Die Vielfalt ist bundesweit einmalig: In der Welterbe-Region Oberes Mittelrheintal wachsen zahlreiche seltene Kirschsorten, manche von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Um das Kulturgut zu erhalten, wird in Filsen ein sogenannter Sortengarten betrieben.
84 verschiedene Kirschsorten sind hier zu bestaunen, von jeder Sorte wachsen im Garten mindestens zwei Exemplare. Der Sortengarten ist Teil der "Deutschen Genbank Obst", einem bundesweiten Netzwerk von Sortengärten, das vom Julius-Kühn-Institut in Dresden koordiniert und wissenschaftlich begleitet wird.
Alte Sorten ein Stück Kulturgeschichte
Dass gerade im Oberen Mittelrheintal so viele verschiedene Kirschsorten heimisch sind, ist kein Zufall, der Kirschanbau hat hier eine lange Tradition. Bis in die 1950er-Jahre war das Mittelrheintal ein Obstanbaugebiet. Schon im 19. Jahrhundert wurden die roten Früchtchen auf Dampfschiffen bis nach England exportiert. Gerade für Kirschen sind die warmen Temperaturen und die sandigen Böden der Region ideal. In der Nachkriegszeit ist der Kirschanbau am Mittelrhein regelrecht aufgeblüht, sogar Marmeladenfabriken entstanden.
In den 1960er-Jahren verlangte der Handel jedoch zunehmend große Mengen mit einheitlicher Qualität. Zudem wuchs die südeuropäische Konkurrenz. Viele Kirschanbauflächen am Mittelrhein wurden daher aufgegeben.
Doch immer noch verweisen viele Kirschsorten im Namen auf ihre Züchter oder dessen Wohnort im Mittelrheintal – etwa die Perle von Filsen, der Bopparter Krächer oder der Geisepitter. Rund 80 Mittelrhein-Kirschsorten konnten vor etwa zehn Jahren von einer Expertin noch vor Ort gefunden werden. Die sollen nun erhalten werden.
Deutsche Genbank erforscht Wärme-resistente Sorten
Dabei geht es nicht nur darum, die Vielfalt an Geschmack, Farbe oder Reifezeit zu bewahren. Alles Vorteile der alten Sorten, die dem Verbraucher nützen.
Durch den Klimawandel verändern sich die Wachstumsbedingungen für Obstbäume: Es wird immer heißer und immer trockener. Welche Sorten besonders gut mit dem Klimawandel klarkommen, wird in der Deutschen Genbank Obst erforscht. So können alte Sorten auf ihre Klimatauglichkeit hin untersucht werden und diese Vorteile für neue Züchtungen genutzt werden.
Erbinformation von Kirschen im Stein
Dies geschieht vor allem über das Innenleben der Früchte. Die genetische Information über die Kirschsorte steckt - im Stein. (Denn: Kirsch-"Kern" ist kein korrekter Begriff, wissen Kenner. Bei Kirschen handelt es sich um Steinobst.)
Anhand der Rillen, der Größe und sonstiger besonderer Merkmale des Steins können Obstbaum-Experten, sogenannte Pomologen, eine Sorte identifizieren. Eine Kirschsorte lässt sich aber nicht vermehren, indem man den Stein einpflanzt. Kirschbäume sind oft selbst-unfruchtbar und benötigen zur Befruchtung eine zweite, passende Sorte. Nach der Bestäubung durch den Wind oder durch Insekten und anschließender Befruchtung wächst eine Kirsche heran. Der Stein dieser Kirsche enthält jedoch die Erbanlagen beider Elternpflanzen.
Vermehrung über Pfropfen
Eine Wunschsorte vermehrt man daher über das sogenannte Pfropfen. Das ist eine Veredelungstechnik, bei der ein Teilstück einer Pflanze (ein sogenannter Reiser oder Edelreis) mit einer anderen Pflanze (einer sogenannten Unterlage) verbunden wird. Meist wird ein angespitzter Zweig in den eingeschnittenen Stamm einer Jungpflanze gesteckt und mit Baumwachs luftdicht verschlossen. Der Reiser wird dabei über die Wurzeln der Unterlage mit Nährstoffen und Wasser versorgt.
Filsen und andere Gemeinden bemühen sich um den Erhalt der Sorten
Damit die seltenen Kirschsorten bewahrt werden können, ist Arbeit nötig. Filsen und andere Gemeinden bemühen sich um deren Wiederbelebung mit Pflanz-, Info und Verkaufsveranstaltungen. Beim Filsener Sortengarten informieren Schilder über Details, außerdem gibt es einen Kirsch-Themenpfad mit vielen Infos. Ab 2023 soll es außerdem auch regelmäßige Führungen und Kochkurse rund um das Thema Kirsche geben.
Deftiges aus Kirschen Fruchtiger Kirsch-Fenchel-Blaumohn mit Rosmarin-Schwarzkümmel-Bratkartoffeln
Ein Botschafter der Mittelrhein-Kirschen ist Landschaftsarchitekt und Hobbykoch Frank Böwingloh. Eines seiner Lieblingsrezepte ist Kirsch-Fenchel-Blaumohn auf Bratkartoffeln.