Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts könnte jede fünfte Person zwischen 18 und 79 Jahren von einem Prädiabetes betroffen sein - viele davon, ohne es zu wissen. Denn Betroffene spüren lange nichts, Symptome treten keine auf. Prädiabetes wird daher häufig erst bei einer Blutuntersuchung im Routine-Check entdeckt. Die Folgen können jedoch gravierend sein.
Was ist Prädiabetes?
Bei Prädiabetes handelt es sich um eine Vorstufe des Typ 2 Diabetes. Der Zuckerstoffwechsel ist gestört. Im Normalfall transportiert das Hormon Insulin die Glukose (also den Zucker) aus dem Blut in die Zellen und versorgt diese so mit Energie. Kann nun die Bauchspeicheldrüse nicht genug Insulin produzieren oder sind die Zellen resistent gegen das Insulin geworden, so entsteht ein erhöhter Blutzuckerspiegel.
Ursachen von Prädiabetes können eine genetische Vorbelastung, aber auch Faktoren wie fortgeschrittenes Alter, Übergewicht, Bewegungsmangel oder Stress sein.
Wie gefährlich ist Prädiabetes?
Endokrinologen Prof. Heni plädiert dafür, Prädiabetes als eigenständige Krankheit ernst zu nehmen. Denn Prädiabetes bringe zwei Probleme mit sich. "Das eine ist, dass Menschen mit Prädiabetes ein recht hohes Risiko haben, Typ 2 Diabetes zu entwickeln. Das zweite Problem - das mich noch mehr beunruhigt - sind Komplikationen", erklärt Prof. Heni. Bei Diabetes seien Komplikationen w ie Nierenprobleme, Herzinfarkte oder Schlaganfälle bekannt. In den letzten Jahren habe man aber verstanden, dass auch Menschen mit Prädiabetes diese Komplikationen erleiden können - obwohl sie noch gar keinen Diabetes haben.
Wann liegt Prädiabetes vor?
- Wenn der Nüchternblutzuckerwert zwischen 100 und 126 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) liegt (ein normaler Wert liegt bei unter 100 mg/dl; Diabetes liegt vor ab 126 mg/dl).
- Wenn der Wert beim oralen Glukosetoleranztest (auch Zuckerbelastungstest) nach zwei Stunden zwischen 140 und 199 mg/dl liegt (ein normaler Wert liegt bei unter 140 mg/dl; Diabetes liegt vor ab 200 mg/dl).
- Wenn beim Langzeitblutzuckerwert, dem sogenannten Hba1c, der Wert zwischen 5,7 Prozent und 6,4 Prozent liegt, dann deutet das auf Prädiabetes hin (Diabetes liegt vor ab 6,5 Prozent).
Prädiabetes ist dabei aber nicht gleich Prädiabetes. Eine Tübinger Studie kam zu dem Ergebnis, dass es sechs Prädiabetes-Typen gibt und je nach Typ kann es unterschiedlich gefährlich werden, wenn die erhöhten Blutzuckerwerte nicht sinken. Typ 1, Typ 2 und Typ 4 der sechs Prädiabetes-Typen sind verhältnismäßig harmlos, bei Typ 3, Typ 5 und Typ 6 handelt es sich um Risikogruppen, bei denen sofort gehandelt werden sollte. Typ 3 und 5 sind mit einem hohen Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Schäden verbunden. Prädiabetes-Typ 6 hat zwar ein relativ niedriges Diabetes-Risiko, dafür jedoch ein hohes Risiko für weitere Komplikationen, zum Beispiel einer Erkrankung der Nieren.
Gemein haben alle drei Hochrisiko-Typen: Übergewicht mit Fettansammlungen im Bauchraum und/oder an den Organen. Die weniger gefährdeten Prädiabetes-Subtypen haben bei Übergewicht hingegen eine andere Fettverteilung oder sind schlank. Die genaue Bestimmung der Subgruppen ist allerdings zu neu und zu komplex, um sie routinemäßig beim Hausarzt vornehmen zu können.
Ihre Zuckerwerte testen lassen sollten aber vor allem Menschen mit bauchbetontem Übergewicht, erst recht bei zusätzlichen Risikofaktoren wie Verwandten ersten Grades mit Diabetes. Auch Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Frauen, bei denen ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert wurde, sollten ihre Zuckerwerte gut im Blick behalten.
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Was tun bei Prädiabetes?
Eine gute Nachricht: Die Blutzucker-Werte können sich durch einen veränderten Lebensstil normalisieren. Aus Prädiabetes muss daher nicht zwangsläufig ein manifester Diabetes werden. Die Lebensstil-Veränderung ist dabei laut Prof. Heni zur Prävention von Diabetes besonders wirkungsvoll und beispielsweise effektiver als Medikamente. Sie beruht auf zwei Säulen: einer gesunden Ernährung und regelmäßiger Bewegung - am besten 150 Minuten Sport die Woche.
Zudem haben Studien gezeigt, dass bereits fünf bis sieben Prozent Gewichtsabnahme maßgeblich zu einer Verlagerung des Blutzuckers in den normalen Bereich beitragen können.
Ernährungswissenschaftlerin Martina Schemm von der Uniklinik Ulm empfiehlt bei Prädiabetes für eine ausgewogene Ernährung:
- 50 Prozent Gemüse
- 25 Prozent Kohlenhydrate, im Idealfall komplexe Kohlenhydrate (Vollkorn)
- 25 Prozent Eiweiß, bspw. Mageres Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte, Eier, Quark, Käse
Lebenswandel hilft nicht immer
Doch nicht bei allen Prädiabetes-Patienten von Prof. Heni zeigt eine Lebensstilveränderung die gewünschten Effekte. "Das sind Menschen, bei denen die Biologie dafür sorgt, dass sie nicht so gut auf Lebensstil-Intervention ansprechen. Und das ist natürlich ein Problem", erklärt der Endokrinologe. So ist etwa die nicht-alkoholische Fettleber typisch für diese Risikogruppe der Prädiabetiker.
Für Risiko-Prädiabetes-Typen gibt es derzeit allerdings noch keine Behandlungen, daher sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen nötig, um Entwicklungen und Gefahren zu beobachten.
Fazit
Prädiabetes betrifft viele, zeigt fast keine Symptome und kann - je nach Prädiabetes-Typ - relativ harmlos oder aber risikoreich sein. Einige Betroffene können Schlimmeres mit viel Einsatz und einer Lebensstil-Veränderung noch verhindern. Für andere funktioniert das wegen ihrer Veranlagung nicht. Für sie sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen wichtig, um die Risiken im Blick zu behalten.