Rheinland-Pfalz "hat Rücken"! Nach Atemwegserkrankungen sind Rückenschmerzen die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen im Land. Etwa 1,5 Millionen Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz sind betroffen.
Trotz immer mehr Prävention und zahlreicher Gesundheitskurse auch von Krankenkassen wie zum Beispiel der AOK nimmt die Zahl der Rückenschmerz-Patienten ständig zu und sind die Ursachen oft nur schwer auszumachen. Auch die Zahl der stationären Behandlungen hat in Rheinland-Pfalz seit 2007 um 90 Prozent zugenommen. Rückenschmerzen werden immer mehr zur Volkskrankheit.
Das sind die Ursachen von Rückenschmerzen
Rückenleiden kann verschiedene Auslöser haben:
- Es kann von Verletzungen oder Unfällen herrühren, von entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule oder Infektionen und auch Tumoren.
- Ursachen können auch Fehlbildungen der Wirbelsäule oder Fehlhaltungen sein.
- Mit zunehmenden Alter liegen vor allem degenerative Erkrankungen zugrunde, also Erkrankungen, die aufgrund von jahrelanger Belastung oder Fehlbelastung entstehen.
- Auch die Stoffwechselerkrankung Osteoporose kann Probleme verursachen: Die Knochenerweichung verschlechtert die Statik der Wirbelsäule und tragender Knochen in Beinen und Becken nachhaltig. Es kommt dann in fortgeschrittenem Alter zu Brüchen an Knochen oder Wirbelkörpern.
- Bandscheibenerkrankungen können auch schon im jüngeren Alter auftreten: Die Bandscheibe kann verschleißen, sich vorwölben und ganz vorfallen - auch das oft Ursache von akuten Schmerzen.
Diese Schmerzen sollte man unbedingt ernst nehmen, vor allem wenn dadurch neurologische Ausfälle an Beinen oder Armen verursacht werden, also die Nerven so abgeklemmt sind, dass Taubheitsgefühle in Armen oder Beinen auftreten. Eine weitere Form sind funktionelle Rückenschmerzen.
Wenn funktionelle Rückenschmerzen zugrunde liegen
Hier können Orthopäden weder im Röntgenbild noch im MRT (Magnetresonanztomographie) organische Schäden ausmachen. Auch wenn es keine sichtbare Ursache gibt, können die Schmerzen erheblich sein und sogar chronisch werden. Sie sind also ebenfalls ernst zu nehmen und erfordern gegebenenfalls eine Behandlung.
Immer mehr Menschen gehen allerdings auch mit solchen Schmerzen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser, was zur Überlastung der Notaufnahmen beiträgt. Rückenschmerzen sind aber eher selten ein Fall für eine Notaufnahme, nämlich bei: akuten Verletzungen, nach einem Unfall oder wenn aufgrund der Rückenschmerzen Lähmungserscheinungen in Armen oder Beinen auftreten. Ansonsten sind der ärztliche Bereitschaftsdienst oder der Hausarzt und niedergelassene Orthopäde die richtigen Ansprechpartner.
Wie Orthopäden und Physiotherapeuten Rückenschmerzen behandeln
Die Ursache von starken und dauerhaften Rückenschmerzen sollte ärztlich abgeklärt werden. Dafür wird oft ein Röntgenbild oder ein MRT benötigt.
Bei funktionellen Rückenschmerzen und bei vielen weiteren Rückenproblemen helfen vor allem Bewegung und die gezielte Kräftigung der Rückenmuskulatur. Vorausgesetzt, der Betroffene bleibt am Ball und führt Krankengymnastikübungen oder Kräftigungsprogramme dauerhaft regelmäßig aus. Auf diese Weise kann man beispielsweise bei Bandscheibenproblemen oder selbst bei Gleitwirbeln Operationen hinausschieben oder sogar ganz vermeiden.
Unsere Wirbelsäule ist eigentlich ein Wunder der Natur, das uns den aufrechten Gang ermöglicht:
- 24 Wirbel mit den Bandscheiben als Stoßdämpfern verbinden den Kopf mit dem Beckenbereich, mit dem die Wirbelsäule über das Kreuz-Darmbein-Gelenk und den Steiß verbunden ist.
- Wichtig für das reibungslose Funktionieren unseres aufrechten Ganges sind die tiefliegende Rückenmuskulatur, mit der die Wirbel miteinander verbunden sind, sowie die Haltemuskulatur an Rücken und Bauch.
Die Rückenmuslulatur verkümmert allerdings und macht häufig Probleme durch unsere moderne, sitzende Lebensweise.
- Diese muskuläre Dysbalance führt oft direkt in den Schmerz.
- Gezielte Physiotherapie kann deshalb bei vielen Rückenproblemen den Schmerz reduzieren oder beseitigen und Operationen ersparen.
Professor Drees plädiert dafür, dass Ärzte in der Orthopädie vermehrt auf diese sogenannte "konservative“ Therapie setzen. Dies setzt allerdings eine aktive Mitwirkung des Patienten voraus. Operationen seien aber beispielweise da nötig, wo ansonsten Nerven dauerhaft geschädigt würden, weil Wirbel oder Bandscheiben auf sie drücken würden oder der Wirbelkanal verengt würde. Oder wo durch Wirbelbrüche und andere Verschleißerscheinungen die Stabilität der Wirbelsäule nicht mehr gegeben sei.
Bei chronischen, aber auch akuten Rückenschmerzen sollte auch ein Augenmerk auf mögliche psychische Belastungen gerichtet werden: Auch Probleme am Arbeitsplatz oder im privaten Bereich können laut Prof. Drees Rückenprobleme bereiten. Multimodale Schmerztherapien mit Physiotherapie, Psychotherapie, Entspannungsübungen, aber auch richtig eingesetzten Schmerzmitteln können hier Abhilfe schaffen. Rückenschmerzen sind ein komplexes Geschehen, auf das von der Gestaltung des Arbeitsplatzes bis hin zur psychischen Belastung oder Bewegungsmangel Vieles negativ wirken kann.
So erforschen Wissenschaftler die Entstehung funktioneller Rückenschmerzen
Wissenschaftler am Institut für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation an der Mainzer Universitätsmedizin gehen in ihrem High-Tech-Labor, dem sogenannten MotionLab, seit 2016 den menschlichen Bewegungsabläufen auf den Grund. Die Mainzer Wissenschaftler versuchen, krankmachende Bewegungsmuster besser zu erkennen und für die Behandlung von funktionellen Rückenschmerzen nutzbar zu machen.
Zunächst wurden nicht operierte Probanden auf das Laufband geschickt, um deren Bewegungen zu analysieren. Seit 2018 werden auch rückenoperierte Patienten dort untersucht. Diese moderne und sehr genaue dynamische Wirbelsäulenanalyse soll Licht ins Dunkel der funktionellen Rückenschmerzen bringen. Denn bisher stehen Orthopäden oft vor einem Rätsel, was die Schmerzen verursacht.
Mit den Aufnahmen aus dem Motionlab kann Dr. Ulrich Betz jeden Wirbel einzeln in Bewegung untersuchen. Mit Hilfe der Untersuchungsergebnisse gehen die Forscher nun krankhaft veränderten Bewegungsmustern auf den Grund. Wie etwa bei Patienten, die ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk erhalten oder eine stabilisierende Wirbelsäulenoperation hinter sich haben - meist eine teilweise Versteifung der Wirbelsäule durch den Einsatz von Schrauben, Stangen und Metallplatten.