Verkehrssicherungspflicht

Äste und Bäume, Laub, E-Scooter im Weg: Wer muss sich kümmern?

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Autor/in
Martin Küstermann
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Sola Hülsewig

Die Verkehrssicherungspflicht liegt beim Eigentümer des Grund und Bodens. Aber wer wofür wieviel Verantwortung trägt, ist oft umstritten.

Verkehrssicherungspflicht: Was ist das?

Viele denken beim Wort Verkehrssicherung an den Straßenverkehr. Tatsächlich geht es bei der Verkehrssicherungspflicht aber um Gefahrenquellen generell und wer dafür zuständig ist, diese abzusichern. Mit „Verkehr“ ist in diesem Fall „üblicher Gebrauch“ gemeint.

Das kann zum Beispiel ein Kabel sein, was im Weg liegt, ein Gartenteich, in den Kinder fallen könnten oder auch Sperrmüll, wenn er so aufgestellt wurde, dass er eine vermeidbare Gefahrenquelle darstellt. Aber auch ein Lithium-Ionen-Akku, der durch falsches Laden in Brand gerät, fällt unter Missachtung der Verkehrssicherungspflicht, wie das Berliner Kammergericht festgestellt hat (Beschluss vom 11.01.2024, Az. 8 U 24/22): Der Akku stand während des Ladevorgangs auf einem Holzregal, hätte aber laut Gericht auf einer nicht-brennbaren Oberfläche geladen werden sollen.

Übrigens bleiben Fälle zur Verkehrssicherungspflicht nicht immer nur zivilrechtliche Angelegenheiten – kommen Menschen ernsthaft zu Schaden, kann dies auch strafrechtlich verfolgt werden, zum Beispiel mit einer Klage wegen Körperverletzung.

Wer wann und in welcher Form seine Pflichten verletzt hat und für Unfälle haftet, hängt vom jeweiligen Fall ab und wird einzeln betrachtet. Die Gerichte beziehen sich fast immer auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verkehrssicherungspflicht, die da lautet (nach Urteil OLG Düsseldorf 24 U 155/14): „Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch.“

Inhalt:
E-Roller, die den Weg versperren: Wer haftet?
Kanaldeckel gibt plötzlich nach
Schlaglöcher: Was muss die Kommune tun?
Wer muss Herbstlaub entfernen?
Herabfallende Äste, marode Bäume
Was gilt im Wald?
Gartenteich und Pool absichern

E-Roller, die im Weg rumstehen: Wer haftet bei Unfällen?

Grundsätzlich haben Verleiher von E-Scootern eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die verliehenen Roller. Schäden müssen nach Möglichkeit verhindert werden. Dass Dritte die Roller quer in den Weg stellen oder umstoßen, dafür müssen die Verleiher allerdings nicht geradestehen. Viele Anbieter versuchen, sich hinsichtlich des ordnungsgemäßen Abstellens so abzusichern, dass der Nutzer nach dem Parken erst ein Foto des Rollers in der App machen muss, bevor er den Leihvorgang beenden kann.

So hat auch das Oberlandesgericht Bremen jegliche Ansprüche eines Klägers auf Schmerzensgeld verneint, der über zwei E-Roller gestolpert war (Urteil vom 15.11.2023, Az. 1 U 15/23). Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung von Fahrzeughaltern nach § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) gelte hier nicht, da E-Roller Elektrokleinstfahrzeuge seien (§ 8 Nr. 1 StVG). An dieser Gesetzeslage gibt es allerdings Kritik.

Verkehrssicherungspflicht: Wenn die Gemeinde haftet

Die öffentliche Hand muss dafür sorgen, dass sich die öffentliche Infrastruktur in dem Zustand befindet, den man erwarten darf. So gab das Oberlandesgericht Saarbrücken einer Frau Recht, die sich durch einen verkehrsunsicheren Schachtdeckel schwer verletzte. Der Deckel gab unter ihr nach, sie stürzte mit einem Bein in den Schacht. Die Gemeinde haftet für alle entstandenen Schäden und muss auch die Gerichtskosten zahlen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.5.2021, 4 U 21/20).

Schlaglöcher: Wer haftet bei Unfällen?

Auch bei Schlaglöchern kommt es auf die jeweilige Situation an. Auf viel befahrenen Straßen, besonders auf Schnellstraßen, muss die zuständige Stelle sicherstellen, dass sie ohne Gefahr befahrbar sind.

Anders verhält sich dies auf weniger frequentierten Straßen: Hier muss man als Fahrer mit Schlaglöchern rechnen und dem entsprechend langsam und vorsichtig fahren.

Dennoch hat die Kommune eine Verkehrssicherungspflicht der Straßen. Ob sie diese verletzt, kommt hauptsächlich auf die Tiefe des Lochs an: Das Landgericht Hamburg hat ein 9 Centimeter tiefes Loch in einer 30er-Zone nicht als Gefahrenquelle angesehen (Urteil vom 31.03.2023, Az. 331 O 203/22). Generell kann man davon ausgehen, dass Schlaglöcher erst ab 15 Centimetern Tiefe eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellen.

Rechtsexperte Karl-Dieter Möller berichtet aus eigener Erfahrung, dass Fälle, bei denen möglicherweise die Verkehrssicherungspflicht durch die öffentliche Hand verletzt wurde, sehr häufig mit einer 50/50-Regelung entschieden werden. Der Geschädigte muss dann die Hälfte der Kosten selbst tragen, weil ihn aufgrund seiner mangelnden Vorsichtigkeit eine Mitschuld trifft.

Wer muss glitschiges Herbstlaub entfernen?

Auch im Fall von Herbstlaub, das auf Geh- und Radwege fällt und eine glitschige Schicht bildet, hat zunächst der Eigentümer für die Verkehrssicherung zu sorgen, auf dessen Grundstück die Bäume stehen.. Im Falle von Straßen und Gehwegen sind das die Gemeinden. Diese können die Pflicht, Laub zu räumen, jedoch per Satzung auf die Anlieger übertragen. Eigentümer wiederum können die Pflicht an ihre Mieter übertragen – dies muss jedoch im Mietvertrag festgelegt sein.

Dabei reicht es nicht, in vorher festgelegten Zeitabständen sauber zu machen, hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden (Urteil vom 09.12.2005 - 9 U 170/04). Fällt zu bestimmten Zeiten mehr Laub als zu anderen, müssen die Straßen dann häufiger gereinigt werden: „Es ist dem Sicherungspflichtigen zumutbar, auch außerhalb üblicher Dienstzeiten die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht sicher zu stellen.“

Stürzen Radfahrer jedoch auf dem glitschigen Laub, trifft sie laut Urteilen häufig eine Teilschuld, wenn sie das auf dem Weg liegende Laub sehen und sich nicht entsprechend vorsichtig verhalten.

Generell sind Gemeinden auch nicht verpflichtet, herabfallende Blätter sofort zu entfernen: „Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar…“ (KG Berlin, 11.10.2005, 9 U 134/04). Im Einzelfall werden Gerichte also immer abwägen, ob die Gemeinde ihre Pflichten wirklich verletzt hat oder ob der Bürger nicht von sich aus vorsichtiger hätte sein müssen.

Herabfallende Äste von Bäumen: Wer ist zuständig?

Wenn Bäume auf dem Nachbargrundstück eine Gefährdung für mich oder meinen Besitz darstellen, muss der Eigentümer auch hier seiner Verkehrssicherungspflicht nachkommen und die Bäume sichern.

Hier lohnt es sich in jedem Fall, zunächst das Gespräch zu suchen. Sollte daraufhin jedoch klar werden, dass der Nachbar nicht tätig wird, sollte man durchaus zügig eine Einstweilige Verfügung beantragen – wenn es sich um eine akute Gefahrenquelle handelt. Wartet man damit zu lange, könnten Gerichte in Zweifel ziehen, dass die Gefahr wirklich drängend war.

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Verkehrssicherung im Wald: Betreten auf eigene Gefahr?

Im Wald bin ich auf eigene Gefahr unterwegs, der Eigentümer kann nicht dafür haftbar gemacht werden, wenn mir ein Ast auf den Kopf fällt, ich in ein Loch stürze oder mich beim Klettern auf Holzstücke verletze. Nur, wenn absichtlich eine vermeidbare Gefahrenquelle geschaffen wurde, etwa durch Spannen eines Drahtes in Fußhöhe, haftet der Verursacher.

Gefahrenquelle Pool oder Teich: Wie absichern?

Teiche und Pools stellen vor allem für kleine Kinder ernstzunehmende Gefahrenquellen dar. Bei Kindern ist Ertrinken eine der häufigsten nicht-natürlichen Todesursachen. Wasserbassins müssen daher so abgesichert werden, dass niemand hineinfallen kann. Ein Schild aufzustellen, reicht nicht.

Außerdem gilt: Selbst, wenn sich der Teich oder Pool auf meinem Privatgrundstück befindet, muss ich für die Verkehrssicherheit sorgen und hafte bei Unfällen, auch, wenn der Geschädigte das Grundstück unbefugt betreten hat.

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