Erbausschlagung, Abfindung oder Nachlassverwalter

Erbschaftsrecht mit Tücken: Was tun, wenn im Erbe Schulden stecken?

Stand
Autor/in
Dorothée Panse
Leah Striegel

Wer Schulden statt Vermögen erbt, kann das Erbe ausschlagen. Doch Vorsicht:  Manchmal ist das die falsche Entscheidung und es gibt noch weitere - mitunter clevere - Lösungen.

Inhaltsverzeichnis:

Wer erbt überhaupt?

Nach einem Todesfall muss man sich zeitnah auch um das Erbe kümmern, denn ab Kenntnis vom Tod des Erblassers beginnt eine sechswöchige Frist, in der entschieden werden muss, ob das Erbe angetreten oder ausgeschlagen wird.

Doch dazu muss erstmal klar sein, wer die Erben sind. Liegt kein Testament vor, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Hier ist der Grad der Verwandtschaft entscheidend, um den Platz in der Erbfolge zu bestimmen.

  • 1. Ordnung: Kinder und Enkelkinder des Verstorbenen
  • Ehepartner oder eingetragene Partner zählen im Erbrecht nicht als Verwandte, sind aber von der Stellung her ähnlich gestellt wie Verwandte 1. Ordnung
  • 2. Ordnung: Eltern des Erblassers, Geschwister, Nichten und Neffen
  • 3. Ordnung: Großeltern des Verstorbenen, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen

Mit einem Testament lässt sich die Aufteilung des Erbes anderweitig regeln. Grundsätzlich kann der Erblasser gezielt Erben einsetzen oder auch Angehörige enterben. Es ist jedoch ein Irrtum, dass den Enterbten gar nichts zusteht. Sofern sie zu den nächsten Angehörigen gehören, das heißt Kinder, Ehepartner oder Eltern sind, haben sie immer noch einen Anspruch auf den Pflichtteil. Großeltern sind nicht pflichtteilsberechtigt.

Der Pflichtteilsanspruch muss gegenüber dem Erbe geltend gemacht werden. Das Nachlassgericht wird nicht von sich aus tätig. Für diesen Anspruch gilt eine dreijährige Verjährungsfrist. Die Höhe des Pflichtteils errechnet sich aus der Höhe des Erbes und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbes.

Vermögensverhältnisse sorgfältig abklären

Hatte der Erblasser hohe Schulden, klingt es nach der einfachsten Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen. Denn im Erbrecht gilt die Faustformel „alles oder nichts“. Entweder der Erbberechtigte nimmt das Erbe an und tritt damit rechtlich in die Fußstapfen des Erblassers. Dann haftet er auch persönlich für dessen Schulden und Verbindlichkeiten – und zwar auch mit seinem persönlichen Vermögen, nicht nur mit dem Nachlass. Oder er schlägt das Erbe aus und bekommt dann gar nichts, auch nicht den Pflichtanteil.

Da ein Hinterbliebener also nicht sagen kann, dass er nur die Schulden ausschlägt und den Rest des Erbes annimmt, sollte man sich vor der Entscheidung, ob man ein Erbe antritt oder ausschlägt, genau über die Vermögenssituation des Verstorbenen informieren.

Die Tücken des Erbscheins

Prüfen Sie sämtliche Konten, Verträge und Unterlagen des Verstorbenen. Als Erbe haben Sie das Recht darauf, von den Banken Auskunft über die Kontoverhältnisse des Erblassers zu bekommen. Um diesen Einblick zu bekommen, müssen Sie der Bank die Sterbeurkunde vorlegen und mit dem Stammbuch Ihre Stellung als Erbe nachweisen. Ein Erbschein ist nur notwendig, wenn nicht anders nachgewiesen werden kann, dass Sie der Erbe sind.

Manche Banken fordern trotzdem einen Erbschein. Das ist nicht rechtens! Der  Bundesgerichtshof  hat im Jahr 2013 entschieden, dass es ausreicht die Erbenstellung mithilfe des Stammbuchs nachzuweisen. Im Jahr 2016 wurde das Ganze nochmal präzisiert.

Denn Vorsicht: Wer einen Erbschein beantragt, tritt das Erbe an und kann es nicht mehr ausschlagen.

Daher unser Tipp: Verlangt die Bank einen Erbschein von Ihnen, obwohl Sie anderweitig zweifelsfrei nachweisen können, dass Sie Erbe sind, weisen Sie die Bank auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinweisen.

Wenn die Ausschlagung Sinn macht

Wer sich dazu entschließt das Erbe auszuschlagen, muss einige Punkte beachten.

  • Nach Kenntnis der Erbschaft haben Sie sechs Wochen Zeit, um das Erbe auszuschlagen.
  • Als Stichtag für die Frist gilt der Tag, an dem man von der Erbschaft erfährt, was bei nahen Angehörigen in der Regel mit dem Todestag zusammenfällt. Nur in Ausnahmefällen wird die Frist verlängert, beispielsweise wenn der Verstorbene den letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder sich der Erbe beim Eintritt des Erbfalles im Ausland aufhält.
  • Die Frist läuft ohne schriftliche Benachrichtigung des Nachlassgerichtes. Eine extra Nachricht vom Nachlassgericht bekommt man nur, wenn ein Testament hinterlegt ist oder wenn man als Erbe nachrückt, weil es bereits jemand anderes ausgeschlagen hat.
  • Werden Sie innerhalb der Frist nicht tätig, gilt das Erbe als angenommen!
  • Um das Erbe auszuschlagen, muss dies gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Das geht persönlich oder schriftlich, in diesem Fall muss das Schreiben aber eine notarielle Erklärung sein. Ein einfacher Brief ist nicht ausreichend.

Gut zu wissen: Neben dem Beantragen des Erbscheines gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie man versehentlich das Erbe annehmen kann. Dazu zählen die Veräußerung von Nachlassgegenständen oder auch Verkaufsangebote, sowie die Belastung von Nachlassgegenständen und die Verwendung von Nachlassmitteln, wenn sie über die Fürsorge für den Nachlass hinausgehen.

Erbschaftssteuer

Oberhalb bestimmter Freibeträge wird in Deutschland Erbschaftssteuer fällig. Die Freibeträge (nach § 16 ErbStG) und die Steuerklassen (nACH § 15 ErbStG9 richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis der Erblasser zum Erben.

VerwandtschaftsverhältnisFreibetragSteuerklasse
für Ehepartner und Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft500.000 €I
für Kinder, Stief- und Adoptivkinder, sowie für Enkelkinder (wenn deren Eltern verstorben sind)400.000 €I
für Enkelkinder200.000 €I
für Urenkel; sowie für Eltern und Großeltern (beim Erwerb durch Erbschaft)100.000 €I
für Geschwister, Kinder der Geschwister, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehepartner und Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft; sowie für Eltern und Großeltern (beim Erwerb durch Schenkung)20.000 €II
für alle anderen Empfänger einer Schenkung oder Erbschaft20.000 €III

Abfindung statt Erbschaft: Wann ein taktisches Ausschlagen Sinn macht

Um die Erbschaftssteuer zu umgehen, kann es Sinn machen, die Erbschaft auszuschlagen und stattdessen eine Abfindung zu vereinbaren.

Ein Beispiel: Ein Mann bekommt ein Vermögen von einer Million von seinem Vater vererbt. Nach Abzug des Freibetrags von 400.000 Euro, blieben noch 600.000 Euro übrig, die er mit 15 Prozent versteuern müsste. Da er die 90.000 Euro Erbschaftssteuer nicht zahlen möchte, schlägt er das Erbe aus und vereinbart mit seinen drei Kindern, die an seine Stelle treten in der Erbfolge, dass sie ihm eine Abfindung in Höhe von 400.000 Euro zahlen. Jedes seiner Kinder hat als Enkelkind des Erblassers einen Freibetrag von 200.000 Euro. Bleiben noch die 400.000 Euro, die der Vater als Abfindung erhält, auf die muss weder er noch seine Kinder Steuern bezahlen, da die Summe seinem Freibetrag als Sohn entspricht und diese Vereinbarung erst nach dem Tod des Erblassers getroffen wurde.

Achtung: Wäre das alles zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart worden, greift eine andere Rechtsgrundlage: Es werden dann die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften angewendet, die im Verhältnis des Zahlungsempfängers zu den Zahlenden gelten. Der Vater hätte dann in unserem Beispiel als Elternteil nur einen Freibetrag von 100.000 Euro und müsste für die verbleibenden 380.000 Euro 11 Prozent Steuern zahlen, also 33.000 Euro.

Weitere Informationen dazu finden Sie in einem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 10. Mai 2017 (Aktenzeichen II R 25/15) zur Besteuerung der Abfindung für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch

Es kann sich also lohnen, das Erbe auszuschlagen. Allerdings sollten Sie bei derartigen Manövern vorsichtig sein und beispielsweise vorher sicherstellen, dass sie keine Person in der Erbfolge übersehen haben. Sonst freut sich nämlich jemand ganz anderes über den unverhofften Geldsegen.

Kann ich das Ausschlagen des Erbes rückgängig machen?

Wird das Erbe zunächst ausgeschlagen und später stellt sich heraus, dass der Erblasser über ein großes Vermögen verfügt hat, stellt sich schnell die Frage, ob man ein bereits ausgeschlagenes Erbe doch antreten darf. Um die Ausschlagung rückgängig zu machen, muss sie angefochten werden. Dafür besteht eine sechswöchige Frist. Für die Anfechtung muss ein glaubhafter Grund angegeben werden. Dieser ist beispielsweise ein Irrtum über die Erbfolge.  Oder laut § 119 Abs. 2 BGB wenn sich der die Ausschlagung erklärende Erbe zum Zeitpunkt seiner Erklärung über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt hat.
Aber Vorsicht: Als Begründung reicht nicht aus, dass man geglaubt hat, dass der Nachlass überschuldet sei. Man muss vielmehr glaubhaft darlegen können, dass man fälschlicherweise davon ausging, dass bestimmte Gegenstände oder Forderungen nicht zum Nachlass gehören oder dass man fälschlicherweise davon ausging, dass bestimmte Nachlassverbindlichkeiten tatsächlich bestehen und den Nachlasswert schmälern.

Außerdem können Ausschlagungen, die auf Grund von Drohungen oder Täuschungen stattgefunden haben, angefochten werden.

Erbausschlagung mit unangenehmen Nebenwirkungen

Wer mit hohen Schulden rechnet, neigt möglicherweise dazu, eine Erbschaft vorschnell auszuschlagen. So ist es einer Frau in einem zweiten Beispiel ergangen. Nach dem Tod des Vaters erbte sie gemeinsam mit ihrem Bruder das Elternhaus. Als ihr Bruder einige Jahre später stirbt, weiß sie um dessen Schulden und schlägt das Erbe aus. Jetzt hat sie ein halbes Haus, das sie eigentlich gerne verkaufen würde. Dies ist aber nicht möglich, da sie nur einen Teil der Immobilie besitzt. Die laufenden Kosten für das gesamte Haus landen aber bei ihr. In einem solchen Fall ist es ratsam, das Erbe nicht direkt auszuschlagen, sondern durch eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren die Haftung auf den Nachlass zu beschränken und damit das eigene Vermögen zu schützen. Der Nachlassverwalter könnte dann zum Beispiel zusammen mit der Frau das gesamte Haus verkaufen und damit die Schulden des verstorbenen Bruders bezahlen.

Nachlassverwaltung statt Erbausschlagung

In manchen Fällen ist der Umfang einer Erbschaft nicht direkt zu erkennen. Falls nicht absehbar ist, welche Höhe das Vermögen und die Schulden des Erblassers haben, können Erben eine Nachlassverwaltung beantragen. Dadurch wird die Haftung auf den Nachlass beschränkt und die Erben haften nicht mit ihrem Privatvermögen für mögliche Schulden. Allerdings verlieren die Erben dadurch auch die Befugnis, den Nachlass selbst zu verwalten.

Aber aufgepasst: Durch eine Nachlassverwaltung verringert sich das Erbe, da die Kosten für den Verwaltungsaufwand aus dem Nachlass bestritten werden. Genaue Beträge sind schwer zu beziffern, jedoch kann der Nachlassverwalter für seine Arbeit laut § 1987 BGB eine „angemessene Vergütung verlangen.“

Der Antrag kann persönlich oder per Post beim Nachlassgericht gestellt werden. Das Gericht beauftragt dann einen Nachlassverwalter, der die Schulden des Verstorbenen aus dem Nachlass begleicht. Sind alle ausstehenden Rechnungen beglichen, endet die Nachlassverwaltung. Übrig gebliebenes Vermögen wird an die Erben ausgezahlt. Sollte der Nachlass nicht für alle ausstehenden Zahlungen ausreichen, beantragt der Verwalter ein Nachlassinsolvenzverfahren.

Was bedeutet ein Nachlassinsolvenzverfahren?

Entpuppt sich ein Nachlass als überschuldet, können die Erben oder der Nachlassverwalter ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Dann beschränkt sich die Haftung wieder nur auf den Nachlass und lässt das Privatvermögen der Erben außen vor. Das Verfahren wird nur eröffnet, wenn das Gericht davon ausgeht, dass die Kosten für das Verfahren aus dem Nachlass gezahlt werden können. Ist dies nicht der Fall, stellt das Gericht die Dürftigkeit des Nachlasses in einem Beschluss fest. Dieser kann als Nachweis dienen, wenn Gläubiger des Verstorbenen auf die Erben zukommen.

Übrigens: Auch wenn das Wort „Insolvenz“ negativ behaftet ist, geht es dabei in erster Linie schlicht darum, aus dem vorhandenen Geld möglichst alle offenen Zahlungen zu begleichen. Auf das Vermögen des Erben oder Eingruppierungen wie die SCHUFA hat das Verfahren keinen Einfluss.

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