Insbesondere auf Social Media wird Essig, insbesondere Apfelessig derzeit als wahrer Alleskönner angepriesen. Manche trinken ihn direkt morgens nach dem Aufstehen, um Verstopfung und einen Blähbauch zu vermeiden. Andere schwören auf seinen positiven Einfluss auf Haut und Blutzucker. Und zu guter Letzt soll Essig auch noch beim Abnehmen helfen. Was ist dran an den Gerüchten? Welche Effekte kann ein übermäßiger Konsum haben?
Wie wird Essig hergestellt?
Damit Wein zu Essig wird, braucht es die sogenannte Essigmutter, eine gallertartige Masse aus Essigsäurebakterien.
„Die Essigmutter macht man in den Wein rein, wartet ab und das fängt dann ganz langsam an zu fermentieren. Es nimmt den Alkohol auf und scheidet Essigsäure aus“, erzählt Essigmacher Schorsch Wiedemann, der seinen Essig auf traditionelle Weise herstellt. Bis aus dem Wein Essig geworden ist, dauert es etwa 15 Monate.
Dann wird er in kleinere Barriquefässer umgefüllt. Dort verdunstet weiter Wasser. Dabei entwickelt der Essig erst sein eigentliches Aroma. Die Reifung braucht Zeit und Geduld – exklusive Essige können Jahrzehnte lang reifen und an Qualität zunehmen, wie guter Wein.
Vier Wochen vor der Abfüllung kommen dann noch unterschiedliche Aromen zum Essig – wie Aprikosen, Orangenschalen, Thymian oder Kamille. „Der Essig zieht dann aus den Kräutern, aus den Wurzeln und aus dem Obstteil die ganzen Inhaltsstoffe raus. Wasserlösliche Stoffe, ätherische Öle, je nach dem, was es ist“, sagt Wiedemann.
Unterschiedliche Essigsorten
Die einzelnen Essigsorten unterscheiden sich vor allem aufgrund ihrer Ausgangsprodukte:
Brandweinessig wird aus Wodka oder Korn hergestellt. Er ist eher geschmacksneutral und wird hauptsächlich zum Einlegen von Gemüse verwendet.
Obstessig wird aus Früchten hergestellt. Er ist eher säurearm und fruchtig mild. Er eignet sich für Salatsoßen, aber auch zum Würzen von Speisen.
Weinessig wird aus Rot- oder Weißwein hergestellt. Je hochwertiger der Wein, desto besser ist der Essig. Er kann für Salate aber auch z.B. zum Marinieren oder Würzen verwendet werden.
Aceto Balsamico wir aus eingedicktem Traubenmost gewonnen und durch Zugabe von Wein zum Gären gebracht. Er ist sehr aromatisch. Neben Tomate-Mozzarella passt er zu vielen Gerichten.
Ist Essig gut für Haut und Magen?
In den sozialen Medien tauchen immer wieder Videos auf, in denen sich Menschen Essig auf ihre Pickel tupfen oder ein bis zwei Teelöffel früh morgens verdünnt mit Wasser trinken. „Essig ist in erster Linie sauer. Und die Säure, die hilft natürlich, da sie desinfiziert. Das heißt, wenn wir so kleine Entzündungen haben auf der Haut oder ein Pickelchen, dann kann Essig schon mal ganz gut sein“, erklärt Ökotrophologin Dr. Brigitte Bäuerlein.
Auch auf den Magen hat Essig positive Auswirkungen: „Essig hilft uns bei der Verdauung, indem er zum Beispiel schon im Mund und Rachenraum mithilft zu desinfizieren, den Schleim mit unterstützt und auch im weiteren Verlauf im Magen die Verdauungssäfte anregt“, so die Ökotrophologin.
Um die desinfizierende Eigenschaft von Essig wussten bereits die Ägypter und Chinesen vor über 5.000 Jahren. Er diente als Würz- und Konservierungsmittel. Seine antibakterielle Wirkung machten sich später auch die römischen Legionäre zu nutze. Sie hatten eine Mischung aus Wasser und Essig in ihren Feldflaschen. Der Essig tötete die Keime, das Wasser wurde genießbar. Auch der griechische Arzt Hippokrates soll Essig zur Bekämpfung diverser Infektionen eingesetzt haben.
Wirkt Essig entzündungshemmend?
Besonders Balsamicoessig erfreut sich seit Jahren einer großen Beliebtheit. Er enthält Polyphenole. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die entzündungshemmend wirken sollen.
Diese Stoffe sind im Essig allerdings nur in kleinen Mengen zu finden. Der Verzehr von Obst und Gemüse lohnt sich deutlich mehr.
Essig bei Diabetes
Studien legen nahe, dass Essig besonders für Diabetiker positiv wirken kann, und zwar aufgrund seiner möglichen blutzucker-regulierenden Wirkung.
Oftmals sind Zellen von Diabetikern nicht empfindlich für Insulin. Das hat zur Folge, dass bei ihnen Insulin schlechter an der Zelle andocken kann. Das ist aber notwendig, damit der Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangen kann. Geschieht das nicht, steigt der Blutzuckerspiegel.
Nehmen Diabetiker Essig zu sich - so die Vermutung - kann die Empfindlichkeit für Insulin in den Zellen erhöht werden. Dadurch kann das Insulin besser an Rezeptoren andocken und der Zucker letztlich besser in die Zellen gelangen. So könnten Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel effektiver steuern.
Ernährungswissenschaftlerin Dr. Bäuerlein rät, zu diesem Thema Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten.
Hilft Apfelessig beim Abnehmen?
Keine Essig-Sorte hat es in der letzten Zeit so in die Schlagzeilen geschafft wie der Apfelessig, der als angeblicher Schlankmacher Karriere machte. Auslöser für diesen Hype war eine libanesische Studie. Junge, übergewichtige Probanden haben dort sechs bis acht Kilo Körpergewicht innerhalb von 12 Wochen abgenommen, angeblich durch Apfelessig.
„Wenn man genau hinschaut, waren es nur wenige Teilnehmer“, kritisiert Bäuerlein. Zudem sei unklar, wie viel Sport die Teilnehmenden machten und ob eine weitere Ernährungsumstellung Grund für die Gewichtsabnahme war.
Der wissenschaftliche Beweis, ob Apfelessig beim Abnehmen helfen kann, steht jedenfalls weiter aus.
Vorsicht bei übermäßigem Essigkonsum
Säureempfindliche Menschen sollten mit Essig vorsichtig sein. Ein übermäßiger Essigkonsum kann zu Magenreizungen führen und den Zahnschmelz angreifen.
In unverdünntem Zustand sollte man Essig nicht trinken. Wer den Essigtrend ausprobieren möchte, kann ein bis zwei Teelöffel Essig mit Wasser verdünnen.