Schluchten des Balkan
Mit zwei Lokomotiven an der Spitze geht es in Richtung Berge. Am Zug Lok 33-087, eine Lok der Baureihe fünfzig, und als Vorspann unsere 01-088 von gestern. Als erstes großes Erlebnis wartet die Timok-Schlucht auf uns. Sie ist 15 Kilometer lang, eine Felsenschlucht mit zahllosen Brücken und Tunnel und steilen Felswänden, teilweise nur einen Arm breit vom Gleis entfernt und in der Tiefe schlängelt sich der Fluss Timok. Fototraumrevier für unsere Reisenden. Scheinanfahrten, Fotohalte, es gibt alles, was das Herz begehrt.
Scheinanfahrt mit Überraschung
Ein Fahrgast hatte bei einer Scheinanfahrt aus einem Tunnel verstanden, dass der Zug ein zweites Mal zurücksetzt, damit auch die anschließende Brückenüberfahrt fotografieren werden kann. Der Fan war verwundert, dass der Zug nicht gleich zurücksetzte und sein Gesichtsausdruck erstarrte, als er hörte, dass der Zug weiter fuhr. Verloren in den Schluchten des Balkan. Also runter vom Berg und auf den Gleisen zu Fuß zum nächsten Bahnhof laufen. Der war zum Glück nur knapp zwei Kilometer entfernt und - besetzt. Dort musste unser Freund Hände und Füße zu Hilfe nehmen. Die Verständigung hat geklappt. Mit dem folgenden Regionalzug ging es mehrere Stationen weiter. In der Zwischenzeit beim Außenteam telefonisch ein außerplanmäßiger Personentransport angemeldet. Im Auto wurden wenig später die nächsten 20 Kilometer zurückgelegt und bei der nächsten Scheinanfahrt konnte unser Eisenbahnfreund wieder unbemerkt der Gruppe zugeführt werden.
Dampfloks
Die beiden Dampfloks sind ursprünglich in Deutschland gebaut worden, 01-088 anno 1922 in der Maschinenbaufabrik Karlsruhe, die 33-087, eine Kriegslok der Baureihe 52, 1944 in Kassel, wobei auf dem Lokschild Kassel noch mit C geschrieben wird. Es wird noch zu prüfen sein, warum, ebenso weshalb man sich beim Betrachten der 01 ein wenig an die "Schönen Württembergerin" erinnert fühlt.
Depot Zajecar
Gut anderthalb Stunden steht unser Zug am Bahnhof Zajecar. Wasserfassen und Lokwechsel sind angesagt. Die Fotografen und Filmer können wieder auf die Pirsch gehen und auch im Depot nach Herzenslust Motive suchen. Eine Raddrehbank ist ebenso zu finden, wie die blaue, sechsachsige "Titolok", die seinerzeit den Zug des Staatschefs gezogen hat. Auch schwedische Triebwagen sind hier im Einsatz, die gleichen Typen, die auch bei der Inlandsbahn laufen. Einige dieser Wagen stammen auch von Fiat.
Ohne Umwege
Viele Einheimische auf dem Bahnhof schauen dem ungewohnten Treiben mit einiger Verwunderung zu. Ein richtiger Eisenbahnfreund ist immer auf der Pirsch. Es gibt schließlich nichts, was seiner Linse entgeht. Die serbische Eisenbahn betreibt Verbindungen von Belgrad nach Bar (Montenegro), Thessaloniki, Istanbul und in die EU-Länder. Serbien besitzt 3.809 km Eisenbahnstrecken. 1.364 km davon sind elektrifiziert.
An diesem Mittag wird unser Zug auch von vielen Einheimischen begangen. Mit seiner Länge von neun Wagen blockiert er der normalen Fußweg über die Gleise. Da ein Fußgänger auch in Serbien ungern Umwege macht, führt sein Weg eben durch den Wagen auf die andere Seite.
Strecke
In der Landschaft wechseln sich Hügel und Gebirgsformationen in schöner Regelmäßigkeit ab, wobei die Hügel manchmal mit Bäumen, denn wieder nur mit Büschen oder Gras bewachsen sind. Leider begibt sich die Sonne immer stärker hinter die Wolken. Innerhalb von wenigen Minuten ist die Strecke um 200 Meter nach oben gestiegen. Ein Einschnitt wird von einer langen Hufeisenkurve überwunden. Wenig später grüßt eine größten Kupferminen Europas
Kupfer
In dieser Gegend soll bereits in der Antike Kupfer abgebaut worden sein. Das Vorkommen ist eher zufällig wiederentdeckt worden, als 1903 dort nach Gold gesucht wurde. Seit 1990 und der veränderten politischen Lage ist der Umsatz der Mine rapide gesunken. Heute hat man akute wirtschaftliche Probleme, kein Geld für neue Investitionen, dabei ist die ganze Region um Bor von der Kupfermine abhängig.
Brückenüberfahrt
Einige Kilometer später gibt es eine Scheinanfahrt über das längste Viadukt der gesamten Strecke. Es ist die Brücke von Kriveljski. Mit einer Länge von 465 Metern und einer Höhe von 75 Metern ein wunderbares Motiv, das leider nicht seinen ganzen Glanz entfalten kann, weil die Sonne ihre Aktivitäten für diesen Tag eingestellt hat. Die Bahnlinie ist spektakulär, aber, so der Bahnhofschef von Zajecar, gefährdet. Der Aufwand diese anspruchsvolle Strecke instand zu halten ist groß, der Personenverkehr nicht sonderlich hoch, größter Güterkunde ist die Mine, aber die LKW-Lobby drängt auf den Markt. So steht zu befürchten, dass diese Bahnreise durch die Schluchten des Balkan möglicherweise in absehbarer Zeit schon Geschichte ist. Viele Personenzüge fahren nicht mehr, aber einer bringt uns etwas aus dem Konzept.
Geplatzte Scheinanfahrt, nur einer freut sich
Eine Tunnelausfahrt soll noch einmal ein Motiv abgeben. Wir sind durch zahllose Tunnel gefahren, aber zum Abschluss der Schluchtenreise bietet sich eine Tunnelausfahrt mit Brücke geradezu an.
Die Fotoreihe steht, ein Fan jedoch suchte sich eine andere Stelle, bei der er aber allen anderen im Bild steht. Nach einigen Ermahnungen verläßt er den Platz und steigt beleidigt in seinen Wagen. Wenig später kommt die Nachricht, dass der Regionaltriebwagen nach uns bereits auf dem Weg ist und nicht ausweichen kann. Also rein in den Zug. Unser beleidigter Fahrgast schaut aus dem Fenster und strahlt: "Geschieht euch ganz recht, das habt ihr nun davon, dass ihr mich weg gemobbt habt...."
Im Abendlicht wird das Etappenziel Belgrad erreicht.