etwa durch falsche Lagerung oder im Körper durch die Verdauung zu Nitrit umgewandelt wird. Erwachsene, die auf eine abwechslungsreiche Ernährung achten, müssen sich aber keine Sorgen machen. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung überwiegen die Vorteile einer gemüsereichen Ernährung mögliche Risiken durch die Nitrat- und Nitritaufnahme.
Rote Knolle wehrt freie Radikale ab und stärkt das Immunsystem
In der Roten Bete stecken noch weitere gesunde Inhaltsstoffe wie etwa Kalium, Eisen und das B-Vitamin Folsäure. Ihre leuchtende Farbe verdankt sie dem sekundären Pflanzenstoff Betanin. Lebensmittelchemikerin Dr. Vivien Haberland, erklärt: „Betanin ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der antioxidativ wirkt. Das heißt, er fängt freie Radikale ab und schützt somit die Zellen vor oxidativen Schäden. Außerdem wirkt er entzündungshemmend und stärkt das Immunsystem.“
Dr. Christian Keßler, Facharzt für Innere Medizin, geht noch weiter. „Die Rote Bete ist tatsächlich unter den Wurzelgemüsen das einzige, wo ich sagen würde, das ist hart an der Grenze zum Superfood. Also das ist schon echt eine spektakuläre Knolle.“ Aufpassen müssen nur diejenigen, die eine Neigung zur Nierenstein-Bildung haben. Das liegt an der Oxalsäure in der Roten Bete.
Für die allermeisten ist die rote Knolle aber ein wirklicher Gesundmacher. Sie kann roh verzehrt werden, zum Beispiel als Salat oder Carpaccio - aber auch gedünstet oder gegart bleiben viele Inhaltsstoffe erhalten.
Einkaufstipp für Rote Bete
Öko-Landwirt Florian Petrik rät: „Eine frische Rote Bete macht aus, dass sie richtig knackig ist und fest, so dass sie nicht einzudrücken ist. Wenn sie weich oder schrumpelig ist, dann ist sie falsch gelagert und hat zu viel Wasser verloren.“
Richtig gelagert geht die Rote Bete noch bis ins Frühjahr über die Ladentheke. Auf die vielen Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe, die in der Roten Bete und anderem Wurzelgemüse stecken, sollten wir insbesondere in der kalten Jahreszeit nicht verzichten.
Infos zu unseren Experten
Dr. Vivien Haberland, Lebensmittelchemikerin am Max Rubner-Institut Karlsruhe, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
Dr. Christian Keßler, Facharzt für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin