Seit Jahrhunderten schreibt sie ihre eigene Geschichte, jetzt aber gerät sie ins Abseits: die Handschrift. In Zeiten von Smartphones und Tablets tippen auch die Rheinland-Pfälzer lieber als mit der Hand zu schreiben. Doch es gibt gute Gründe, warum die Handschrift vorm Aussterben gerettet werden sollte.
Die Bedeutung der Handschrift
Die Handschrift hat einen Vorteil, der auf den ersten Blick nicht direkt zu sehen ist. Schreiben ist nämlich wichtiges Lern- und Denkwerkzeug. Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer sich vor dem Einkaufen einen Einkaufszettel schreibt, hat die meisten Dinge, die im Einkaufswagen landen sollen, dadurch schon im Kopf.
Schreiben erhöht die Merkfähigkeit und bringt viele Gehirnprozesse erst in Gang.
Die Handschrift - ein aussterbendes Fossil
Bei den sechs bis zwölf Jahre alten Kindern haben mehr als 1,2 Millionen Probleme mit der Handschrift.
Es gab Zeiten, in denen kein Weg an dem geschrieben Wort vorbeiging. Jeder Brief, jedes Dokument, jede Nachricht war handschriftlich verfasst. Erst als der Mainzer Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert den Buchdruck erfand, änderte sich das.
Im Laufe der Jahrhunderte verlor die Handschrift immer mehr an Bedeutung. Heute ist es die Digitalisierung, die auch die Rheinland-Pfälzer immer weniger zu Stift und Papier greifen lässt.
Nach einer Studie des Deutschen Lehrerverbands und des Instituts für Schreibmotorik Heroldsberg 2018/2019 bestätigen die mehr als 2.000 beteiligten Lehrer und Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen, dass sich die Handschrift der Schülerinnen und Schüler deutlich verschlechtert habe. Demnach haben 94 Prozent der Schülerinnen und Schüler Probleme beim Schreiben mit der Hand. Konkret ist somit jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen davon betroffen.
Die Probleme der Handschrift
Für die Schülerinnen und Schüler gibt es noch eine andere Hürde: Den Schulen steht es frei, welche Schreibweisen sie den Kindern beibringen möchten.
Insgesamt stehen vier Schreibweisen in Deutschland zur Verfügung:
- die Druckschrift,
- die lateinische Ausgangsschrift,
- die vereinfachte Ausgangsschrift,
- die Grundschrift.
Kritiker sehen genau darin das Problem. Zu viele mögliche Schreibweisen führen zur Verwirrung bei den Kindern, was ein unklares Schriftbild zur Folge habe. Einige Schulen entscheiden daher, nicht alle Schriften im Unterricht zu etablieren. Ob das aber tatsächlich zu einer flüssigeren Handschrift führt, ist durch Studien bisher nicht belegt.
Die Lateinische Ausgangsschrift (LA) wurde aus der Deutschen Normalschrift entwickelt und 1953 in der damaligen Bundesrepublik Deutschland als Schulausgangsschrift verbindlich eingeführt: sie ist leicht rechts geneigt und die Buchstaben werden über Deckstriche eng miteinander verbunden, so entsteht ein verschnörkeltes Schriftbild.
Die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) wurde 1969 aus der Lateinischen Ausgangsschrift durch Vereinfachung und Annäherung an die Druckbuchstaben entwickelt und seit 1972 in Schulen gelehrt. Durch den Verzicht auf unnnötige Schnörkel bei den einzelnen Buchstaben, führt sie zu weniger motorischen Problemen.
Eine lesbare Handschrift fördern
Buchautorin und Lehrerin Maria-Anna Schulze Brüning ist der Meinung, dass all das nur eine Frage des Trainings sei. Sie selbst hat bei einigen Schülerinnen und Schülern über mehrere Monate die Handschrift gezielt gefördert. Bei allen Schülern habe sich nach dem Training das Schriftbild deutlich verbessert.
Wie andere Bildungsexperten fordert sie, dass die Schriftvermittlung an Grundschulen wieder mehr in den Fokus rücken müsse und konkret im Lehrplan verankert werden solle.
Die Aktion Handschreiben 2020 setzt sich mit einem flächendeckenden Programm dafür ein, dass allen Kindern ermöglicht werden soll, eine flüssige und gut lesbare Handschrift zu entwickeln.