Wer in Deutschland in einem Heim Pflege braucht, muss dafür immer mehr Geld bezahlen. Auch ambulante Pflege zu Hause wird vielfach teurer. Hier erfahren Sie, was Sie tun können, wenn ein Brief mit Preiserhöhungen kommt, was Sie selbst aufbringen müssen und wann Sie finanzielle Unterstützung bekommen können.
Steigende Personalkosten bei vielen Anbietern
Steigende Energiekosten belasten Pflegeheime und Pflegedienste
Womit müssen Menschen in Pflegeheimen rechnen?
So setzen sich die Kosten zusammen
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind die Eigenanteile besonders hoch
Modellprojekt: Mehr Zeit für ambulante Pflege muss nicht teurer sein
Angehörige und Pflegebedürftige in Heimen in Sorge
Was kann ich tun, wenn mein Anbieter eine Erhöhung ankündigt?
Was passiert, wenn ich mir die Heimkosten nicht mehr leisten kann?
Zusätzlich privat vorsorgen für den Pflegefall - eine gute Idee?
Die Gründe für die Preissteigerungen sind vielfältig. Zu den Faktoren, die die Pflege teurer machen, gehören unter anderem Folgende.
Steigende Personalkosten bei vielen Anbietern
Seit September müssen Pflegekräfte in der Altenpflege nach Tarif bezahlt werden. Das sieht die Tariftreueregelung vor. Ein Ziel ist es, den Beruf attraktiver zu machen. Was für viele Pflegekräfte eine gute Nachricht ist, bringt allerdings steigende Kosten mit sich. Pflegeanbieter, die bisher noch nicht nach Tarif bezahlt haben, müssen mit bis zu 30 Prozent mehr rechnen. Das betrifft viele private Anbieter, anders als städtische, gemeinnützige oder kirchliche Träger, bei denen entweder bereits Tarifverträge gelten oder die sich danach richten. Auch der Mindestlohn ist im September gestiegen.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste sorgt sich um die Refinanzierung der Mehrkosten als Folge der Tariftreueregelung. Die Kassen zahlten in vielen Fällen keinen Cent mehr, so Verbandspräsident Bernd Meurer. Die Anbieter müssen über Kostensteigerungen mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern verhandeln, selbst wenn am Ende die Pflegebedürftigen die Kosten tragen.
Steigende Energiekosten belasten Pflegeheime und Pflegedienste
Strom, Heizung oder Sprit: Die Energiekosten steigen auch für Pflegeheime und ambulante Pflegedienste. Dazu kommen allgemein steigende Kosten für Lebensmittel und vieles andere mehr. Das wirkt sich in der Folge auch auf die Pflegebedürftigen aus, die die steigenden Preise am Ende über die Unterkunfts- und Verpflegungskosten mit tragen müssen.
Womit müssen Menschen in Pflegeheimen rechnen?
Auf viele Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen kommen Mehrkosten zu, teils können das mehrere hundert Euro sein. Dabei spielen viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, ob es sich um ein Heim handelt, das die Angestellten ohnehin schon nach Tarif bezahlt hat. Dann fallen zumindest wegen der Tariftreueregelung keine höheren Personalkosten an.
Auch beim Heizen kommt es darauf an, wie das Heim ausgestattet ist. Zusätzlich hängen die Kosten davon ab, wie Gas- und Strompreisbremse genau ausgestaltet werden und ab wann sie kommen. Und hinzu kommt die individuelle Situation jeder Heimbewohnerin und jedes Heimbewohners.
Je länger eine Person im Heim ist, desto höher ist der Zuschuss zum Eigenanteil an den Pflegekosten, der sogenannte Leistungszuschlag. Seit Januar gibt es im ersten Jahr fünf Prozent, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten 45 Prozent und ab dem vierten Jahr 70 Prozent Zuschuss. Verbraucherschützer kritisieren allerdings, diese Zuschüsse verpufften größtenteils angesichts der aktuellen Kostensteigerungen. Eine deutlich spürbare Entlastung sieht der Verband der Ersatzkassen nur bei längerem Aufenthalt.
So setzen sich die Kosten zusammen
Viele Heime haben schon Preiserhöhungen angekündigt. Verbraucherschützern haben Pflegebedürftige und Angehörige von Kostenerhöhungen im Rahmen von 500 bis 1.000 Euro berichtet. In einzelnen Fällen handelt es sich sogar um deutlich mehr als 1.000 Euro. Dabei sind die Eigenanteile, die Pflegebedürftige leisten müssen, schon in den vergangenen Jahren gestiegen.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind die Eigenanteile besonders hoch
Laut Verband der Ersatzkassen lag der Eigenanteil, den Heimbewohnerinnen und Heimbewohner in Rheinland-Pfalz im Schnitt monatlich selbst zahlen müssen, im Juli 2022 bei 2.344 Euro. In Baden-Württemberg waren es 2.555 Euro. Kosten, die sich jeweils auf das erste Jahr in einem Heim beziehen, wobei der Zuschuss von fünf Prozent schon abgezogen ist. Damit liegen beide Bundesländer über dem bundesweiten Schnitt von 2.200 Euro monatlich, die Summe in Baden-Württemberg ist unter allen Bundesländern sogar die höchste.
Aber auch Pflegebedürftige, die zu Hause von ambulanten Diensten versorgt werden, müssen mit Preissteigerungen rechnen. Steigende Preise führen dazu, dass teils Pflegeleistungen nicht mehr in Anspruch genommen werden, obwohl sie eigentlich nötig wären. So berichten es Pflegeanbieter. Auch in so einem Fall können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Beratung suchen, ob eine finanzielle Unterstützung möglich ist.
Modellprojekt: Mehr Zeit für ambulante Pflege muss nicht teurer sein
Passgenaue Pflege und weniger Zeitdruck, dazu stabile oder sogar sinkende Preise für die Pflegebedürftigen. Das neue Vergütungssystem, das die Caritas Hochrhein in ihren Sozialstationen erprobt, hat erstaunliche Effekte: Individuelle Pflegeangebote und stundengenaue Bezahlung erhöhen zwar deutlich die Motivation der Fachkräfte, aber offenbar nicht die Preise, zumindest nicht grundsätzlich.
Wie das Modellprojekt im Alltag funktioniert, erfahren Sie hier:
Ist das ein möglicher Ausweg aus der Spirale wachsender Kosten bei schrumpfender Personaldecke? "Auf jeden Fall", sagt Rolf Steinegger, Geschäftsführer der Caritas-Sozialstationen Hochrhein, im Radio-Interview mit Laura Koppenhöfer für SWR1 Arbeitsplatz am 29. Oktober 2022. Das Modell lasse sich auf alle ambulanten Pflegedienste übertragen.
Angehörige und Pflegebedürftige in Heimen in Sorge
Welche Sorgen die aktuellen Preissteigerungen auslösen können und wie Heime unterschiedlicher Träger mit der aktuellen Entwicklung umgehen, das berichtet SWR Wirtschaftsredakteurin Geli Hensolt in diesem Beitrag:
Was kann ich tun, wenn mein Anbieter eine Erhöhung ankündigt?
Der Tipp von Verbraucherschützern ist: Es lohnt sich, auf die Formalien zu achten. Wenn ein Heim eine Kostenerhöhung ankündigt, dann muss es sich an einige Regeln halten. Es muss unter anderem schriftlich mitteilen, dass es das Entgelt erhöhen will und um wie viel, die bisherigen und neuen Kosten müssen gegenübergestellt werden und es muss angegeben sein, ab welchem Zeitpunkt das gelten soll. Eine Begründung ist ebenfalls erforderlich und das alles muss vier Wochen vor dem Tag, zu dem der erhöhte Beitrag gezahlt werden soll, passieren. Wenn diese Regeln nicht eingehalten werden, ist die Erhöhung zunächst einmal unwirksam. Pflegebedürftige können die Zustimmung verweigern.
Betroffene können die Steigerungen also möglicherweise aufschieben, verhindern lassen sie sich in aller Regel aber nicht. Denn wenn Kosten einmal zwischen Pflegekassen und Sozialhilfeträgern verhandelt sind, gelten die vereinbarten Sätze für Pflege oder auch Unterkunft und Essen als angemessen, so erklärt es eine Verbraucherzentralen-Expertin im Gespräch mit dem SWR. Wenn etwas nicht gerechtfertigt erscheint, sollte man sich beraten lassen, empfehlen die Verbraucherzentralen.
Informationen dazu, aber auch zu generellen Fragen rund um die stationäre und ambulante Pflege bekommt man bei einem der Pflegestützpunkte in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz, bei den Verbraucherzentralen, beim Pflegeschutzbund BIVA oder auch beim Sozialverband VdK.
Was Sie bei einer Preiserhöhung tun können, auf was Sie genau in dem Schreiben achten können und wann der Staat einspringt, wenn die Kosten nicht mehr zu stemmen sind, erfahren Sie im Interview von Verbraucherzentrale-Pflegeexpertin Silke Lachenmaier mit SWR Wirtschaftsredakteurin Katharina Fortenbacher-Jahn für SWR2 Geld Markt Meinung.
Was passiert, wenn ich mir die Heimkosten nicht mehr leisten kann?
Zunächst einmal gilt: Angespartes Vermögen muss nicht komplett aufgebraucht werden. 5.000 Euro Schonvermögen darf man behalten. Und auch Wohneigentum muss nicht unbedingt verkauft werden, wenn etwa der Ehepartner noch im gemeinsamen Haus oder in der Wohnung wohnt. Sind die Reserven aufgebraucht, dann kommen die eigenen Kinder ins Spiel, allerdings nicht deren Ehepartner. Wenn ein Kind ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro hat, muss es einspringen und die Kosten im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten übernehmen. Ansonsten hilft das Sozialamt. Hier empfehlen Verbraucherschützer, möglichst schnell einen Antrag zu stellen, wenn sich abzeichnet, dass die Kosten nicht mehr zu stemmen sind. Denn die Bearbeitung könne einige Zeit dauern.
Die Bundesregierung will auch mehr Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen für das Wohngeld berechtigen.
Betreuungsrecht Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht: Die aktuelle Rechtslage
Welche Dokumente sollte jeder von uns vorbereiten? Alles Wichtige zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung plus Neuerungen im Betreuungsrecht seit 1. Januar 2023.
Zusätzlich privat vorsorgen für den Pflegefall - eine gute Idee?
Immer wieder wird empfohlen, zusätzlich zur gesetzlichen Versicherung privat vorzusorgen, für den Fall, dass man einmal Pflege benötigt. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt auf SWR Anfrage, es sei "empfehlenswert, wenn die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich eigenverantwortlich für den Pflegefall vorsorgen".
Welche Vorteile und welche Risiken die unterschiedlichen Angebote von Versicherungen dazu mit sich bringen, und was zu bedenken ist, berichtet Wolfgang Brauer.
Einen Überblick mit vielen praktischen Hinweisen zur Pflegezusatzversicherung finden Sie auch hier in unserem SWR Onlineangebot.