90 Prozent der Rückenschmerzen sind unspezifisch, ausgelöst durch schlechte Haltung, Bewegungsmangel oder psychische Belastung. Nur bei den restlichen 10 Prozent sind etwa Knochenbrüche, Spinalkanalstenosen oder Tumore der Grund.
- Rückenschmerzen: Wann sollte man zum Arzt?
- Unspezifische Rückenschmerzen: Muskelverspannungen
- Ganzheitlicher Therapieansatz gegen chronische Rückenschmerzen
- Bandscheibenvorfall: Wann ist eine OP notwendig?
- Wenn nichts mehr gegeb die Schmerzen hilf: Rückenmark-Stimulation
- Wie kann man Rückenprobleme langfristig vorbeugen?
- Betriebliche Gesundheitsförderung
Wann sollte man mit Rückeschmerzen zum Arzt?
Wenn folgende Symptome auftreten, sollte man Rückenschmerzen ärztlich abklären lassen, empfiehlt erklärt Prof. Dr. med. Hans-Raimund Casser, ärztlicher Direktor am DRK-Schmerzzentrum in Mainz.
- Die Schmerzen halten länger als drei Tage an.
- Sie strahlen in die Extremitäten – Arme und Beine – aus.
- Es treten Sensibilitätsstörungen bis hin zu Lähmungen auf. Dies kann darauf hindeuten, dass Nerven betroffen sind.
- Fieber, Nachtschweiß und eventuell Gewichtsabnahme sind Warnzeichen, hinter denen eine Entzündung stecken könnte.
Woher kommen unspezifische Rückenschmerzen?
Ursache für unspezifische Rückenschmerzen sind die Muskeln, erklärt Prof. Casser. Sind sie nicht ausreichend trainiert, verspannen sie sich bei Anstrengung. Ist die Muskulatur dauerhaft verspannt, lässt die Durchblutung nach – Nährstoffe und Sauerstoff gelangen nicht mehr in ausreichendem Maße in die Zellen. Schadstoffe werden umgekehrt nicht abtransportiert: „Und dann wird der Muskel noch saurer, er wird sich noch mehr verkürzen und natürlich wird er noch verspannter.“ Die Schmerzen führen außerdem dazu, dass sich Betroffene noch weniger bewegen. Ein Teufelskreis. Irgendwann helfen dann auch keine Schmerztabletten mehr.
Dauern die Schmerzen länger als drei Monate an, spricht man von chronischen Schmerzen.
Ganzheitlicher Therapieansatz gegen chronische Rückenschmerzen
Studien zeigen, dass die sogenannte multimodale Behandlung Betroffenen dann am besten hilft. Allerdings kritisiert die Deutsche Schmerzgesellschaft, dass es bislang zu wenige ganzheitliche Angebote gebe.
Bei der multimodalen Behandlung geht es darum, verschiedene Fachgebiete miteinander zu kombinieren und damit einen ganzheitlichen Ansatz zu gewährleisten. Das DRK Schmerz-Zentrum Mainz beispielsweise bietet dieses Konzept an.
Patienten haben meistens schon mehrere einzelne Behandlungsversuche hinter sich, wenn sie sich an das Schmerz-Zentrum wenden. Sie erhalten dann zunächst über vier Wochen eine Kombination aus – wenn nötig – Schmerzmitteln, Physio- und Bewegungstherapie sowie Entspannung und Verhaltenstherapie. Sowohl Gruppen- als auch Einzeltherapien sind im Programm enthalten.
Mit jedem Patienten wird zudem ein individuelles Ziel besprochen – beispielsweise, besser schlafen zu können oder den Alltag besser bewältigen zu können. Patienten mit Rückenschmerzen brauchen individuelle Lösungen und Übungen – und zwar möglichst alltagsnah. In den Sitzungen sollen ihnen Tipps, Strategien und Übungen an die Hand gegeben werden, die sie dauerhaft in ihren Alltag integrieren können.
Bandscheibenvorfall: Wann ist eine Operation notwendig?
Bei anhaltenden, starken Rückenschmerzen könnte auch ein Bandscheibenvorfall die Ursache sein. In diesem Fall sollte man Fachleute aufsuchen und sich untersuchen lassen.
Aber Achtung: Gerade bei Bandscheibenvorfällen wird Betroffenen häufig direkt zu einer Operation geraten. Experten warnen jedoch davor, sich vorschnell für einen operativen Eingriff zu entscheiden.
Es ist ratsam, sich mindestens eine weitere Expertenmeinung einzuholen. Eine Operation erscheint Schmerzleidenden zwar oft als der schnellste Weg zur ersehnten Besserung, sie kann jedoch weitere Eingriffe und Komplikationen nach sich ziehen. Therapien, die beispielsweise die Haltung verbessern oder zu mehr Bewegung anregen, können Betroffene in manchen Fällen vor einer nicht zwingend notwendigen Operation bewahren.
Auch gezielte Injektionen mit Cortison sorgen bei bei vielen Patienten für Besserung, so Prof. Casser. Jeder Bandscheibenvorfall sei mit einer Entzündung verbunden, die sich häufig mit Medikamenten gut behandeln ließe.
Rückenschmerzen und nichts hilft? Rückenmark-Stimulation
Im Bestfall kann man die Rückenschmerzen mit Schmerztherapie, Bewegung und Verhaltenstherapie in den Griff kriegen. Wenn aber alle Behandlungsoptionen und eventuell sogar Operationen keine Besserung gebracht haben und die Schmerzen das Leben bestimmen, dann könnte auf ein Verfahren zurückgegriffen werden, bei dem die Schmerzen regelrecht ausgeschaltet werden.
Bei der sogenannten Rückenmark-Stimulation wird eine Elektrode im Rückenmarkskanal platziert, die mit einem Impulsgeber verbunden ist. Dieser sendet elektrische Impulse – vergleichbar mit einem Herzschrittmacher – und schaltet Nervensignale gezielt aus. Die Schmerzen werden weniger.
Dr. med. Kathrin Machetanz ist Neurochirurgin am Uniklinikum Tübingen und auf Härtefälle spezialisiert: "Die Rückenmarkstimulation kommt für Patienten in Frage, die quasi austherapiert sind mit konservativen Therapiemaßnahmen und kausalen Operationen, wie einer einfachen Bandscheibenoperation. Das heißt, es ist für sie häufig wie eine letzte Therapieoption."
Die Rückenmark-Stimulation sei jedoch nicht isoliert zu betrachten, sondern müsse Teil eines umfassenderen Therapiekonzeptes mit Schmerztherapien und Medikamenten sein, sagt die Ärztin.
Ziel ist schließlich, dass sich Patienten durch die nachlassenden Schmerzen wieder mehr bewegen können und ihre Muskulatur trainieren – und so den Schmerzursachen entgegenwirken.
Wie kann man Rückenprobleme langfristig vorbeugen?
Um Rückenprobleme vorzubeugen sollte man jede Möglichkeit zur Bewegung nutzen – vor allem, wenn man bei der Arbeit überwiegend sitzt. Es hilft zum Beispiel schon, wenn man beim Telefonieren im Zimmer umhergeht. Noch besser sind regelmäßige kleine Sportpausen. In unseren Videos zeigen wir Übungen, die sich gut für die kleine Betätigung zwischendurch eignen:
SWR Fitnessübungen für zuhause
Damit es gar nicht erst zu belastenden Rückenproblemen kommt, hilft es, sich dauerhaft fit zu halten. Dafür muss man sich nicht zwangsläufig ein Sixpack antrainieren, aber man sollte die Bauchmuskeln nicht außer Acht lassen, da sie zur Entlastung des Rückens beitragen. Besonders wichtig ist die Kräftigung der Rückenmuskulatur, da sie die beste Unterstützung für eine überlastete Wirbelsäule darstellt. Das kann man zu Hause selbst machen. Noch besser ist aber professionelles Training mit Experten.
Aber Vorsicht: Zu viel Sport könne bei chronischen Schmerzpatienten auch kontraproduktiv wirken, so Prof. Casser: „Wenn man zu viel tut, also zum Beispiel auch Muskeltraining macht, kann es durchaus sein, dass der Schmerz nicht weggeht, weil er dauerhaft gereizt wird.“ Entspanntes Gehen und Entspannung generell sollte nicht zu kurz kommen, so der Experte.
Betriebliche Gesundheitsförderung
Arbeitgeber können seit dem Jahr 2020 pro Mitarbeiter und Jahr bis zu 600 Euro für die betriebliche Gesundheitsförderung, also beispielsweise Präventionskurse, aufwenden, ohne dass Arbeitnehmer das als geldwerten Vorteil versteuern müssen. Das Unternehmen kann dabei zertifizierte Kurse exklusiv auf dem eigenen Gelände anbieten. Der Arbeitgeber kann aber auch externe Kursangebote der Krankenkassen steuerfrei bezuschussen. Bei den Kursangeboten handelt es sich beispielsweise um Pilates, Yoga oder Rücken-Stretching. Wichtig ist, dass es sich um ein Training handelt, das schonend mehrere Bereiche des Körpers in Bewegung bringt. Hierzu zählen auch Programme, die Bewegung in den Arbeitspausen fördern.
Experten und Expertinnen aus dem Film:
Prof. Dr. med. Hans-Raimund Casser, Ärztlicher Direktor DRK Schmerz-Zentrum Mainz
Dr. med Kathrin Machetanz, Neurochirurgin Universitätsklinikum Tübingen