Bei einer Erkältung ist die Nase oft verstopft, das Atmen wird anstrengend und der Schlaf wird unruhig. Viele Menschen greifen dann zu abschwellenden Nasensprays oder -tropfen. Kein Wunder, sie sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich – und sorgen tatsächlich schnell für eine freiere Nase und erleichtertes Atmen.
Die Folgen von zu viel Nasenspray
Doch ohne Risiko sind solche Nasensprays nicht: Bei zu langem oder übermäßigem Gebrauch können sie sogar abhängig machen und die Schleimhäute nachhaltig schädigen.
Bei der Studentin in unserem Fallbeispiel hat es vor zwölf Jahren angefangen mit einer langwierigen Erkältung. Seitdem sprüht sie täglich etwa alle zwei Stunden Nasenspray. Ob beim Spaziergang, beim Lernen oder vor dem Schlafengehen: Das Mittel ist für sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ohne habe sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen – und in Panik zu geraten. Freies Atmen ist für sie nicht mehr möglich.
Abhängig von Nasenspray – das steckt dahinter
Dr. Oliver Reichel ist Hals-Nasen-Ohrenarzt und kennt das Problem. Werde über lange Zeit hinweg abschwellendes Nasenspray verwendet, komme es zu einer sogenannten Hyperplasie der Schleimhäute und der Schwellkörper, erklärt der Chefarzt am Siloah St. Trudpert Klinikum in Pforzheim. „Das bedeutet, dass das Gewebe einfach mehr wird. Es wird dicker und größer und engt den Luftstrom deutlich ein.“
Die Nasensprays enthalten die Wirkstoffe Xylometazolin oder Oxymetazolin, die an die sogenannten Alpha-Rezeptoren der Nasenschleimhaut andocken. Dadurch verengen sich die Blutgefäße, die Nasenschleimhaut schwillt ab und man kann besser atmen.
Wirkstoffe im Nasenspray verändern Schleimhäute
Wird das Spray jedoch über einen längeren Zeitraum angewendet, gewöhnt sich die Nasenschleimhaut an den jeweiligen Wirkstoff - und reagiert mit einer Art Rebound- oder Bumerang-Effekt: Sobald die Wirkung des Nasensprays nachlässt, schwellen die Schleimhäute wieder an, oft sogar stärker als zuvor.
Eine immer höhere Dosis des Wirkstoffs wird nötig, weil die Nase sonst permanent verstopft ist. Nimmt man zu lange zu viel Nasenspray, kann es so zu der beschriebenen, langfristigen Veränderung der Nasenschleimhaut kommen.
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Nasenspray richtig anwenden – so gehts
Tatsächlich empfehlen Fachleute, abschwellende Nasensprays nicht länger als sieben bis zehn Tage und maximal dreimal pro Tag einzusetzen - und sie dann allmählich auszuschleichen.
Doch oft bleibt es eben nicht dabei. Viele Patienten würden Nasenspray länger verwenden, häufig ohne sich darüber bewusst zu sein, dass es zu einer Abhängigkeit kommen könne, sagt Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Oliver Reichel. Zwar gebe es kaum aussagekräftige Zahlen dazu, weil die Dunkelziffer hoch sei, meint er. Aber: „In unserer Bevölkerung ist das Problem sehr tief verankert.“
Sucht bekämpfen: Alternativen sind Nasensprays mit Kortison
Wer selbst merkt, dass es ohne Nasenspray nicht mehr geht, kann versuchen, das Mittel langsam selbst abzusetzen. Fachleute empfehlen dabei verschiedene Ansätze zur Nasen-Spray-Entwöhnung:
- Bei der schrittweisen Reduktion wird die Dosis allmählich verringert und das ursprüngliche Nasenspray dann durch schwächere Präparate ersetzt, zum Beispiel durch Kindernasenspray, Nasenspray mit Meersalz, eine Nasensalbe oder durch Inhalationen.
- Auch kortisonhaltige Sprays sind eine nicht-süchtigmachende Alternative.
- Die sogenannte Ein-Loch-Methode kann bei der Entwöhnung ebenfalls helfen. Dazu nutzt man das Spray zunächst nur noch für ein Nasenloch. Ist dieses Nasenloch entwöhnt, entwöhnt man auch das zweite.
Wenn Entwöhnung nicht gelingt: die Operation
Wenn allerdings alle Versuche fehlschlagen, sich das Nasenspray abzugewöhnen, hilft nur noch eine Operation der Nasenschleimhäute. Am Siloah St. Trudbert Krankenhaus in Pforzheim führt Dr. Oliver Reichel solche Operationen durch.
Die Nasenschleimhaut habe sich auch bei der Patientin in unserem Fallbeispiel so umgebaut, dass sie ohne den Wirkstoff aus dem Nasenspray immer geschwollen sei, erklärt der Mediziner. „Dadurch haben wir keine andere Möglichkeit mehr, als durch einen operativen Eingriff die Schleimhaut zu reduzieren und auch die anatomischen Verhältnisse anzupassen, damit wieder mehr Luft durchgeht.“
So läuft die Operation der Nasenschleimhaut ab
Bei der Operation wird die Schleimhaut an den Nasenmuscheln abgetragen und zusätzlich noch die Nasenscheidewand begradigt. Die Operation dauert etwa ein bis zwei Stunden. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Regelmäßige Kontrollen – vor allem direkt nach der Operation – helfen dabei, mögliche Verkrustungen zu entfernen und den Heilungsprozess zu überwachen. Und einen Rückfall zu verhindern, denn direkt nach der Operation sind die Schleimhäute zunächst noch angeschwollen.
Tipps zur Vorbeugung
Im Winter und bei Heizungsluft sollten Betroffene auf ausreichende Luftfeuchtigkeit achten, die Nase pflegen – und nicht sofort zum abschwellenden Spray zu greifen, auch wenn die Nase mal verstopft ist.
Zunächst könnten dann etwa eine Meersalz-Spülung oder ein Meersalz-Spray helfen. Auch Nasensalben mit mentholhaltigen Wirkstoffen könnten Linderung verschaffen.