Influenza trifft auf Coronavirus

Was man über Grippe-Impfung wissen sollte

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Die COVID-19-Pandemie hält die ganze Welt in Atem, mit bisher rund 880.000 amtlich gemeldeten Toten weltweit, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. Vor fast genau 100 Jahren war es eine schlimme Grippe-Pandemie, die weltweit geschätzt bis zu 50 Millionen Tote forderte: Die sogenannte "spanische Grippe", ausgelöst durch einen besonders aggressiven, neuen Grippevirus, grassierte weltweit von Frühjahr 1918 bis 1920.

Noch immer ist die Grippe eine schwere Infektions-Erkrankung, kann aber – anders als Corona – durch eine Impfung verhindert werden. 25 Millionen Impfdosen hat das Bundesgesundheitsministerium dieses Jahr für Deutschland geordert - mehr als üblich, doch nicht genug für die gesamte Bevölkerung.

Bezahlt wird die Impfung von den meisten Krankenkassen nur für die Risikogruppen, doch auch viele Arbeitgeber bieten gratis Grippeschutzimpfungen an.

So unterschiedlich verlaufen Grippewellen

Prof. Michael Pietsch, Leiter der Abteilung für Hygiene und Infektionsprävention an der Unimedizin Mainz, weist daraufhin, dass die Influenza, die echte Grippe, nach wie vor eine Infektions-Erkrankung ist, die sehr schwer verlaufen kann, und an der jedes Jahr allein in Deutschland mehrere tausend Menschen versterben.

Dabei gibt es von Jahr zu Jahr große Schwankungen:

  • Im besonders heftigen Grippewinter 2017/18 starben in Deutschland 25.000 Menschen, auch weil der Impfstoff nicht den sich verbreitenden Viren entsprach.
  • Im letzten Winter gab es 411 Tote, aufgrund der Corona-Beschränkungen endete die Grippesaison sogar zwei Wochen eher als üblich.
Passanten in der Mainzer Fußgängerzone; viele tragen Mundschutz
Wie stark die Grippewelle im kommenden Winter ausfallen wird, kann niemand sagen.

Vermutlich werden Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln dazu führen, dass sie milde verläuft. Dennoch fürchten viele Ärzte, dass eine gleichzeitige Grippe-Welle sowie steigende Infektionszahlen durch das Corona-Virus unser Gesundheitssystem überlasten könnten.

Wenn im Herbst und Winter wieder die üblichen Atemwegsinfektionen kursieren, die durch ganz normale Rhino-Viren und durch das Grippe-Virus verursacht werden, wird die Diagnose-Stellung von COVID-19 möglicherweise erschwert. Und wer bereits durch eine Influenza-Infektion geschwächt ist, wird möglicherweise anfälliger für eine Infektion mit dem Corona-Virus.

Das ist die Impfempfehlung für Risikogruppen

Die ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts empfiehlt dennoch die Grippe-Impfung auch in diesem Jahr ausschließlich den Risikogruppen:

  • Menschen ab 60 Jahren,
  • chronisch Kranken aller Altersklassen, die aufgrund ihrer Grundleiden mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung durch die Infektion zu rechnen haben (chronische Krankheiten der Atmungsorgane inklusive Asthma, Herz- oder Kreislauferkrankungen, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Krankheiten wie multiple Sklerose, angeborene oder später erworbene Störungen des Immunsystems, HIV-Infektionen),
  • Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel, bei zusätzlichen Gesundheitsrisiken schon ab dem ersten Schwangerschaftsdrittel,
  • Bewohner von Alten- oder Pflegeheimen,
  • Personen mit stark erhöhtem Risiko, sich anzustecken (Personal in Einrichtungen mit viel Publikumsverkehr oder Beschäftigte im medizinischen Bereich mit Patientenkontakt).

Die achtzehnköpfige Expertenrunde, die beim Robert-Koch-Institut angesiedelt ist, hat sich bewusst dagegen ausgesprochen, die Impf-Empfehlung auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten. Der größte Effekt zum Schutz der Menschen und zur Entlastung des Gesundheitssystems sei zu erreichen, wenn die Impfquoten vor allem in den Risikogruppen erheblich gesteigert würden, so die STIKO.

Gleichzeitige Infektionen mit Corona und Grippe seien zwar beschrieben, würden bislang aber nicht auf schwerere Verläufe für COVID-19 in Nicht-Risikogruppen hindeuten. In Rheinland-Pfalz empfiehlt das Gesundheitsministerium jedoch seit 2005 ausdrücklich allen Menschen die Influenza-Impfung, nicht nur den Risikogruppen.

Diese Empfehlung hat die rheinland-pfälzische Impfkommission, zu der Prof. Michael Pietsch gehört, gegeben. Er empfiehlt die Grippe-Impfung auch insbesondere Kindern, "weil Kinder häufig diejenigen sind, die den Erreger in eine Familie hereintragen und beispielsweise die Großeltern dann anstecken, die schwer erkranken können." Die Grippe-Impfung sei gut verträglich, auch für Kinder.

Ob Kinder impfen – ja oder nein? – scheidet in der aktuellen Diskussion jedoch die Geister. Impfkritische Ärzte vom Verein "Ärzte für selbstbestimmte Impfentscheidung" und auch die Ständige Impfkommission des RKI sind der Meinung, dass Kinder nicht entscheidend zum Infektionsgeschehen beitragen und deshalb nicht geimpft werden müssen, es sei denn sie leiden an den oben genannten chronischen Krankheiten.

Diese Grippe-Impfstoffe gibt es aktuell

Das Grippe-Virus verändert sich ständig, deshalb müssen die Grippe-Impfstoffe jährlich angepasst werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet dafür in Zusammenarbeit mit vielen nationalen Impfzentren weltweit, welche Grippeviren auf der Südhalbkugel aktiv sind und legt dann bereits im Frühjahr fest, welche Grippestämme die Impfung bei uns auf der Nordhalbkugel im Herbst/Winter enthalten soll.

In diesem Jahr enthält der Vierfach-Impfstoff gleich drei neue Virus-Stämme – das ist eher ungewöhnlich.

Die meisten Impfstoffe werden immer noch – wie seit den 40er Jahren – in Hühnereiern hergestellt. Dafür werden Viren in Eier gespritzt, im Brutkasten vermehren sie sich und werden später abgesaugt und verarbeitet. Die Hühnerei-Methode hat jedoch Nachteile: Sie dauert lange und das Hühnerei ist nicht ideal für die Vermehrung menschlicher Grippeviren.

Professor Dr. Michael Pietsch leitet die Abteilung für Hygiene und Infektionsprävention der Universitätsmedizin Mainz.
Professor Dr. Michael Pietsch leitet die Abteilung für Hygiene und Infektionsprävention der Universitätsmedizin Mainz.

Der Mainzer Universitätsmediziner Dr. Michael Pietsch erklärt das so: Das Virus passt sich an das Hühnerei als Wirt an, dabei verändert sich manchmal auch die Oberfläche des Virus.

"Deswegen kann es passieren, dass der Impfstoff manchmal nur eingeschränkt wirksam ist, um Antikörper gegen das sogenannte 'Wildvirus' zu bilden, also das, das dann tatsächlich auch übertragen wird. Das ist von Saison zu Saison und von Virus zu Virus unterschiedlich."

Eine wahrscheinlich wirksamere Methode ist die neue zellkulturbasierte Herstellung von Impfstoffen. Dabei werden die Viren auf säugetier- oder humanen Zellen gezüchtet. Diese habe, so Prof. Pietsch, eine größere Ähnlichkeit mit dem auftretenden Wildvirus, so dass erste Hinweise darauf hindeuten, dass in Zukunft die Wirksamkeit des Grippeimpfstoffes gesteigert werden könnte, wenn man diese Stoffe verwendet.

Momentan gibt es mit Flucelvax Tetra nur einen solchen zugelassenen Wirkstoff auf dem deutschen Markt, denn bisher können zellkulturbasierte Impfstoffe noch nicht in großen Mengen hergestellt werden.

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SWR Fernsehen